If I were a boy

Der Frauenanteil in österreichischen Tageszeitungen ist ziemlich gering. Das lässt zumindest unsere Stichprobe vermuten. Ist der Printjournalismus in Österreich wirklich immer noch von Männern dominiert?

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Wenn alle Frauen in den Redaktionen von Standard, Presse, Kurier und Krone eines Tages beschließen würden, nicht zur Arbeit zu gehen, wären wir alle trotzdem noch ziemlich gut informiert. Nicht etwa, weil Frauen wenig zu sagen haben, sondern, weil sie in den Tageszeitungen offenbar immer noch wenig Platz bekommen. Diesen Anschein hat es zumindest, nachdem wir einen kurzen Blick in die größten österreichischen Tageszeitungen geworfen haben.

Für unsere Untersuchung haben wir am Freitag, dem 8.1.2016 und am Donnerstag, dem 14.1.2016 die Ausgaben von Standard, Presse, Kurier und Krone durchgeblättert und festgestellt: Insgesamt waren nur 35 Prozent einer Autorin zuzuordnen. 65 Prozent der Artikel dieser acht Ausgaben waren hingegen von Männern*.

Autorinnen gesucht

Eine Stichprobe von acht Ausgaben liefert natürlich kein wissenschaftliches Ergebnis. Gut möglich, dass die acht Ausgaben ein vollkommen verzerrtes Bild darstellen und gerade diese zwei Tage aus verschiedenen, uns nicht bekannten Gründen als Stichprobe nicht geeignet sind. Dass aber bei keiner Tagszeitung in keiner Ausgabe ein Gleichstand von 50:50 erreicht werden konnte, macht stutzig.

Dabei ist der Anteil der angestellten Frauen in den Redaktionen nicht immer gering, wie die Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid in einer Stellungnahme verrät:

“Wir haben mehr Frauen als Männer im Verlagsbereich (der Unterschied ist 26 Personen mehr). Und wir sind vermutlich die einzige Tageszeitung bzw. Onlinemedium zumindest in Europa, wo rund die Hälfte der Führungspositionen mit Frauen besetzt sind.”

und weiter:

“Nehmen Sie den Leitartikel von vier Ausgaben: Donnerstag ein Mann, Wochenendausgabe eine Frau, Montag eine Frau und morgen wieder eine Frau. Übrigens ist auf der Kommentarseite heute nur ein Mann als Autor vertreten, auch der Blattaufmacher kommt von einer Frau.”

Auch die Presse betont ihren hohen Anteil an weiblichen Journalistinnen in der Redaktion:

“Der Anteil der (angestellten) Redakteurinnen in der „Presse“ liegt bei 48 Prozent. Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Ressortverteilung lassen sich nicht feststellen, der Frauen-Anteil beispielsweise in der Wirtschaftsredaktion ist ebenfalls gleich hoch.”

Where my girls at?

Frauen sind also offenbar sehr wohl in den Redaktionen vertreten. Aber sie bekommen – zumindest in diesen Ausgaben – kaum prominenten Plätze und veröffentlichen weniger große Artikel, wie die Detailergebnisse verraten. In allen acht Ausgaben der vier Zeitungen konnten die männlichen Autoren das Rennen für sich gewinnen.

Besonders auffallend war die „Kronen Zeitung“. Von allen Artikeln, denen ein Autor oder eine Autorin zugeordnet werden konnte, wurden nur 28 Prozent von Frauen veröffentlicht. Auch der Standard und die Presse konnten in der Stichprobe nicht mehr als 36 bzw. 35 Prozent an von Frauen geschriebenen Artikeln vorweisen.

Am besten schnitt der Kurier ab. Insgesamt wurden in den zwei Ausgaben 42 Prozent aller Artikel von Frauen veröffentlicht.

Dass Frauen immer noch so wenig sichtbar sind und vor allem die Chefetagen männlich besetzt sind, ist vor allem verwunderlich, wenn man sich die AbsolventInnen-Zahlen der Journalismus-Studiengänge anschaut. Dort ist nämlich die Mehrzahl der Absolventinnen weiblich. So liegt der Frauenanteil bei den Absolventen von Publizistik- und Kommunikationswissenschaften an der Uni Wien bei 78,3 Prozent und bei Theater, Film und Medienwissenschaften bei 73 Prozent (jeweils im Bachelorstudium Wintersemester 2013/14). Auch an den Journalismus-Lehrgängen der FH Wien sind mehr Frauen als Männer inskribiert. Weiblichen Nachwuchs gibt es daher genug.

Who run the Redaktion?

Was ergibt die Stichprobe nun? Alles nur Zufall, ein schlechter Tag, morgen sieht die Welt wieder anders aus? Repräsentativ ist die Untersuchung natürlich nicht, eine Tendenz glauben wir dennoch festmachen zu können. Ob die Ergebnisse also tatsächlich Aussagekraft besitzen oder nicht, kann daher jeder und jede selbst beurteilen.

Fest steht aber auch, dass Frauen im Journalismus immer noch unterrepräsentiert sind. Das sagt zumindest der Journalisten-Report, der die Situation 2007 untersucht hat. Der Frauenanteil im Journalismus ist zwar immerhin im Vergleich mit anderen westlichen Nachbarländern mit 42 Prozent gar nicht so klein. Die Detailergebnisse sagen aber auch: Journalistinnen sind jünger und besser ausgebildet, verdienen aber schlechter als ihre männlichen Kollegen.

Unterschiede gibt es in den verschiedenen Mediensparten. Am meisten Frauen findet man im Fernsehen, dort arbeiten 46 Prozent Frauen. Ebenfalls über dem Durchschnitt ist der Anteil bei Onlinemedien und Radios. Bei Nachrichtenagenturen ist der Anteil mit 30 Prozent am geringsten. Im Print-Sektor gibt es recht große Unterschiede. Während in Zeitungen und Magazinen überdurchschnittliche viele Frauen beschäftigt sind, sind im Tagesjournalismus mit 34 Prozent noch wenige weibliche Autorinnen zu finden.

Unsere Stichprobe neun Jahre später deutet also auf eine kaum veränderte Situation hin. Für die kommenden Generationen gibt es ohne Zweifel noch viel zu erkämpfen. Oder wie Frau Föderl-Schmid in ihrer Stellungnahme betont:

“Erst wenn die Frauenrepräsentanz in Medien kein Thema mehr ist und auch nicht mehr solche Artikel geschrieben werden wie der von Ihnen geplante, dann ist es geschafft!”

* Bei der Berechnung wurden alle Artikel berücksichtigt, die einem Autor oder einer Autorin zuzuordnen waren. Agenturmeldungen und redaktionelle Meldungen ohne Autor sind also nicht im Ergebnis enthalten. Aus den zwei untersuchten Tagen wurde der Durchschnitt berechnet.

Dieser Beitrag ist im Rahmen eines Praxis-Seminars am Institut für Journalismus & Medienmanagement der FHWien der WKW entstanden.

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