Hip-Hop von A bis Z

Angefangen hat es mit Austropop. Mit der Zersplitterung der Szene hört es auf. Dazwischen liegen fast 30 Jahre Hip-Hop-Geschichte in Österreich. Aufbereitet in 26 praktischen Einträgen.

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A wie Austropop

Von EAVs „Alpenrap“ (1983) über ein Reihe von Falco-Singles Mitte der 80er bis zum Cut-Up-Wahnsinn von „Bring Me Edelweiss“ (1988), das nach KLFs Bauanleitung für einen Hit und mit ersten Scratches von DJ DSL wild collagiert wurde – Austropop hat Hip-Hop in Österreich popularisiert, selbst wenn die vier Grundsäulen des Hip-Hop auf Entertainment-Schablonen verkürzt wurden.

B wie Sugar B

1986 gab es das erste Demo, 1990 ist es dann rausgekommen: „Swound Vibes“ von den Moreaus war Österreichs erstes, reinrassiges Hip-Hop-Album. Sugar B gründete die Band gemeinsam mit Peter Kruder, DJ DSL und Rodney Hunter. Seine wöchentliche Sendung „Swound Sound“ ist älter als FM4 selbst. Mitsamt seiner längjährigen Tätigkeit als Host des „Dub Club“ im Wiener Flex war eine Sugar B-Coverstory in The Gap 062 schon überfällig. Eines der besten Gap-Cover ever übrigens.

C wie Hip-Hop Connection

Seit zehn Jahren fördert der Wiener Verein Hip-Hop Connection die örtliche Kultur mit Gigs, Contests, Workshops und internationaler Vernetzung. Zum Jubiläum konzertieren heuer die Legenden Afrika Bambaataa und Torch. Auf dass auch künftig Rap, Djing, Graffiti und Breakdance in Event-Formate eingebunden werden.

D wie DJ

Doris Mitterbacher erklärt und beschreibt die bekanntesten heimischen DJs und Turntablisten auf Seite 28 ausführlich. Eine zeitlang war der bekannteste Kulturbotschafter von Hip-Hop aus Österreich sogar ein DJ: DJ DSL nämlich, dem in seiner Zeit in Hamburg City eine typisch Wiener Gemütlichkeit angedichtet wurde. Andere DJs beweisen ebenfalls einen äußerst souveränen Umgang mit Nadel und Rille.

E wie Ente

Duck Squad hieß das erste deutschsprachige Hip-Hop-Label in Österreich. 1993 legten die Firmengründer Schönheitsfehler mit „Broj Jedan“ einen wesentlichen Szenegrundstein. Auch die Debüts von Texta, Total Chaos, Das Dampfende Ei oder legendäre Sampler wie „Das Gelbe vom Ei“ oder „Boombap“ folgten. Mit Ausklang der 90er endete die Ära der Ente.

F wie Falco

1983 war Falcos Single „Der Kommissar“ eine der ersten Rap-Singles eines Weißen, wurde von Stars wie Afrika Bambaata häufig gespielt und war gleich quer über den Globus in den Charts. Mit Sozialkritik oder Flow hatte Falco allerdings nichts am Hut. Er verwandelte stattdessen Gangster, Hustler und Pimps in einen Wiener Strizzi mit gut gegeeltem Haar.

G wie Gangster Rap

Eine österreichische Tradition: 1994 eröffneten die Untergrund Poeten mit „Umstritten wie noch nie!“ (Duck Squad) den Straßenkampf auf Vinyl. 2004 kämpften Eternal Masters Of Ceremony mit ihrem Best-Of „Wien 10 Domination Compilation“ weiter. Heute erobern die bösen Buben ihre Straßen via MySpace oder YouTube. Bludzbrüder, Totschlag oder RapTerror klingen heute vielleicht rauer, die Themen blieben aber gleich: Ghetto-Romantik und die gewaltvolle Flucht nach vorne.

H wie Hochkultur

SPÖ Wien („Ich bin Wien“) und Wiener Festwochen („Street Academy“) haben neuerdings Hip-Hop für sich entdeckt. Onur Bakis hat in Salzburg den Förderpreis für Kunst und Kultur für seinen Breakdance-Verein „Doyobe!“ bekommen. Graffiti und Street Art sind ohnehin schon längst in den Galerien angekommen. Hip-Hop erfährt schon länger massive Annäherungsversuche des etablierten Kulturbetriebs.

I wie Ironiefrei

Das I könnte auch synonym für Iso Fresh (alias Young IP) stehen. Ein junger Nachwuchs- YouTube-MC aus Wien, der mehr als 60.000 Klicks für unfreiwillig komisches, d.h. unglaublich ironiefreies Rap-Holpern vorweisen kann. Ähnlich erfolgreich strapazieren die SBG Hot Boyz aus „Hustler City“ Salzburg das Zwerchfell. Believe the Hype!

