Endlich, jetzt spricht sie!

Nun, ich habe etwas Verwerfliches gemacht und im Tagebuch meiner Lebensabschnittsdingsbums gelesen.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Ich weiß, das tut man nicht, aber es lag quasi aufgeschlagen vor meiner Nase. Ich war so verblüfft, dass ich darob ganz und gar vergaß über das Licht, in welches ich gestellt wurde, länger als eine Minute nachzudenken. Ich erkenne mich durchaus wieder, auch wenn es einige Zeit brauchte, bis ich gecheckt habe, dass mit »LG« wohl ich gemeint sei und die Initialen für »Lebensgefährte« stehen. Manchmal dauert es eben länger bei mir. Lang dauerte auch der Monat März, den ich jetzt ohne eingeholter Einverständniserklärung einfach öffentlich mache. Eine anständige Tracht Schweigen nehme ich dafür gerne in Kauf.

Do., 1. März: Eigentlich war ja heute nicht ich mit Frühstückmachen und Kind-in-den-Kindergarten bringen dran. Aber der liebe »LG« zog es vor, sich gestern Abend einen anzuzwitschern, dass er selbst beim Aufstehen noch lallte. »Vier nach drei Bier«, war seine Antwort auf meine Frage, wann er denn nach Hause kam. Feiergrund war übrigens der Schalttag. »Gibt’s ja nur alle vier Jahre und es war erst der neunte meines Lebens.« Selten so etwas Dummes gehört.

Fr. 2. März: »LG« hat Schnupfen. Grässlich. Sicher eine Folge von der Schalttagssauftour. Sieht nicht sonderlich gut aus. Wie jeder Mann ist auch er eine Viren- und Bakterienmemme und hält sein wankendes Immunsystem fürs Weltzentrum. Seine bloße Anwesenheit reicht aus, um ein Alibi zu schmieden. Werde Yoga wohl ausfallen lassen müssen und mich ums Kind kümmern. Hoffe, dass er bis zum Zumba-Kurs am Dienstag wieder fit ist, sonst nämlich …

So. 4. März: So etwas habe ich noch nie gehört und gesehen. Gegen 14.30 Uhr ließ »LG« auf der Couch einen elefantösen Nieser los. Alles im Umkreis von drei Metern war eingerotzt und voller Blut. Auch das Kind. Der Fernseherbildschirm hat seitdem einen kleinen Sprung. Ich vermute, dass auch ein wenig Gehirn mitgegangen ist, denn »LG« behauptet fix, er habe nun einen überdurchschnittlichen Geruchssinn. Ich glaub ihm nicht. Jedenfalls befindet er sich wieder auf dem Weg der Besserung, hat er doch eben Listerine-Mundspülung statt Erkältungsbad ins Wannenwasser kippt. Dass er sich dann auch noch reinsetzt ist so was von typisch. Dass er einen brennenden, juckenden Ausschlag überall hat, auch.

Di. 5. März: Zumba steht am Programm. Natürlich ist er plötzlich wieder steinkrank. Schleppe ihn aber trotzdem mit, weil es wichtig ist, auch als Paar gemeinsame Dinge zu machen. Er behauptet felsenfest riechen zu können, wer dort gerade »ordentlich abmenstruiert«. Glaube natürlich kein Wort und erinnere mich aber an den Periodenkalender, den er führt, in dem er die Tage aller Frauen, die er kennt einträgt und aktualisiert. Creepy.

Do., 8. März: Bin mit dem Messerblock zu »LG« und habe so getan, als ob ich das Transchiermesser nicht aus dem Holz rausziehen könne. Ich: »Schau es steckt fest!« Er griff mit großen, dummen Augen hin und zog es mit einem eleganten Ruck heraus. Ich: »Du bist der Auserwählte – ab mit dir in die Küche, Geschirrspüler ausräumen und kochen, König Artus.« Manchmal ist es zu einfach.

So., 11. März: Habe »LG« beim Onanieren unter der Dusche erwischt. Fühlte mich sehr geschmeichelt, als er sagte, dass er dabei immer nur an mich denkt. Glaube aber, dass er mittlerweile einfach nur zu träge und faul ist, dabei an andere Frauen zu denken.

Mo., 12. März: Es wird unheimlich. Bin mit »LG«, der absolut keinen Orientierungssinn hat, ins Stadtzentrum. Für ein GPS ist er zu eitel. »Ich kann verstehen, warum viele Halbtaube kein Hörgerät wollen«, sagt er immer und fühlt sich dann besonders sensibel. Lächerlich. Jedenfalls wollte ich wie immer Schabernack mit seiner Schwäche treiben. Ich dreh ihn dabei immer dreimal im Kreis, laufe weg und überlass ihn seinem Schicksal. Üblicherweise braucht „LG“ mehrere Stunden, bis er nach Hause findet. Wertvolle Zeit, die ich für mich nutze. Diesmal nicht. Er war vor mir zu Hause. Ich: „Wie hast du das gemacht?“ Er: »Na, ich hab die Witterung aufgenommen!« Dabei tippte er auf seine Nase.


