„Ich wollte nicht nur Play drücken“

Kaum jemand bewegt sich im Spannungsfeld von Mainstream-Pop und Future-Beat derzeit so virtuos wie der Berliner Musiker, DJ und Produzent Robot Koch. Am 31. August erscheint seine neue EP „Cosmic Waves“. Im Interview mit Bernd Fabritius sprach er über das Genre HipHop und den Einfluss des Producings auf die Evolution von Musik.

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Wenn ich an Robot Koch denke, assoziiere ich damit zuallererst Dubstep, Elektro und ausufernde Bässe, aber nicht HipHop. Nun trittst Du auf Festivals auf, die explizit als HipHop-Veranstaltung vermarktet werden. Inwiefern siehst du dich als HipHop-Künstler?

Robot Koch: Das ist eine gute Frage … Meine Roots im HipHop liegen bei Bands wie den Beastie Boys, Company Flow, auch bei einzelnen Alben wie „36 Chambers“ von Wu-Tang Clan und dem ersten Release von Anti-Pop Consortium. Als klassischen HipHop-Künstler sehe ich mich aber tatsächlich nicht. Mit Musik bin ich ursprünglich über meine Mutter in Berührung gekommen. Sie hörte Motown, Marvin Gaye etwa und die Supremes. Später fing ich an, harten Rock und Metal zu mögen, Slayer, Pantera, Misfits, Motörhead. Alles Sachen, die ich auch heute noch höre. Ich begann Schlagzeug zu spielen und war als Drummer Mitglied in mehreren Rockbands. Gleichzeitig zog dann auch HipHop in mein Leben ein.

Was war der Auslöser für dein Interesse an HipHop?

Zum HipHop kam ich über das Auflegen. Ich habe als reiner „Selektor“ angefangen. Die Idee des „Selektens“ ist, eine Spannungskurve zu erzeugen. Die Übung des Scratchings allein hat mich indes nie gereizt – anders als etwa beim Schlagzeugspielen, wo ich mich ständig verbessern wollte.

Mir ging es beim Auflegen immer nur darum, eine Geschichte erzählen. Ich wusste, dass ich das allein mit Scratching-Skills nicht erreichen kann. Zudem wollte ich nicht einfach „Play“ drücken und die Charts herunterspielen. Bei einer Geschichte kommt es darauf an, eine Dynamik, eine Dramaturgie zu erzeugen und den Zuhörern Musik in einer Weise zu präsentieren, wie sie sie noch nicht gehört haben. Die Leute müssen unterhalten sein. Im besten Fall erwecke ich gleichzeitig ein tieferes Interesse für Musik bei Einzelnen.

Was ist es, das dich am meisten stört rund um HipHop und Rap?

Dieses ganze kommerzielle HipHop-Ding, you know! Damit meine ich nicht die amerikanische Trap- oder Crunk-Musik. Gerade für Trap sind sehr langsame, deepe 808-Beats charakteristisch – was wohl dem Einfluss von Downern wie Ketamin geschuldet ist. Ich bin von dieser Musik beeinflusst – und das, obwohl ich keine Drogen nehme. Weil ich mir aber im Klaren bin, dass Drogen einen Einfluss auf die Entwicklung von Musik haben, kann ich nachvollziehen, wieso bestimmte Rhythmen und Sounds entstehen – und baue selbst gerne 808-Beats in meine Tracks ein, weil ich deepen Sound mag.

Inwieweit nervt es dich, unter der Dachmarke „HipHop“ auf Festivals vermarktet und damit nahe an eine klischeebehaftete Schublade gerückt zu werden?

Ich persönlich habe damit kein Problem, solange die Veranstalter den Rahmen offen lassen. Klischee-Veranstaltungen, die ausschließlich „Old School“, „True School“ sein wollen und wo sich die Anwesenden als Hüter der heiligen Dreifaltigkeit aus B-Boying, Graffiti und MC-ing sehen, möchte ich mir nach Möglichkeit ersparen.

Dass dieser „heiligen Dreifaltigkeit“ auch auf dem Spektrum-Festival gehuldigt wird, auf dem du heute performst, entnahm ich einem Gespräch zwischen Festivalgästen. Einer argumentierte, das Klischeehafte sei „einem kleinen, 16-jährigen Deutschrap-Problem“ geschuldet. Wie siehst du das?

Nun ja, 16-Jährige wird es immer geben, auch ich war mal 16 Jahre alt. Ich sehe das nicht negativ. Ich glaube, dass sich das Statement eher generell auf Scheuklappen bezog, mit denen manche Leute durchs Leben gehen und Musik nicht wahrnehmen, die auf bestimmte Art und Weise anders klingt als das, was sie bereits kennen oder gewohnt sind. Solche Scheuklappen sind ein Problem, doch es ist bereits etwas Positives, wenn junge Menschen sich aufmachen, auf Festivals gehen und sich Musik live anhören. Darin zeigt sich ein Interesse an Musik, das über die herkömmliche Alltagsbeschallung hinausgeht. Ich finde ja, dass sich Menschen generell zu wenig für Musik interessieren.


