»Den eigenen Ton finden«

Lukas Meschik veröffentlicht mit 23 seinen dritten, diesmal 600 Seiten starken Roman »Luzidin oder Die Stille«. Seiner Zeit voraus mit einer unverwechselbaren Sprache, die er über die letzten Jahre vorsichtig auslotete, ist Meschik ein literarisches Phänomen.

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Lukas Meschik sticht in der heimischen Literaturszene hervor. Er ist jung, seine literarische Entwicklung hat er dennoch bedacht und sorgfältig angelegt. Mit 16 fasste Meschik den Entschluss, Schriftsteller und Musiker zu werden, brach nach langen Überlegungen die Schule ab, nahm Kontakt zu einem Verlag auf und konzentrierte sich intensiv auf die künstlerische Arbeit, ohne Zeit zu verlieren. Er zeigte Ausdauer, verwarf vieles gemäß dem Thomas Bernhard’schen Ausspruch, dass die ersten 5.000 Seiten eines Schriftstellers für den Papierkorb seien.

Sein erstes Buch »Jetzt die Sirenen« erschien 2009 und wurde bereits von der Kritik im gesamten deutschsprachigen Raum gelobt. Die deutsche Wochenzeitung Die Zeit etwa schrieb: »Es knallt, es dröhnt, es rockt. In seinem Romandebüt zelebriert Lukas Meschik einen kleinen, atemlosen Weltuntergang.«

Trotz seiner Sorgfalt ist es immer noch verwunderlich, mit welch präziser und ausgefeilter Sprache, gleichzeitig mit welcher Freiheit und Sprachlust der Autor schreibt. Wer Meschik liest wird kaum glauben, dass er es mit einem 23-Jährigen zu tun hat. Mit Leichtigkeit nimmt der Autor den Leser an der Hand und geht mit ihm in die Tiefe seiner Figuren und Handlungen. In Lukas Meschiks Büchern wird fabuliert und assoziiert ohne gedankliche Schranken. Gerade Assoziation und Affekt gehen bei ihm eine Symbiose ein und dienen ihm als Anleitung für sein sprachliches Vorgehen, dem er in seinen Romanen und Erzählungen einen klaren Rahmen gibt.

Lukas Meschiks Grundthema ist die Wahrnehmungskrise. Im aktuellen Buch »Luzidin oder Die Stille« etwa tummeln sich Figuren wie der von einem seltsamen Dröhnen verfolgte Angestellte Justus Geheimnis oder der Toilettentester und Waschraumexperte Ladislaus Kampf. Das Universum spielt eine tragende Rolle, die Droge Luzidin und die Frage nach Einbildung und Wirklichkeit.

Selbst lebt Meschik eine Doppelidentität als Musiker und Schriftsteller, betreibt beides völlig unabhängig voneinander. Mit seiner Band Filou brachte er im Vorjahr beim Wiener Label Problembär das Album »Show« heraus.

Dein neuer Roman trägt den Titel »Luzidin oder Die Stille«. Was verrät dieser Doppeltitel?

»Luzidin« hatte ich von Anfang an als Arbeitstitel. Es ist ein erfundenes Medikament, eigentlich eine Droge. Der Verlag war mit dem Titel zuerst nicht ganz glücklich und ich war einverstanden, das zur Diskussion zu stellen. »Die Stille« passte sehr gut dazu, auf sie nehme ich als Topos oft Bezug. Luzidin ist ein erfundenes Wort, es vermittelt einen guten Klang, eine gute Stimmung, aber auch den Wahnsinn, die Stille ist der Gegenpol dazu.

Das Buch hat beachtliche 600 Seiten. Wie lange hast du dafür gebraucht?

Die Ideen dazu habe ich mir über einen langen Zeitraum zurechtgelegt. Im Jahr 2009 habe ich meinen Zivildienst gemacht. Ich wusste, ich kann nicht viel schreiben in dieser Zeit, aber ich habe Ideen gesammelt und dann geordnet. Von Frühling 2010 an habe ich dann ein Jahr lang daran geschrieben.

Du bist noch sehr jung. Seit wann schreibst du eigentlich?

Mit 14 habe ich erste Schreibversuche unternommen. Seit ich 16 bin arbeite ich ernsthaft daran. Damals habe ich mir vorgenommen, in meinem Leben zu schreiben und Musik zu machen. Ich hatte also kein klassisches Erweckungserlebnis, das mich zu diesen Dingen brachte. Als Kind hatte ich durch meine Eltern sehr früh schon Berührung mit dem Nachkriegskabarett, wie etwa Karl Farkas, was meine Lust an der Sprache und ein gewisses Sprachbewusstsein weckte. Wenn man dann erstmals Handke und Jelinek liest, dann tauchen plötzlich viele Fragen auf: Wie machen die das? Wie kann ich meinen eigenen Ton finden? Das war dann auch mein Wunsch, den eigenen Ton zu finden.

