Die Künstler hinter den bewegten Bildern

Kameraleute stehen im Schatten von Schauspielern und Regisseuren. Doch erst sie sind es, die Visionen umsetzen und unvergessliche Bilder schaffen. Von komplizierten und noch komplizierteren Drehs.

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Ruhig und gefasst marschiert Emmanuel Lubezki durch die Reihen zum Podium. Genau 357 Tage nach seinem ersten Oscar steht Lubezki wieder auf der Bühne. Nach dem technischen Meisterwerk »Gravity« bekommt er ihn dieses Mal für den nicht minder aufwendigen »Birdman« verliehen. Die Rede aus dem Vorjahr recycelt er. Ende Februar werden wir diese Rede wohl zum dritten Mal hören. Für »The Revenant« sucht er noch größere Herausforderungen. Wieso das Licht und der Winter so ein Problem waren und andere Beispiele aufwendiger Dreharbeit, darum soll es hier gehen.

Long Shots

Anders als bei »Birdman« hat es sich die Band OK Go zum Markenzeichen gemacht, ihre Videos wirklich in einem Shot zu drehen und es nicht nur so scheinen zu lassen. Auch in vielen Filmen findet man berühmte Beispiele für diese Technik. Im Noir-Klassiker »Touch of Evil« spaziert Charlton Heston durch eine Straße, in »Abbitte« marschiert James McAvoy an 1.000 Soldaten auf einem Strand vorbei und bei »True Detective« kämpft sich Matthew McConaughey minutenlang durch Häuser. Vor dem berühmten Kampf in »Kill Bill 1« gibt es eine sechsminütige Sequenz, bei der sich die Kamera durch einen Nachtclub schlängelt. Um das möglich zu machen, musste dafür währenddessen das Set umgebaut werden. Nach sechs Stunden Probe und 17 Versuchen (und angeblich kurz bevor der Kameramann zusammenbrach) hatte man die Szene endlich im Kasten. Die Komplexität für solche Sequenzen ohne Unterbrechung ist unglaublich – wie bei einem Uhrwerk müssen alle Einzelteile perfekt aufeinander abgestimmt werden. Auf die Spitze getrieben hat das heuer der in einer einzigen Einstellung gedrehte deutsche Überraschungserfolg »Victoria«.

Eine der wohl bekanntesten Illusionen der Kinogeschichte wird bei der »Herr der Ringe«-Trilogie eingesetzt. Weil die Hobbits nicht größer als Kinder sind, musste Peter Jackson zwei Sets in unterschiedlichen Größen bauen lassen: Ein kleines für Gandalf und ein großes für Frodo. Wenn die beiden beim Teekränzchen sitzen und die Kamera sich ein Stück bewegt, muss der kleine Frodo und Teile des Tisches synchron mitbewegt werden. Sonst geht die Illusion in die Hose und das Teekränzchen gleich dazu.

Stunts und Adrenalin

In dem Actionfilm »The Protector« war das Planen nicht die größte Herausforderung. Während sich der Protagonist über drei Etagen durch die Stuntleute prügelt, muss ihm der Kameramann mit schwerer Steadicam um den Körper geschnallt auf Schritt und Tritt folgen. Komplexe Planungen und abgestimmte Abläufe gehören zum täglich Brot dieser Künstler. Doch der Adrenalinspiegel schießt so richtig in die Höhe, wenn der Dreh zur lebensgefährlichen Aufgabe wird. Für »The Raid 2« wurden mehrere Leute außen an einem Auto befestigt, um sich die Kamera weiterzureichen. Weil die Stuntfahrer immer wieder die Kontrolle über ihre Wagen verloren haben, mussten Kameramänner regelmäßig den Autos ausweichen, um nicht selbst getroffen zu werden. Hier wurde die Kameraarbeit selbst zum Stunt.

Auch wenn die Dreharbeiten zu »The Revenant« nicht ganz so gefährlich waren, Spaß sieht sicher anders aus. Leonardo DiCaprio musste in einem Tierkadaver schlafen, Teile der Crew kündigten und Emmanuel Lubezki wollte nur bei natürlichem Licht filmen. Stundenlang warteten sie jeden Tag bei Eiseskälte bis die Lichtverhältnisse einen Dreh zuließen. Der Prozess dauerte so lange, dass man zusammenpacken und von Kanada nach Argentinien übersiedeln musste. Dort war noch der benötigte Schnee. Ob sich das alles ausgezahlt hat, werden wir im Jänner in den Kinos sehen. Und Lubetzki am 28. Februar bei den Oscars.

»The Revenant« kommt am 5. Jänner in österreichische Kinos.

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