Harte Schale. Weiches Ei.

»Didgeridoo zum Frühstück«: The Gap-Kolumnist Illbilly The K.I.T.T. und seine gesammelten Kolumnen von ganz hinten. Keine Angst, der beißt nicht! Elisabeth Gollackner geht auf Konfrontation.

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Illbilly The K.I.T.T. ist keiner, der den Schwanz einzieht, ganz im Gegenteil.

Viel mehr trägt er ihn in voller Pracht vor sich her, wegweisend und sinnstiftend. »Füller ausstrecken« nennt er das. Mit den eigenen Sexfantasien in geschriebener Form auf- und abpatrouillieren, als wären sie ein drittes Bein.

Zumindest was in der Hose, ist die Existenz auch lose. Ein Loser? Nein, eher ein tragischer Held. Denn wenn der sogenannte »gute Geschmack« verlangt, gewisse exhibitionistische Teile des Selbst unterhalb der eigenen Schädeldecke zu verwahren oder jahrelang nur in den rudimentär eingerichteten Zimmern diverser Therapeuten aufflackern zu lassen, erscheinen plötzlich Helden wie Illbilly The K.I.T.T. auf der Bildfläche. The K.I.T.T. erledigt die Scheißarbeit für uns. »Risiko-Gacking« nennt er es beispielsweise, wenn er beim großen Geschäft auf öffentlichen Toiletten absichtlich die Türe unverschlossen hält. »Und ich muss sagen, es passiert verhältnismäßig selten was«, ergänzt er.

Passieren tut tatsächlich recht wenig, in keiner der 26 Kolumnen. Dass er sich mehrere Tage nicht gewaschen hat und eichelkäsig dampfend ins Krankenhaus eingewiesen wird – solche Dinge passieren ihm. Dass seine Kolumnen zu spät oder nie in der Redaktion landen, weil der Spamfilter außer »Fut« recht wenige seiner Lieblingswörter durchlässt – das passiert ihm auch. Ansonsten passiert das Leben ihn, könnte man sagen, spaziert in seiner verachtenswert putzmunteren Art an ihm vorbei, und Herr K.I.T.T. ist den ganzen Tag »leider zu beschäftigt, lebensfähig zu bleiben«, als dass er in tiefgreifenden Daseinsgedanken schürfen könnte. The K.I.T.T. beobachtet, und nuschelt sich dann seinen Grant vom Herzen aufs Papier.

Arschbacken, die Hosen auffressen

Dabei geizt er nicht mit angriffiger Reibelust – im sprachlichen genauso wie im sexuellen Sinne – und rüttelt ordentlich am Watschenbaum. »Didgeridoo zum Frühstück« ist wunderbar amüsanter, vor Sexismus nur so strotzender Dreck. Das letzte Aufbäumen einer Männergeneration, die so tut, als wäre es das Ziel jedes Ex-Ministranten, wie Hunter S. Thompson zu werden. Eine Männergeneration, die sich in Yoga-Schnupperkurse schleicht in der Hoffnung, sich eines Tages durch unglaubliche Beweglichkeit selbst einen blasen zu können. Die nichts lieber tut als weiblichen Arschbacken dabei zuzusehen, wie sie Hosen auffressen, und die immer immer immer damit kämpfen müssen (die armen Kerle), nur ja keinen Ständer zu kriegen. Die jämmerliche Gurke als Metronom, das mal da-, mal dorthin ausschlägt. Und wie ein Stehaufmännchen hängt hintendran die »Krise der Männlichkeit« in ihrer menschgewordenen Form: Illbilly The K.I.T.T. Wer sich jetzt auf dumpfen Arsch-Titten-Schwanz-Humor freut und die Wichsvorlagen schon mal zum Altpapier bringt, wird von diesem Buch allerdings enttäuscht. Denn der Saubartl von K.I.T.T. ist zu schlau, um sich nur mit dem Holzhammer Gehör zu verschaffen. »Im Gegenteil, da ist man irgendwo ganz weit unten in der Witze-Hierarchie. So in der Gegend von Faschingsgilden, Stimmenparodisten oder Otto Schenk.«

Schniedlwitz und Furzfrequenz

Ganz genau. The K.I.T.T. übt sich deshalb in »unauffälliger Distinktionsgeilheit«. Die trieft aus allen Ritzen und ist manchmal schwer fassbar, wird man doch ständig von Schniedlwitz und Körpersaft abgelenkt. Und Furzfrequenz und Pensi-Blowjobs … nein, Schluss jetzt. Also: Distinktion. Warum der K.I.T.T. ein Guter ist. Zum Beispiel, weil er die ausgezeichnete Fähigkeit besitzt, selbstironisch zu sein. Seine Texte sind ein Wiederkäuen des eigenen Leidensdrucks: Nämlich in einer Welt gefangen zu sein, die dem Manne derart viel abverlangt. Meeresinseln heißen »Funafuti«, kein Plakat von »Oral Care«, wo sich gedanklich nicht ein »ver« reinzwickt, und der Downloadcode am Cola-Verschluss lautet natürlich »xjyxffut«. Und Illbilly fragt sich: »Warum immer ich?« Es ist kein Spaß, dieses Leben: Ein never ending Rorschach-Test, und ausgerechnet er kriegt immer den Porno-Scheiß ins Gesicht geklatscht. Warum er außerdem noch ein Guter ist? Weil er textliche Qualität abliefert, dass der Konkurrenz vor Neid der Schokokeks aus dem Mund bröselt. Bitte, lesen Sie sich einmal diese Zeilen hier durch:

