»Neue Regeln, neue Werte« wurden auf der diesjährigen, von Hubert Burda Media organisierten Innovationskonferenz »DLDwomen« in München diskutiert. Moderne Suffragetten, neu inszeniert.
Alanis Morisette - DLDwoman 2012
DLD12 Dorsch 01
DLDwoman 2012
DLDwoman 2012
DLDwoman 2012
DLDwoman 2012
DLDwoman 2012
Ursula van der Leyen ist keine große Frau – physisch gesehen. Die zierliche CDU-Politikerin, Mutter von sieben Kindern und Co-Schirmherrin der DLDwoman betritt als erster Gast die Bühne. Mit trainierter Stimme und Headset-Mikrofon spricht sie von der »bright side, specially for women«, welche die digitale Zukunft der Arbeitswelt mit sich bringen soll: Keine Männerbünde mehr! Denn: Digitale Netzwerke kennen kein Geschlecht. Applaus! Warum eine Frau wie Ursula van der Leyen, vor einigen Jahren ob ihres verbissenen Kampfgeistes (Stichwort: Internetsperre) von der Netzgemeinde »Zensursula« getauft, überhaupt auf dieser Konferenz spricht, ist eine andere Frage.
Ein leicht konservativer Hauch umweht die Liste der geladenen Speaker. Auch Überraschungsgast Alanis Morissette sorgt für wenig Punk-Appeal, wenn sie von ihrer »personal connection with spirit« spricht. München ist anders. Die Slogans der Emanzipationsbewegung werden bei DLDwomen in einem exklusiven Rahmen gerufen. Im Haus der Kunst in München haben sich globale Denkerinnen, Unternehmerinnen, Kreative, Wissenschaftlerinnen und Investorinnen versammelt. Und: Ja, Männer sind auch da. Auf der Bühne und im Publikum. Nagellack in den Trendfarben der Saison, eine hohe Dichte an High-Heels und die Strick-Ecke und trotzdem ist DLDwomen keine Veranstaltung nur für Frauen. Es geht schließlich um unser aller Zukunft. Und die ist weiblich.
Das Kapital der Frau
DLD – das steht für Digital Life Design. Die im Medienimperium von Hubert Burda entwickelte Konferenz mit mehreren Ablegern auf der ganzen Welt bietet ein Podium für engagierte und inspirierte Menschen, die mit ihrem Projekten aus den unterschiedlichsten Sparten wie Wirtschaft, Technik, Wissenschaft, Medien und Politik versuchen, die Welt zu verändern – und das auch sehr erfolgreich tun. Die digitale Revolution wird hier von einem Telekommunikationsunternehmer als Motor für Geschlechterdiversität präsentiert, die weibliche Arbeits- und Brain-Power als Zukunfts-Kapital ins Rennen geworfen, ohne das es sich schon rein rechnerisch nicht ausgehen würde.
Das Fazit: Weiblichen Stärken fangen bei Empathie an und hören ganz sicher nicht bei Multitasking auf. Die Digitalisierung der Lebens- vor allem aber der Arbeitsbereiche bedeutet für Frauen vor allem eins: einen Vorteil. Nicht nur, wenn es um das Obsoletwerden der persönlichen Präsenz am Arbeitsplatz geht. Frauen sind viele, und die Arbeitgeber von morgen werden die gut ausgebildeten weiblichen Arbeitskräfte schlichtweg brauchen. Quotenforderungen sind in dem Zusammenhang nicht nur ein feministisches Dogma, sondern die Beschleunigung einer Notwendigkeit.
Arbeit und Überleben
150 Millionen Mädchen fehlen auf dieser Welt. Sie wurden abgetrieben, ermordet, weil sie Mädchen sind. Die Harvard-Professorin Iris Bohnet befasst sich mit dem Thema Gendercide, ihr Kollege Robert Jensen hat dazu eine Langzeitstudie in Indien durchgeführt: Im Rahmen der in Indien boomenden Call-Center-Branche wurde die Möglichkeit fokussiert, Frauen zu einer Berufstätigkeit zu verhelfen und ihnen somit ein eigenes Einkommen zu sichern.
Die Aussicht darauf, dass Mädchen und Frauen arbeiten können und Teil des Wirtschaftssystems sind, hatte einen enormen Effekt auf die Entscheidung der Eltern, wie sie ihre Töchter behandeln. Die Überlebenschancen indischer Mädchen sind gestiegen, ja sogar ihr BMI hat sich messbar verbessert. »Being a boss and having babies«, wie es EU-Kommissarin Viviane Reding beschreibt, ist also nicht die einzige Herausforderung, mit der Frauen auf dem Weg ins mittlere und obere Management oder schlicht zur Gleichstellung konfrontiert werden. An manchen Orten auf dieser Welt ist die Herausforderung nämlich einfach die, zu überleben. Willkommen im digitalen Zeitalter. Gebrauchen wir unsere Smartphones und unsere Hirne.