J wie Big J

… war mit Chakuza und DJ Stickle aktiv (Verbale Systematik), bis diese 2005 ohne ihn Karriere mit Bushido machen. Von 2007 bis 2009 führte Big J das Sub-Label Black Wall Street Europe für den US-Star The Game. Sein Album „Brooklinz Finest“ (2009) sollte „Hip-Hop in Österreich salonfähig machen“. Solche Ansagen und ein sarkastischer Track gegen hiesige Szenesäulen, „Opferliste“, machen ihn, trotz internationaler Achtungserfolge, sehr umstritten.

K wie Kamp

Das Ober-Zniachterl der Nation zelebriert das Scheitern, zieht seine Referenzen ganz eng innerhalb Österreichs und ist damit ausgerechnet in Deutschland relevant wie kein anderer heimischer Reimaufschneider zuvor. Zum Glück war sein Debüt angekündigterweise gleich sein Letztes. So ist die Gefahr weiterer Alben des Monats (März 2009, /Juice/) gebannt und Kamp kann stattdessen beim Festival „Am Strom“ organisieren und Karten zwicken.

L wie Lokalkolorit

„Aufpudeln“ von der Wiener Fünfhaus Posse war 1997 das erste Hip-Hop-Album in Dialektsprache. Versuche wie „A guata Tag (in da Betonwüste)“ (1996) von Schönheitsfehler verklangen bis 2003. Erst die Single „Dreckige Rapz“ der Linzern Rückgrat mischte die Landkarten neu. Ihr Album „Konfrontation“ bildete den Aufbruch zu den Sprachen der Bundesländer. Akteure wie Jack Untawega, A.geh Wirklich?, Hinterland, Yo!Zepp, Raptoar, Die Vamummtn oder das Slangsta-Label Twomorrow färben ihre Authentizität seither in buntem Lokalkolorit.

M wie Medien

Die wichtigsten, klassischen Medien der Szene lassen sich an einer bescheidenen Hand ablesen: die wöchentliche Radioshow Tribe Vibes auf FM4, das vierteljährlich erscheinende Printmagazin /The Message/, und die Internetplattform www.hiphop.at. Blogs wie jener von DJ Hooray (http://hillbillysoul.blogspot.com/) erweitern langsam den Informationsfluss.

N wie „Null Uhr“

So lautet 2004 der Titel des Debüts von MAdoppelT. Der hungrige und talentierte Wiener verschaffte sich große Präsenz deutsch-österreichischen Medien genauso, wie zwei Nominierungen für den Amadeus Award. Teile der Szene schienen seinen Bemühungen um Fortschritt und Publikum nicht immer wohl gesonnen. Seine Reime und Produktionen (vor allem Soul-Schmied Brenk) sprechen jedenfalls für ihn. Entsprechend interessant dürfte im Mai sein drittes Album „Hybrid“ werden.

O wie ORF Radios

In Österreichs Radios redete Werner Geier zuerst geschwungenen Beats und Reimen das Wort. Anfangs in der Ö3-Musicbox, später auf FM4 – wo er maßgeblich Hip-Hop im Senderprofil verankerte. Mittlerweile beackern auf FM4 mindestens die Redakteure Beware, Functionist, Sugar B, Natalie Brunner, Trishes und Phekt das weite Feld von Hip-Hop und tiefer gelegten Beats.

P wie Produzenten

Österreichische Beat-Produzenten stehen für hohe Qualität und sind international gefragt. Pioniere wie DJ DSL, Functionist, die Waxolutionists, Flip oder neuere Vertreter wie die Wahlberliner Beatlefield (Chakuza und DJ Stickle). Jüngstes Beispiel: Über das Kölner Label Melting Pot Music veröffentlichen Brenk und Fid Mella mit „Chop Shop“ nun Volume 4 in der „Reihe Hi-Hat Club“. Er produziert außerdem zusammen mit DJ Premiere das neue Album von Legende MC Eiht. Straight outta Kaisermühlen!

Q wie Qualität bei fehlender Quote

Der ORF bleibt der wichtigste Multiplikator für Musik in Österreich. Allerdings scheint es, dass lokal gefertigter Hip-Hop irgendwann komplett von Ö3 zu FM4 umgeschichtet wurde. Das bringt Credibility, aber keine Stars und Hits der Szene hervor. Mit der jüngsten Selbstverpflichtung zur Quote (30% insgesamt quer über alle Sender, Ö3 muss davon weniger tragen, Ö2 mehr) wird auch Hip-Hop aus A vermehrt auf beiden Sender reimen und schallen.

