Howe Gelb und Kopfbedeckung gastieren mit Band (Giant Sand) in Österreich und eröffnen das Paralleluniversum Alternative Folk.
Die großen Weiten des amerikanischen Kontinents können musikalisch für nette Überraschungen gut sein – aber was da aus Arizona kommt, passt schon lange in keinen Hut mehr!
Dieser Hut fällt auf. Weil er ihn immer trägt. Zumindest dann, wenn er auf die Bühne kommt und sich ans Klavier setzt. Dabei hatte Howe Gelb als Kind laut eigener Aussage so gar keine Lust, sich die Finger wund zu üben. Die Frage danach, ob die Aversion gegen das Üben daher kam, dass man sich damals wegen des überschwappenden Mississippi nasse Füße holen konnte wenn man am Klavierschemel saß, hat er bis jetzt noch nicht beantwortet. Dass er heute gern in die Tasten greift, kann nur recht sein.
Ob Gitarre oder Klavier – zusammen mit seiner sonoren Stimme und den durch Ironie und Sarkasmus gewürzten Lyrics hat die Musik von Howe Gelb jenen Endorphin-Ausschüttungs-Effekt, den man sonst nur von Klängen wie dem hochbrodelnden Kaffee in der Bialetti kennt. Der amerikanische Alternative-Folk-Tipp Gelb ist heute 53 und immer noch für Überraschungen gut. Er improvisiert gerne. Bei Auftritten mit seiner ersten Band in Tucson, den Giant Sandworms (Anmk.: Nach der Trennung der Band gründeten Bassist John Convertino und Drummer Joey Burns die heutigen „Calexico“) war es sogar strikt verboten, eine Setlist zu haben. Nach dem Motto: Spontan sein – oder Bier zahlen.
Heute, fast zwanzig Jahre später, ist Gelb immer noch ein launischer Performer und in unterschiedlichen Konstellationen zu hören. So zum Beispiel als Solomusiker mit und ohne sein Alter-Ego-Projekt The Band of Blacky Ranchette, mit seiner Post-Punk Country-Rock Band Giant Sand (heute eine dänisch durchwachsene Basisformation mit wechselnden GastmusikerInnen von PJ Harvey bis Steve Wynn) und seit Neuestem auch mit Howe Gelb & A Band of Gipsies einem energiegeladenen Flamenco-Projekt, das er in Spanien mit einer Gruppe von MusikerInnen aufzeichnete. Die CD mit dem gleichnamigen Titel soll bald in Europa bei EUREKA Music veröffentlicht werden.
Obwohl er scheinbar überall seine Finger mit im Spiel hat, legt der Mann mit der Tiefseestimme aber nach wie vor keinen großen Wert darauf, ständig im Rampenlicht zu stehen. Auf die Frage danach, wie er selbst mit seinem nomadischen Leben als Multitasker und Pendler zwischen Musik und Familie empfindet, meint er:
there are 2 lives that i visit
.. 2 bodies of work that i hang my hat on
one is the endlessly exhausting and endlessly rewarding work of having a family and providing for their needs and enjoying this world more for having them in it
the other is the parallel existence of the sonic kingdom
in that place i am a phantom … the decades of workload have no weight to them and i float through it … it is in a constant state of motion … like any passage … it lies between the world of the living and the world of the dead … everything and everyone blurs past like through the windows of a train … and time has different meaning … knowing so many people for 30 years that have only spent 30 hours with … it is fueled by songs that allow the momentum of this passage, but even the songs are invisible
i used to live far out in a desert and loved the isolation … then on tour i would cluster thickly with people and traffic
now i am clustered thickly by family in my home in town and rely on touring to find my isolation
and it is still there
nothing else feels so alone as when on tour … sometimes its wonderful … a high lonesome feeling
and other times its not so good … you feel too much reflection from everyone out there … or you hear too many voices collected from inside you …
but each way of life waits for the other way of life just to have its way
Und man hört sie tatsächlich, die Gemütsschwankungen, die Einsamkeit, die Landschaft. Arizona? Mal schwanken die Songs zwischen narrativen Country-Anwandlungen und getragenen Balladen, dann wieder preschen Gelb und die Giant Sand rotzfrech mit verzerrten Gitarren in Richtung Indie-Rock. Egal welche Richtung er (oft unerwartet) einschlägt, allen Stücken gemeinsam sind die prägnant formulierten Lyrics, denen es nie an Tiefgang fehlt. Trotzdem sieht Gelb sich selbst nicht in der Rolle des Geschichtenerzählers. Er ist ein „reflector“, wie er sagt, verarbeitet Eindrücke zu einem Spiegelbild der Realität – und manchmal auch zu Antagonismen. Als bestes Beispiel dafür nennt er „vex in paris“ auf „Howe Gelb – Confluence“ (2001), wo er selbst dabei zu hören ist, wie er hinter den Kulissen einem großen Calexico Konzert beiwohnt.
it was a troubled time
Da war noch die Sache mit dem Hut, den er immer trägt und den man sich trotzdem nie erwartet. Die Geschichte hinter der Kopfbedeckung hat Howe Gelb immer parat:
used to live inside my long hair
felt good and dark in there
now i favor a good lid instead
as erosion takes it’s toll
and mucks my head
Konzerttermine:
31.05.10
AT-Graz, ORPHEUM
01.06.2010
HR-Zagreb, MOCHVARA
02.06.2010
SI-Ljubljana, KINO SISKA
03.06.2010
AT-Wien, HAUS DER MUSIK
04.06.2010
AT-Salzburg, ARGE
05.06.2010
AT-Bregenz, SEELAX FESTIVAL
06.06.2010
AT-Innsbruck, TREIBHAUS