Wie siehst du die Zukunft des Genres HipHop?

Sicher ist, dass sich der HipHop weiterentwickeln wird. Er ist ja ein Musikstil, der sich seit jeher aus Elementen anderer Stile gespeist hat. In den 80er Jahren haben Acts wie die Beastie Boys Rock-Elemente einfließen lassen, in den 90ern war Rap-Musik sehr Sample-lastig. Heute ist die elektronische Musik der Haupteinfluss im Rap. Dadurch, dass HipHop sich ständig auf sich selbst bezieht, wiederholt sich natürlich vieles. Das ständige Auf-sich-selbst-Beziehen der Rap-Musik ist aber auch ihr Problem. Da wird oft nicht über den Tellerrand hinausgeblickt. Genregrenzen können so nicht überwunden werden.

Als Künstler möchte ich diesen Rahmen sprengen. Auf meinem letzten Album „The Other Side“ von 2011 waren HipHop-Bezüge quasi nicht vorhanden, anders als bei vielen meiner früheren Werke.

Lass uns über Producing reden. Dort haben in den vergangenen Jahren Leute wie El-P im amerikanischen Underground-Rap und der dänische DJ Trentemøller in der elektronischen Clubmusik neue Standards gesetzt. 2003, kurz vor seinem Tod, hat BBC-Legende John Peel dich für deine selbst produzierte Musik „geadelt“ – was bei Deutschen nicht oft vorkommt. Welche Rolle spielt also das Producing bei der Weiterentwicklung von HipHop und generell bei Musik?

Technik ist wichtig, sollte aber nicht überbewertet werden. Die rein musikalische Komponente ist wichtiger als technische Skills. Manchmal muss man technische Tricks aber anwenden können: Wer Sidechain-Compression erzeugen will muss wissen, wie das geht. Ich weiß aber im übrigen nicht, warum Leute immer erwähnen, dass ich deutscher Künstler sei. Das ist ja auch wieder so ein Rahmen …

… darauf wollte ich nicht hinaus.

Es ist erstaunlich, wie häufig mich Menschen mit Sätzen ansprechen wie „Deine Musik klingt ja überhaupt nicht deutsch“. Dann wundere ich mich und denke: Warum ist das denn wichtig? Ich sehe mich als internationalen Musiker und Producer. Unter dem Namen Robot Koch mache ich eigene Sachen, zudem produziere ich Tracks für andere Leute …

… die sowohl aus dem Indie- als auch dem Major-Bereich kommen: Neben Marteria hast du – man glaubt es kaum – Max Mutzke produziert.

Ich habe einen Komponistenvertrag mit Sony Music und habe Songs für Chart-Acts wie Max Mutzke und Casper produziert. Weil von deren Musik natürlich etwas anderes erwartet wird, spricht das Label zuweilen Leute wie mich an mit dem Auftrag, dem Sound einzelner Lieder eine gewisse Frische, mehr „Coolness“ hinzuzufügen. Zum anderen: Für Marteria aka Marsimoto habe ich beispielsweise „Verstrahlt“ produziert.

Als vor zwei Jahren Marterias Lied „Endboss“ erschien, waren viele erleichtert, dass im Radio endlich jemand den Deutschrap der Prägung Aggro Berlin und ähnlicher Couleur ablöst. „Endboss“ war massentauglich, vom Sound her eigentlich ein Clubtrack, mit verspielten Raps und auf eine kiezig angehauchte, aber sympathische Art witzig …

Ja, das sehe ich auch so. Ich war von Deutschrap lange Zeit enttäuscht, bis plötzlich Marteria auftauchte, der offen war für neue Beats.

Bei „Verstrahlt“ von Marteria ist deine Handschrift unverkennbar.

Marteria hat mir mal erzählt, dass er früher oft kleine Elemente aus meinen Songs geklaut hat, um sie in seine Tracks einzubauen. Damals hat er noch nicht damit gerechnet, dass ich ihn mal produzieren würde …

Was wird man als nächstes von dir hören?

Ende August erscheint meine neue EP „Cosmic Waves“, auf der ich mit Künstlern wie Headshotboyz, Pavel Dovgal, Kuhn, Submerse und Rain Dog kollaboriere. Das Projekt, woran ich grade arbeite und für das es noch kein Release-Datum gibt, ist ein Album, das sich mehr an klassischen Songstrukturen und Pop orientiert, sprich: Refrain und Strophe. Dabei setzen wir klassische organische Instrumente ein, etwa Schlagzeug …

… das Schlagzeug spielst du?

(lacht) Nein, ich sehe mich hierbei nicht als Schlagzeuger. Ich bleibe beim Soundbasteln und Producen. Mit von der Partie ist übrigens erneut der US-Sänger John LaMonica, der schon zu Songs auf meinem 2011er Album „The Other Side“ die Vocals beigesteuert hat.

Robot Koch, vielen Dank für das Interview.

"Cosmic Waves" erscheint am 31. August via Project: Mooncircle.

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