Musik und Schreiben kamen also gleichzeitig?

Mit 16 habe ich meine Band Filou gegründet, auch das war immer schon mehr als ein Hobby. Ich hatte und habe die Vorstellung, aus dieser Mischung von Dingen, Musik und Literatur, zu leben.

Wolltest du damals schon freier Schriftsteller sein?

Ich bin damals noch zur Schule gegangen, meine Leistungen haben aber allmählich stark nachgelassen, weil ich mich intensiv mit Musik und Literatur beschäftigt habe. Deshalb habe ich die Schule schließlich aufgegeben, was für mein Umfeld überraschend, für mich aber nach langer Überlegung geschah.

Wie hast du den Verlag für Deinen ersten Roman gefunden?

Mit 16 habe ich bereits Texte an den Luftschacht Verlag geschickt, die dort natürlich nicht publiziert wurden – sie meinten aber ein Potenzial zu erkennen und so brach der Kontakt nie ab. Ich habe sie immer weiter beschickt und wir haben die Texte besprochen, bis es schließlich 2009 dann klappte mit dem ersten Buch »Jetzt die Sirenen«.

Das heißt, du hast laufend Texte produziert?


Ich habe sehr viel geschrieben. Thomas Bernhard sagte einmal: Die ersten 5.000 Seiten schreibt man für den Papierkorb. Das habe ich immer als gute Aussage empfunden. Ich habe viele Romane begonnen, viele auch zu Ende gebracht, aber später vernichtet. Von Anfang an habe ich aber das Schreiben von Romanen angestrebt. Ich produziere auch jetzt noch sehr viel, sehe aber, dass es langsam konzentrierter wird.

Hast du nicht das Gefühl, dass dir gute Ideen verloren gehen, wenn du sie in den Papierkorb wirfst?

Nein. Jede Zeile ist ja in meinen Fingern. Nichts ist je verloren, alles ist gemacht. Manche dieser Werkstücke muss ich einfach wegschmeißen, In der Musik ist es doch auch ähnlich. Man probt herum, hat Ideen, und soll doch nicht immer alles gleich notieren. Wenn es gut ist, kann ich mich eine Woche später auch noch daran erinnern.

Wie arbeitest du? Du machst Literatur und Musik. Gibt es da Zusammenhänge? Oder existiert das völlig nebeneinander?

Die beiden Bereiche sind ganz stark getrennt, es sind zwei verschiedene Leben. Es gibt kaum Überschneidungen. Ich würde mich aber nicht komplett fühlen, wenn ich auf eines von beiden verzichten müsste. Schreiben ist einsam, die Musik laut und geladen. Würde nicht das eine das andere ergänzen, würde ich verrückt werden. Natürlich kommt es vor, dass ich manchmal lange und tief im Schreiben stecke und mir denke, das ist das einzig Richtige. Umgekehrt ist es aber auch so, wenn ich Konzerte mit der Band spiele, auf der Bühne stehe und nachher mit den Kollegen ein Bier trinke, dann fühlt sich das wiederum als echt an und das andere ist entfernt. Mein Anspruch ist, dass beide Bereiche für sich lebensfähig sind. Außerdem gibt es eine positive Konkurrenz in mir, so komisch es klingt, aber es ist gut, in sich eine solche Konkurrenz zu spüren.

Gibt es ein Grundthema in deinen Büchern?

Im aktuellen Roman und auch in den vorherigen zwei Büchern geht es immer um die Wahrnehmungskrise. Jelinek und Handke beschäftigten sich mit dem sprachkritischen Ansatz, dass man der Sprache nicht mehr trauen kann. Bei mir bezieht sich dieses Misstrauen auf die gesamte Wahrnehmung. Kann ich eigentlich dem trauen, was ich sehe? Ist das, was ich wahrnehme, überhaupt real? Was ist virtuell, was ist real? In meinem ersten Buch ist es ein namenloser Archivar, der Filme sichtet und selbst eine Art Katastrophenfilm durchlebt. Meine Figuren sagen das eine und machen das andere. Kann ich also dem trauen, was ich empfinde oder wahrnehme? Das ist die zentrale Frage.

Hast du Vorbilder?

Ich würde nie jemandem nacheifern. Aber es gibt Vorbilder in der Haltung, wie jemand sein Ding durchzieht und sich nicht vereinnahmen lässt. Wichtig bei einem Schriftsteller ist, dass man es sich nie zu einfach macht, nie stehen bleibt, sondern immer etwas Neues erfindet. Deshalb mag ich Handke, er ist mein Lieblingsschriftsteller. Ich empfinde die österreichische Literatur, auch Bernhard, als angenehm, mag aber auch Paul Auster.

Lukas Meschik: »Luzidin oder Die Stille« (Jung und Jung)

Buchpräsentation am 22. März 2012, um 19.00 Uhr in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur (Wien 1., Herrengasse 5)

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