Ronja von Rönne legte mit "Wir kommen" unlängst ihren Debütroman vor. Ein Interview mit einer der polarisierendsten Persönlichkeiten der jungen, deutschsprachigen Literaturszene.
Um kaum eine Person aus der deutschsprachigen Journaille gab es 2015 derartige Diskussionen als um Ronja von Rönne. Die 24-jährige Feuilletonistin der Welt sorgte mit ihrem Text "Warum mich der Feminismus anekelt" für ein immenses Medienecho, das ihr viel Aufmerksamkeit verschaffte. Sie las 2015 beim Bachmann-Preis, wurde vom Aufbau-Verlag unter Vertrag genommen und spielte im Musikvideo zum Wanda-Song "Bussi Baby" mit, was ebenfalls in einem handfesten Sexismus-Skandal resultierte. Unlängst veröffentlichte von Rönne ihren Debütroman "Wir kommen" – eine Geschichte um vier Twentysomethings, die – geplagt von allerlei Weltschmerz und den typischen Generation Y-Problemen – eine Reise ans Meer unternehmen. In den ersten Besprechungen überschlug dich die deutsche Presse vor Komplimenten. Von Rönne wird als "Stimme einer Generation" gefeiert, ihr Stil von zahlreichen Literaturkritikern als poetisch, witzig und gleichermaßen radikal bezeichnet. Im Zuge der Veröffentlichung von "Wir kommen" wurde sie bereits in Fernsehmagazine („ZDF Aspekte“) eingeladen und liest zudem an der renommierten Leipziger Buchmesse.
Doch was denkt die Autorin selbst über den Hype? Wir baten Ronja von Rönne zum Interview – über das Aufwachsen am Land, Generation Y und das ereignisreiche Jahr 2015.
Du hast vor deinem Buch ausschließlich Blogeinträge bzw. Artikel für die Zeitung "Die Welt" verfasst. Wie gingst du an deinen ersten Roman heran?
Am Anfang panisch, am Ende immer noch panisch. Es ist unmöglich, einen Roman zu schreiben. Mit der Form des Tagebuchs ging es dann etwas besser. Ich habe immer wieder "Rheinsberg" von Tucholsky gelesen: Ein Paar fährt verliebt aufs Land und kehrt verliebt zurück in die Stadt, sonst passiert nichts. Trotzdem hat damals kein Buchblogger sich darüber beschwert, dass im Roman ja viel zu wenig passieren würde. Aber vielleicht war Tucholsky auch nicht auf Twitter. Er war ja schlau.
Wie sehr beeinflussten dich vor allem die Texte, die du auf deinem persönlichen Blog "Sudelheft" veröffentlichst? Viele der in "Wir kommen" angesprochenen (privaten) Themen tauchen auch dort auf.
So privat ist der Blog nicht. Er ist weder autobiographisch, noch Tagebuch, sondern ein Versuch, durch Schreiben etwas Distanz zu dem zu bekommen, was tatsächlich passiert. Der Name ist Programm: Es gibt kein Konzept, der Blog ist mein Wohnzimmer, mein Sudelheft, eine offene Werkstatt, und das schon seit über fünf Jahren.
Im Vorfeld zur Veröffentlichung hast du das Buch auf deinen privaten Kanälen "promoted" indem du u.a. Bilder von dir mit verweinten Augen und dem Buch in der Hand auf Instagram gepostet hast. Was willst du damit ausdrücken? Vielleicht, dass junge Leute Angst vor Veränderungen im Leben haben? Es ist ja dein erster Roman.
Ich glaube, wenn ich meine Agenda klar in einem Satz ausdrücken könnte, hätte ich mich nicht der Literatur als Ausdrucksform bedient. Ich war erschöpft. 2015 ging nicht spurlos an mir vorbei. Das Buch war wie ein Abschluss. Dachte ich zumindest damals, mittlerweile ist es ja wieder laut. Und anstrengend. Und es wird mehr Zeug auf mich projiziert als auf eine Leinwand in einem Multiplex-Kino. Ich muss mich sehr bemühen, nicht misanthropisch zu werden bei all dem. Aber Menschenverachtung ist einfach, und einfach ist zu kurz gedacht, und ich will Zärtlichkeit, mit aller Gewalt gegen die Unmöglichkeit. Ich will trotz gemeiner Tweets und hämischen Artikeln daran glauben, dass Verzeihlichkeit möglich ist.
