Als Primordial Undermind kürzlich ihr Album »An Imaginal Abydos« präsentierten, war mit dessen Titel nicht das antike Abydos aus der griechischen Sage um Hero und Leander gemeint. Es geht vielmehr um das Land am Nil, Nechbet, die Geiergöttin, und jede Menge interessante Klänge. Die psychedelische Reise einer Band aus dem US- bzw. Wiener Underground in die ägyptische Unterwelt.
Rohformen, Gedankenschnipsel und Erinnerungsskizzen zu Konzerten, Platten, Bands und Projekten lagern in meinem Musik-Notizbuch. Dort bin ich auf einen Eintrag mit einer Setlist vom 5. August 2021 gestoßen, der die Albumpräsentation von Primordial Underminds neuer Platte beinahe vorwegnahm. Er lautet:
Lenticularis
Brass Knuckles (vorläufig)
Detlef Römisch
Persistence of Trinity
Mögliche, Mögliche / Rekursiv
Until They Break
Circular Triangle
Primordial Undermind, dieses ebenso heterogene Ensemble des Wiener Undergrounds, besteht aus Bandmitgliedern, die alle auch eigene Projekte verfolgen. Was definitiv förderlich für die Gesamtheit ihres Sounds ist. Je ausgeglichener die Egos der Akteur*innen zu- und untereinander, desto dichter ist der magische Klangteppich rund um die tragende Bandsäule Eric Arn – er hat Primordial Undermind 1989 aus der Taufe gehoben. Der Sound richtet sich nach den jeweiligen aktiven Mitgliedern, bleibt aber immer dem expressiv-improvisatorischen Psychedelic Rock zuordenbar.
Das ist auch beim neuen Album der Band der Fall. Very lively. Trotz üblicher pandemie- und industriebedingter Verzögerungen haben die letzten Konzerte gezeigt, was bei diesem Genre wohl nicht oft der Fall ist: Normalerweise sitzt man als Prog-Impro-Psychedelic-Fan andächtig mitwippend oder steht genießerisch im Nebel der Trockeneismaschine, schwelgend ans Bier geklammert. Aber hier wird getanzt, gemosht gar. Mögen die Antikörper mit uns sein …
Live wie auf Platte spielen Eric Arn und Christoph Johannes Weikinger an Lead- bzw. Rhythmusgitarre einander gekonnt die Töne zu. Drummer Xavier Scholz aka Angel Gabriel spielt die Beats elegant, aber fair. Der vierte im Bunde, Antonio Rosa de Pauli, hält neben dem E-Bass auch mal eine Saz im Arm. Seine geschmeidigen Bassläufe bilden mit den Drums eine stabile Rhythm-Section, auf der die verwegenen Klanggebilde starten, bevor sie sich in ungeahnte Sphären aufschwingen. Wo sie sich manchmal – wie das vor allem bei ausgedehnten Solos der Fall ist – verlieren.
Bardo Pond auf Ägypten-Trip
Dieser Artikel nimmt bewusst nicht Bezug auf die diversen Referenzen, die sich anbieten würden. Müsste man welche nennen, wäre »Robbie Basho gone eeeeelectricity« eventuell die erste Wahl, andere meinen simpler: »Klingt ein bisschen wie Bardo Pond«, nur eben auf ägyptologischer Expedition.
Von dieser Expedition gibt es übrigens schon ein Musikvideo – geschnitten und kuratiert von Francesca Centonze. Der Titel des in Szene gesetzten Stücks lautet »Hermetic Armada« es bleibt stark dem tragenden Hauptmotiv verhaftet, klingt zwischendurch fast schon grungy.
Netterweise merkt man bei dieser Platte deutlich, dass – zum einen – ein Album eine Momentaufnahme und Produkt des kreativen Prozesses einer Band ist und – zum anderen – dass dieser Prozess andauert.
Die meisten Songs des Albums bauen die üblichen Brücken zur Gefühlsebene der Hörer*innen über die Musik auf: mit starken Riffs, Bassläufen in die Abgründe der Seele und zart gewisperten »jingling sounds«. Nur drei der Stücke haben Lyric-Vocals, wobei das manchmal eher dem Verlesen eines Manifests oder dem Vertonen von Gedanken gleichkommt als dem Singen eines Liedes.
Eines ist allen Tracks gemein: Man spürt, dass diese Band keine Kompromisse eingeht, der Genuss am Spielen wird ausgelebt, das gefühlvolle Temperament kommt auch bei den explorativeren Songs beim Publikum des Release-Konzertes im Wiener Rhiz an. Kein Ton fehlt oder ist nur dazu da, um zu gefallen.
Apropos: Mein Lieblingsstück, wenn diese Meinung gestattet ist, ist »Lenticularis«. Wegen der landschaftlichen Bilder, die es in meinem Kopf entstehen lässt. Auch wenn man bei Nummer drei des Albums sagen könnte, »this is very much a song«, der allem schmeichelt, was Zuhörer*innen gefällt, Nummer eins fast schon zwei Songs in einem ist und Nummer vier die Bühne rockt – für mich ist Nummer fünf die Nummer eins.
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