In einer männerdominierten Welt haben es Frauen nicht leicht. Vier Absolvent*innen der MUK inszenieren auf der Bühne bekannte patriarchale Szenen und ihre Gefahren. Was als Bachelorarbeit begann, hat sich zu einer persönlichen und tiefgehenden Auseinandersetzung für größere Bühnen entwickelt.

Am Anfang war das Wort. Dieses Wort buchstabiert sich P-A-T-R-I-A-R-C-H-A-T. Es ist dunkel im Raum und die Augen müssen sich erst an das grelle Licht des Projektors gewöhnen. Hinter der Leinwand wandern Schatten und aus der Dunkelheit heraus wird die Schöpfungsgeschichte rezitiert. Da wo alles eben anfängt. Geschaffen vom großen Vater, der zu guter Letzt noch zwei Menschen auf die Welt setzt: Adam und Lilith. Ein Mann und eine Frau, gleichgestellt und allein im Paradies.
Es kommt aber schnell zu Unstimmigkeiten. Adam hat sich so einiges in den Kopf gesetzt und will das auch genauso umsetzen. Was Lilith denkt, ist ihm herzlich egal und wenn sie nicht macht, was er will, geht er zum großen Gottpapa. Der ist natürlich auf der Seite seines Sohnes. Lilith verlässt das Paradies auf der Suche nach etwas anderem als »einem Dude, der nicht über seine Gefühle reden kann«.
Liebe überleben
Dass Lilith als nächstes gerade in einer cis-hetero Datingshow landet ist zwar ihr Unglück, aber unterhaltsam für das Publikum. Nackt aus dem Paradies, muss sie erst mal Kleidung anziehen und sich unter die anderen Contestants mischen. Aus dem Äther der Zeit präsentieren sich Herkules und Edgar Allen Poe in modernem Format. Dass der eine seine Frau umgebracht hat und der andere tote Frauen am schönsten findet – wie Lilith aufklärt –, gefällt den Teilnehmerinnen weniger. Als dann Franz W. die Bühne betritt, kann allerdings auch Lilith nicht verhindern, dass er sich sogleich in Marie verliebt.
Szenenwechsel, zu Hause bei den Woyzecks. Denn das Drama von Büchner beschreibt exakt die acht Stufen einer Risikobeziehung, wie die Kriminologin Jane Mockton – ebenfalls von den Schauspielenden zum Leben erweckt – ausführt. Stufe für Stufe zieht sich das Netz um Marie enger und Woyzecks Plan seine Frau zu ermorden nimmt Form an. Das Stück endet im Femizid. Genauso wie jede elfte Minute auf dieser Welt mit einem Mord an einer Frau endet. Weil sie eine Frau ist. Woyzeck bringt Marie brutal um. Auf der Bühne hämmert er auf dem Schlagzeug, eine gelungene Metapher, deren Schallwellen bis in den Körper dringen. Ins Gefängnis kommt Woyzeck nicht.
Abseits der Bühne
Nach dieser Fiktion wagen die Absolvent*innen der MUK (Hannah Joe Huberty, Paul Clementi, Leonid Sushon, Felix Werner-Tutschku), die diese Stückentwicklung während ihres Studiums selbstständig erarbeitet haben, einen Bruch. Aus dem Spiel wird eine Lesung. Nicht irgendeine Lesung: »Heimat bist du toter Töchter« von Yvonne Widler, nimmt einen großen Teil des Abends in Anspruch. Die wahre Begebenheit, auf der die Handlung basiert, intensiviert die Thematik und die Dringlichkeit wird im Publikum spürbar.
Eine Frau zu sein ist riskant in dieser Welt. Und selbst, wenn der Mann sich feministisch gibt, sich als »Ally« die Nägel lackiert und alles besser machen will, fällt diese Fassade allzu oft, sobald der Mann nicht kriegt, was er will. In diesem Stück wird mit popkulturellen Bezügen nicht gespart und Andrew Tate sowie Aristoteles sind in ihren Ansichten über die Stellung der Frau einiger als sie vermutlich denken. Aber um das festzustellen, müssten sie sich zuhören. Doch solche Männer lieben ihre eigene Stimme immer am meisten.
Genug geschämt
Lilith währenddessen droht in dieser Gesamtsituation unterzugehen. Schlussendlich kann sie sich aber befreien. Besser: Sie muss sich befreien. Sie beißt in den Apfel der Erkenntnis. Die Scham muss die Seite wechseln, à la Gisèle Pelicot. Frauen und vor allem Männer können es besser machen. Sich von Männlichkeitsbildern und anderen Stereotypen zu befreien ist schwer in einer Gesellschaft, die darauf gebaut ist. Erkenntnis ist jedoch der erste Schritt.
Hier nimmt der Abend eine Abbiegung Richtung Abschlussklassenfilm. Die vier Schauspieler*innen laufen durch die Stadt und verteilen grüne Äpfel. Sehr fröhlich endet der Ausflug auf dem Leopoldsberg. Aber das haben die vier auch verdient, denn mit ihrem Stück unterhalten sie nicht nur, sie informieren. Der Abend ist intensiv und vollgepackt – die Übergänge zwischen den Szenen sind deshalb manchmal etwas hart – mit schnellen Wechseln zwischen komödiantischen Szenen und aktivistischen Inhalten. So gibt es etwa einen selbst-geschriebenen Jingle für die Frauenhelpline (0800/222555) bei dem alle mitsingen sollen und interaktive Flyer, die am Ende verteilt werden. Das ist mehr als »nur« Theater.
»Do You Belieeeeve in Life After Love?« ist ein Stück, das wie für den Dschungel Wien gemacht ist. Für einen Ort, an dem junge Menschen zusammenkommen, die gerade während der Pubertät in die schamhafte Welt der Stereotype stürzen. Ein Biss in den Apfel würde niemanden schaden und hält Sigma-Male-Spin-Doktoren erfolgreich fern.
»Do You Belieeeeve in Life After Love?« war von 15. bis 16. März 2025 im Rahmen des SLUP Festivals im Dschungel Wien zu sehen.
Dieser Text ist im Rahmen eines Schreibstipendiums in Kooperation mit dem Dschungel Wien entstanden.