»Ein Autounfall, ob jetzt vom Bus gerammt, oder als Sportunfall auf der Rennstrecke, hat immer etwas Großes. Da schwingt Camus’sches Flair mit, da jochenrindt James-Dean-Mythos übers zerbeulte Blech.« Wäre eine Goldpresse zur Hand, die »Zitate für die Ewigkeit«-Medaille wäre bereits am Postweg.

The K.I.T.T. erledigt die Scheißarbeit für uns

Ebenso erquicklich ist seine Bereitschaft, sich die selbstgeschaffene Wand aus Ekelhaftigkeiten durch Witz und gnadenlose Beobachtungsgabe wieder löchrig zu schießen. Sobald andere Menschen zugegen sind, versagt der »dirty middle-aged man« (wie ihn Thomas Maurer im Vorwort so schön beschreibt) in seiner Rolle vollends. Illbilly The K.I.T.T. schafft es nicht mal, nervtötende PR-Tanten aus der Leitung zu kicken, so höflich ist er. An diesem Versagen lässt er uns teilhaben – selbstverständlich inklusive pointierter Rache anhand untergriffigen Körper- und Klangbeschreibungen. Harte Schale, und doch ein Weichei.

Den maßgeblichen »roten Faden« seiner Geschichten wickelt er spielerisch um den Finger, dass einem die Hirnmasse grad so schwappt. Postmoderne Fadenrisse finden sich da drin, die nicht nur in die Hose, sondern auch in Produktionsprozesse reinschauen lassen und die Leserschaft mit ausufernden Überlegungen zu Themen wie »Ilsebill salzte nach – Der erste Satz und seine maßlose Überschätzung« oder »Der Buchstabe zwischen E und D hängt – verzeihen Sie das Drumherumschreiben« unterhalten. Und am Schönsten: Dass er liebenswert dünnhäutig wird, wenn andere Menschen wagen, seine im einsamen Bettchen zusammengereimten, zotigen Witze doch tatsächlich am Bar-Tresen laut vorzutragen. Die Scheißarbeit erledigt Illbilly The K.I.T.T. für uns am Papier. Da kann er laut bellen. Gebissen wird nicht. Obwohl Sprecher der von ihm proklamierten »Know Nothing Gesellschaft«, weiß er über erstaunlich viele Dinge Bescheid. Und auch, wenn’s um Identifikationsmöglichkeiten für Menschen anderer Geschlechtszugehörigkeit wahrhaft schlecht bestellt ist, wird das Lesen zumindest zu einem Fenster zur Welt. Nun gut, eher das Fenster zum Hof. Wir haben immer schon vermutet, dass da drüben was faul ist.

Auch wenn Sie nie mit ihm schlafen würden …

»Dein Marktwert bestimmt sich dadurch, was andere zu zahlen bereit sind, um dich auf der Stelle wieder loszuwerden«, schreibt er. Wenn dem so wäre, dann wäre The K.I.T.T.s Marktwert augenblicklich unter aller Sau. Denn statt ihn loszuwerden, hat man ihn von der letzten Seite aufs Cover und somit auch auf die Podien diverser Leseveranstaltungen gehievt. Eine gute Entscheidung, auch auf die Gefahr hin, die Illusion des unrasierten, verdauungsfreudigen Misanthropen zu zerstören. Ach ja, ist ja alles nur Fiktion. Ach ja, da gibt’s noch einen Autor hinter dem Pseudonym. Der hat mit Illbilly The K.I.T.T. – vervollständigt durch die unvollständigen Bilder Jakob Kirchmayrs – eine Figur geschaffen, an der es sich zu reiben lohnt, nicht zuletzt, weil ihm damit gelungen ist, den großstädtischen Homo Sapiens Sapiens in all seiner verfaulten Pracht darzustellen, ohne ihm die Vielschichtigkeit zu rauben. Auch wenn Sie niemals mit ihm schlafen würden: Kaufen Sie dieses Buch trotzdem! Es stinkt, hat Stil und gibt einem nach vollbrachter Lektüre das Gefühl, ein besserer Mensch zu sein.

"Didgeridoo zum Frühstück. Kolumnen der Know Nothing Gesellschaft." ist soeben in der Edition Monopol erschienen. Unter www.facebook.com/illbilly gibt Illbilly The K.I.T.T. fast täglich Zweideutiges von sich. Am 25.11. findet um 19Uhr die Buchpräsentation im Wiener Phil statt.

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