In der Mitte der Gesellschaft

Christoph & Lollo haben es geschafft. Von der FM4- zur Puls4-Band in 19 Jahren. Dem neuen Album tut das eher gar nicht gut.

Beharrlichkeit zahlt sich manchmal eben doch aus. Auch bei Christoph & Lollo. Die ganz alten werden sich erinnern können, als das am Open-Recording-Day 1995 aufgenommene »Lebkuchenherz« über František Jež im Salon Helga gespielt wurde und vier Jahre später das erste Album »Schispringerlieder« ein paar Herzen erobern konnte – und, soviel Persönliches darf preisgegeben werden – immer noch tut. Nach »Mehr Schispringerlieder« und »Schispringerlieder 3«, die immer noch Hits, Hits, Hits boten, war mit »Trotzdemtrotz« aus 2005 die Ära der Liebeserklärungen an die kühnste aller Sportarten vorbei. Schade.

Der endgültige Durchbruch war den Sympathieträgern aber erst dann 2009 geglückt. »Karl-Heinz« war es, das verstärkt Aufmerksamkeit auf die beiden lenkte. Youtube und Aktualität machen noch aus jedem einen Star. Potenzial erkannte auch Puls4, Christoph & Lollo durften – mittlerweile war mit »Tschuldigung« ein Top-20-Album erschienen – jedes Monat die letzten dreißig Tage mehr oder weniger humorvoll zusammenfassen. Und als dann 2013 die Nationalratswahl anstand und C&L jeder Partei eine Hymne schenkten, waren die beiden dann wirklich in aller Munde. Mit einem Smiley versehen, posteten sogar die JVP-Funktionäre in der Timeline die ÖVP-Wahlkampfhymne. Einerseits erkennt man daran, dass Facebook einen immer wieder an die geistige Armut der eigenen Herkunft erinnert, weil: warum sollte man sonst Jungschwarze kennen? Andererseits hieß das nun: Christoph & Lollo waren angekommen. Darin, was man einmal die Mitte der Gesellschaft nannte. Wie sehr die ÖVP jemals die Mitte war, darf und sollte jederzeit scharf diskutiert werden.

Sozialdemokratie

Mit dem siebten Album »Das ist Rock’n’Roll« bleiben die Wiener auf den bereits von ihnen bestens durchgetrampelten Wegen. Trotzdem gibt es Neuerungen, wie etwa ein eigenes Label. Das nennt sich »Kazuyoshi Records«. Benannt, eh klar, nach Kazuyoshi Funaki, dem bekanntesten, aber wie Fans wissen, nicht besten Song der Schispringer-Ära. Ganz neu sind auch Gitarre und E-Bass, beim Titelsong darf das aber – dem Thema entsprechend – durchaus sein. Lyrisch haben sich die beiden im Gegensatz zum Vorgänger etwas von politischer Sozialkritik entfernt, diesbezüglich gibt es nur mehr ein eher unsägliches Lied namens »Demokratie«, das doch sehr vereinfacht und ärgerlich mit dem typischen Mutter-Argument »Geh doch dorthin, wenn es dir bei uns nicht passt!« hantiert.

Spannend ist allerdings die SPÖ-Wahlkampfhymne, die es – neben dem ÖVP-Song – als einzige aufs Album schaffte. So beginnt diese mit demselben Akustik-Riff wie die 1977er-Version des ursprünglichen Brechtschen »Einheitsfrontlied«, das Hannes Wader auf »…singt Arbeiterlieder« präsentiert. By the way ist auch das »Einheitsfrontlied« ein Widerspruch in Waders Werk, da er auf demselben Album auch noch eine Version von »Trotz alledem« singt, die eher im Sinne der Sozialfaschismusthese argumentiert.

Kunstscheiße

Aber darüber sollten sich Christoph & Lollo keine Gedanken machen. Das tun sie auf »Das ist Rock’n’Roll« dafür um die Kunstszene, bleiben in ihrer Kritik aber oberflächlich und teilweise zu stark auf die Pointe fixiert. Da bekommen sowohl Sujets (»Kunstscheiße«), als auch Kultur- und Kunsttreibende (»Es ging nicht«) ihr sprichwörtliches Fett ab, richtig haften bleibt allerdings nichts. Lollo, der ja die Texte alleine schreibt, ergötzt sich zu oft an seinem Schmäh, er lässt zu oft die Inhalte brechen. Anfangs immer brav political correct, nur um danach – selbstverständlich eh sarkastisch – »beim Putzen muss man etwas von Physik verstehen, für so was haben Frauen kein Verständnis« zu sagen. Das ist zwar ab und an wirklich lustig, auf Dauer aber doch etwas mühsam. Schade, denn dass die beiden viel von dem können, was mit Stimme und Gitarre möglich ist, haben sie schon bewiesen. Das kann und sollte man gerne auf den drei Schispringerlieder-Alben nachhören.

»Das ist Rock’n’Roll erschien am 3. Oktober via Kazuyoshi Records. Die Tour ist bereits im Gange und dauert noch bis April. Das ist Rock’n’Roll.

Bild(er) © Ingro Pertramer, Kazuyoshi Records
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