In deinem Buch beschreibst du in einer Nebenstory eine Kindheit/Jugend auf dem Land. Sind das eigene Erfahrungen. Warum ist dein Blick aufs Land oft so negativ?
Das mag tatsächlich autobiographisch gefärbt sein. Ich bin mit linksliberalen Eltern als Kind in einem katholischen Dorf in Oberbayern gelandet, wir sind dort immer etwas fremd geblieben. Ich wollte früh weg da. Trotzdem ist die Schilderung im Buch natürlich überzeichnet. Es gab keine Maja. Aber vielleicht gab es eine Sehnsucht danach. Die gibt es ja immer.
Du hast ein Literaturstudium in Hildesheim absolviert. Die dortige Schule lehrt einen Schreibstil der sehr deskriptiv ist und lange, ausschweifende Sätze vorsieht. In deinen Texten tauchte dieser schon oft auf, in "Wir kommen" nun mehr denn je. Manche Sätze gehen fast über eine Seite. Hast du mit "Wir kommen" nun deinen Stil gefunden?
Nicht absolviert, abgebrochen, das vierte abgebrochene Studium.
Und nein, ich habe meinen Stil nicht gefunden, ich hatte ihn ja nicht mal verloren davor. Ich habe ein Buch lang danach gesucht und mit dem Tagebuch eine Form gewählt, die mir das erlaubt. Ich empfinde übrigens anders, gerade Hildesheim ist sehr pop-orientiert, und lehrt meiner Erfahrung nach keine "langen, ausschweifenden" Sätze, man lese nur die Bücher der Absolventen Klupp, Witte, Flenders. Ich selbst fühle mich aber sehr wohl in Nebensätzen. Ich mag das Kleine, die Pointen. Handlung interessierte mich beim Schreiben nicht sonderlich und war auch durch die Wahl meiner Figuren quasi nicht möglich. Die sind ja völlig neurotisch in der Starre und in der Reflektion gefangen.
Nun zu deiner Person: Liest du selbst gerne "Die Welt"?
Ich lese privat keine Printzeitung.
Wie schätzt du deine Leserschaft ein? "Die Welt" lesen ja eher Männer, auf Facebook hast du auch überraschend viele Follower in der Altersriege 40 plus.
Solange sie das Buch kaufen, habe ich relativ niedrige Ansprüche an Leser. Vielleicht sind die älteren Männer ein Erbe des verfluchten Feminismus-Artikels. Ich versuche, mich so wenig wie möglich damit zu beschäftigen. Ich muss mich in letzter Zeit eh schon so viel mit mir beschäftigen, durch die ganzen Fragen. Dabei bin ich gar nicht so interessant, und ich kenne mich nun wirklich auch schon lange genug, um das zu wissen.
Im Vorfeld zur Veröffentlichung von "Wir kommen" wurdest du von einigen Medien als Stimme einer neuen Generation gefeiert – wie siehst du das selbst? Siehst du dich als Speerspitze einer Bewegung?
Nein, das ist großer Unsinn, eine Floskel, die sich höchstens dazu eignet, sie schnell zu überlesen. Mich haben keine Millenials demokratisch zu ihrer Stimme gewählt. Ich fühle mich nicht berufen, für irgendwen zu sprechen, außer mich selbst.
Im Rahmen des Interviews stellten wir Ronja von Rönne auch Fragen zum Anti-Feminismus-Artikel. Wir fragten sie, ob sie denn wirklich so denke und ob es nicht einer Entschuldigung bedürft hätte. Der Verlag bat uns um Verständnis, dass von Rönne solche Fragen nicht beantworten könne.
"Wir kommen" erschien bereits im Aufbau Verlag.