Mi., 14. März: Machte »LG« darauf aufmerksam, dass heute Albert Einstein und Pornostar Sasha Grey Geburtstag haben. Er: »Wer ist Albert Einstein?« Unerträglich billig. Er wies daraufhin, dass heute auch internationaler π-Day (3.14) und Blowjob-Schnitzel-Tag ist. Keine Ahnung, warum er sich so etwas merkt, werde ihm aber den Internetzugang streichen.

Fr., 16. März: Schauen »Dancing Stars«. Er beschimpft Barbara Wussow, Albert Fortell, Miriam Weichselbraun und überhaupt alles, was übern Bildschirm flimmert. Ich erlaube ihm, mit Kopfhörern eine Nazi-Doku am Laptop zu schauen.

So., 18. März: Ohne Internet dreht »LG« durch. Er verheimlicht mir seit vier Tagen, dass er ein Smartphone hat. Kam erst dahinter, als er über eine Stunde am Klo war. Und dann noch eine Stunde im Bad. Lustig seine Notlüge: »Ich habe meine Intimzone rasiert.« Hab ihm sein neues Spielzeug gleich abgenommen. So nicht – nicht mit mir.

Mo. 19. März: Mir fällt auf, dass »LG« die Hälfte vergisst und geistig immer abwesend ist. Vielleicht ist er hochbegabt? Rufe jedenfalls I., eine mir sehr liebe Psychologin, an und vereinbare einen Intelligenztest für ihn. Mal schauen.

Di., 20. März: Kennenlerntag Nummer sechs. Haben damals ja alles auf einmal erledigt. Erster Kuss, erster Sex, erstes Frühstück, erster Kinobesuch, erster Restaurantbesuch. Glaubte damals, es mit einem Macher, einem geilen Alphatier mit gesundem Zug zum Tor zu tun zu haben. – Heute weiß ich, dass es bloßer Pragmatismus war. Vergessen hat er den Tag trotzdem nicht, statt Blumen brachte er aber Liebstöckel fürs Fensterbrett mit. Ich lass es ihm trotzdem durchgehen.

Mi., 21. März: Frühlingsbeginn. Jetzt übernehmen wieder seine Hormone das Kommando. Er brabbelt im leicht alkoholisierten Halbschlaf unsinniges Zeug von Zooey Deschanel und „die ganze geile Indie-Bagage, die wieder einmal ordentlich durchgepudert gehört, in ihren Matrosenleiberln und Jean-Leggins.“ Unglaublich wie einfach der gestrickt ist. Mir schaudert.

Fr., 23. März: Das Resultat vom IQ-Test ist da. »LG« ist kein Genie, dafür hat er wohl Erwachsenen-ADHS. So schnell konnte ich gar nicht schauen, wie er in der Apotheke war und Ritalin kaufte.

Sa., 24. März: »LG« gesteht mir, dass er nicht mehr Ejakulieren kann, da sein Sperma so entsetzlich nach Bärlauch und Ingwer riecht.

Mi., 28. März: Das Ritalin macht einen ganz neuen Menschen aus »LG« Er vermisst nicht mehr bei jeder sich bietenden Gelegenheit seinen Penis und scheint auch sonst konzentrierter und schneller zu arbeiten als sonst. Einziges Problem: Er hält sich deswegen erst recht für ein Genie. Das kann böse enden. Sehr, sehr böse.

Do., 29. März: Der Depp hat heute seinen Job gekündigt und will auch keine Kolumnen mehr schreiben. Wir brauchen aber die monatlichen 1.200 Euro Kolumnengeld dringend. Auf die Frage wie er sich dass den vorstelle, grinst er nur blöd, tippte wieder auf die Nase und sagt, dass er jetzt Parfumeur werde. Wenn das mal gut geht.

Fr., 30. März: Ich heizte ihm ordentlich ein. Nun macht „LG“ wenigstens mit seiner dämlichen Kolumne weiter und damit auch gleich mich und überhaupt die ganze Umgebung rebellisch. Pathetisch übertrieben ließ er sich wieder einmal zu einem „Ich stehe vor den Ruinen meines Schaffens“ hinreißen. Ich beruhigte ihn. Ruinen sind das was übrig bleibt, wenn alles unnötige Bei- und Schmückwerk weg ist. Substanz, die überdauert! Das ich nicht lache.

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...