R wie Roxy

Das Roxy ist mit dem Café Leopold und, hmm, vielleicht ja doch dem Volksgarten die wichtigste Einlaufstelle für Hip-Hop in Wien. Samt und Holz dominieren die Location. Clubs wie „The Loud Minority“ und „The Message“ holen regelmäßig internationales Programm, aber auch weniger bekannte DJs cutten, juggeln und scratchen sich dort die Finger wund. Direkt gegenüber liegt in der Faulmanngasse (4., Wien) dann noch der einschlägige Bounce Record Store.

S wie Stereotyp

Stefan Moerth operiert als Stereotyp seit Jahren an den Rändern von Hip-Hop. Mit den Alben „My Sound“ (2002) und „Keepin’ Me“ (2006) vermischte er Dub, Soul, Rapping und futuristische Beats. Seit ungefähr zwei Jahren arbeitet er an einem neuen Hybriden. Auf der Label-Booking-Party-Plattform „Crunchtime“ versucht er den Genre-verbindenden /Barefoot/-Sound zu etablieren.

T wie Texta/Tonträger Records

Wer Texta sagt, muss Tonträger, muss Linz sagen. Seit über 16 Jahren bespielt, bereichert und gestaltet die wichtigste Crew des Landes ihre Szene. Mit dem eigenem Label haben sie ab 2003 nicht nur Dialekt-Rap zur Kunstform erkoren, sondern auch zahlreiche Projekte ihrer Wegbegleiter realisiert. 2009 – im selben Jahr des hervorragenden Solodebüts von Texta-Member Skero – wurde die fünfköpfige Instanz schließlich mit dem Music Award Amadeus geehrt – völlig zu Recht.

U wie Untergrund

Bei den bundesdeutschen Nachbarn ein beliebtes Spiel, waren verbale Kämpfe zwischen Untergrund und Mainstream in Österreich nie ein Problem, weil es den Mainstream erst gar nicht gab. Hip-Hop bleibt in Österreich Minderheitenprogramm. Schönheitsfehler, Total Chaos und Texta haben es Ende der 90er versucht, aber den Status von Kollegen wie den Beginnern, Sammy Deluxe, Fanta 4 oder Fettes Brot nie erreicht.

V wie Vammumtn

Mit der „Krocha Hymne“ haben die stets maskierten Die Vamummtn erstmals so etwas wie Technorap nach Österreich gebracht (inkl. Amadeus-Nominierung). Gedacht war das derbe Liedgut mit Wiener Gosch’n allerdings als Satire. Mittlerweile konnten Die Vamummtn den Wiener Gasometer beinahe füllen. Österreichischer Technorap steckt allerdings allgemein mit unbedarften Tracks wie Aykido & Rocoulets „Vodka Vodka“ und MC Escobar noch in den Kinderschuhen.

W wie Waxolutionists

Gemeinsam mit Manuva (früher Total Chaos) kümmern sich die beiden Waxos Bnckd und DJ Buzz um den alltäglichen Kram des einzigen 360-Grad-Hip-Hop-Indies: Supercity ist die gemeinsame Plattform für einen Hip-Hop-Blog, Partys, ein Label, Events und Booking-Agentur. Außer Auftritten im DJ-Kollektiv veröffentlichten sie konstant hochwertige Alben und erhielten schon 2001 einen Amadeus-Award.

X wie Xenophobie

Rechtspopulist Heinz Christian Strache (FPÖ) plakatiert seine xenophoben, islamophoben oder anders unerträglichen Parolen nicht nur, sondern versucht sein politisches Kleingeld auch mit „Rap“ zu machen. Die Szene hat auf diese Bemühungen mit diversen Diss-Tracks geantwortet. Quasi: Disrespect statt rechter Reck.

Y wie Yasmo MC

Ob auf Poetry Slams oder Hip-Hop-Jams, die erst 19-jährige Yasmin Hafedh beherrscht die Dichtung am Mikrofon. Als Yasmo MC erinnert sie gelegentlich zwar an die Münchner Kollegin Fiva MC, der Vorfreude auf ein erstes eigenes Album der Hoffnungsträgerin tut das aber keinen Abbruch. Gedanklich existiere dieses ihr zufolge auch schon. Die Spannung steigt.

Z wie Zersplitterung

Die österreichische Hip-Hop-Szene ist heterogen, auf qualitativ sehr hohem Niveau und wird zunehmend ausgefranster. Es sollte bis zum Jahr 2009 dauern, bis sich endlich ein eigenes Festival ihrer würdig erwies. Erst „Am Strom“ (in Niederösterreich) versucht als landesweite Plattform die vielen kleinen Einzelteile im Sinne von „One Love“ zusammenzuführen. Ähnliches versucht die Grazer Festival-Institution Four Elements seit 2006. In der Steiermark übt man sich jedoch eher in überregionalem Austausch und internationaler Integration. Es wird zusammengerückt.

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