Dufte, jetzt bin ich wohl eine No Smoking Area.
„Nein, nicht so wie bei einem Blinden, aber doch deutlich verbessert“, antwortete ich ein wenig gereizt auf die Frage eines Freundes, ob sich denn nun mein Geruchssinn irgendwie verändert habe, seit ich dem Nikotin aus einer „Es-reicht“-Laune heraus abgeschworen habe. Es gibt natürlich Leichteres als mit dem Rauchen aufzuhören, aber man muss es einmal probiert haben. So wie man beizeiten mal eine Fleischpause einlegen sollte. Und da sind keineswegs nur das tote Vieh und ein damit verbundener Wechsel in die vegane Richtung gemeint. Nein, auch Sex-Pausen wirken manchmal richtig kathartische Wunder. Behaupten zumindest jene, die es erfolgreich gemacht haben. Denn für viele bleibt das Pemper-Sabbatical oft nur ein kurzes Vorhaben, weil sich die Hormon-Akkus schneller aufladen als man denkt und man tunlichst alles daran setzt, das Versäumte nachzuholen und es dann unterm Strich wilder treibt als vorher. Umgelegt auf meinen Tabakentzug hieße dies, dass ich im durchaus nicht denkunmöglichen Falle eines schwachen Moments ein schlimmes, kettenrauchendes Nikotin-Comeback gäbe. Weil wankelmütig ist mein Geist, aus Vollgummi der Wille – manchmal. Und das macht mir Sorgen.
„Mein Geschmacksinn ist übrigens auch verfeinert, nur meine Zunge, die habe ich nicht immer under control“, gestand ich dem Freunde. Vieles geht nun nämlich ungefiltert raus. Und da ist jetzt nicht die Rede von kleinen, nussigen Schleimauswürfen aus den Bronchialtiefen morgens. Vielmehr ist es das eingemachte Verbale. Entzugsbegleiterscheinungen – habe ich mir sagen lassen – sind das. Jeder reagiert auf diese innere Unruhe, diesen leichten Drall, den Tick ins nervös Aggressive anders. Ich lass halt alles ohne nachzudenken raus. Wo früher Tabak meine Gedanken in Träume verwandelte, vergesse ich mich jetzt manchmal, und teile undiplomatisch mit, was Sache ist. „Du riechst ja wie ein Bauerndiscosauprolet anno 1995!“, musste sich deshalb unlängst der liebe Freund von mir sagen lassen. Aber selber Schuld, wer in Davidoff „Cool Water“ badet, hat Kritik olfaktorischer Natur durchaus verdient. Legionen von Slackern übertünchten damit ihr fauliges Odeur aus Schweiß und Kiffe. Der Physikolympionike legte das Düftchen ebenso auf wie die wortkargen Nachwuchsrapper, die sich das Parfumwasser in den Jogginghosenschritt schmierten, um Gelsen oder Fliegen damit zu vertreiben. Und roch einmal ein Mädchen nach „Cool Water“, war allen – im Gegensatz zu „CK1“, das ja in Wirklichkeit immer schon ein Weiberduft war – klar, dass sie wohl eben mit einem Typen gekommen war. Nur mit wem, wusste man nicht. Es konnte jeder gewesen sein, auch ein schmalbrüstiger Jüngling hinter der Kegelbahn. Denn in diesem Massengeruch, diesem anpassungsfähigen Duftkonsens, gingen die 90er Jahre vollends auf. Wobei, wenn wundert es. So etwas muss ja rauskommen, wenn ein Unternehmen wie Davidoff, das mit dem Verkauf von Zigarren groß geworden ist, einen neuen Geschäftszweig für sich entdeckt. Ich bin ja kein Freund von Verschwörungstheorien, weil die ja dort ansetzen, wo viele bereit sind zum Denken aufzuhören und in dieser Welt so scheinheilige Eierbären wie Michael Moore als gottgleiche Helden der Aufklärung verehrt werden. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass findige Parfumeure ins „Cool Water“ einen chemischen Kampfstoff oder so was Ähnliches wie Fensterputzmittel reinpanschen, das dann direkt in die prähistorischen Hirnregionen einfährt und dort Halligalli und Sauberkeitsfrischegefühle auslöst. Mein Cool-Water-Flacon, steht jedenfalls da wo er hingehört: am Häusl. Ich folge so einer langen, unausgesprochenen Tradition, unerwünschte Parfumgeschenke auf diese Weise zu entsorgen. Aber selbst am Locus entscheide ich mich lieber dafür, schön altmodisch mit einem Schwefelkopfstreichholz deftigen Mief zu vertreiben, als dass ich munter zum Davidoff griffe und derart der frisch gehissten Aromafahne einen Duftsalut mit auf dem Weg gäbe. Es steht also nur zur Provokation dort. Fürs Protokoll: Ich weiß, dass die Toilette nicht unbedingt der lässigste Ort ist, um zu provozieren, aber nachdem ich dazu umfunktioniert wurde, sitzend zu urinieren, gönne ich mir solcherlei Späßchen. „Du bist widerlich, und sicher nicht weil du versuchst nicht zu rauchen!“, musste ich mir dann jedenfalls sagen lassen. Nicht ganz zu Unrecht, denn irgendwie spüre ich, dass der Pfad ins Nichtrauchertum bei Unachtsamkeit auch ins Spießertum führen kann und mich das vielleicht ein wenig unruhig macht und ich ständig versucht bin, Kakophonien auf der Klaviatur des Tons zu produzieren. Ich will mich halt nicht plötzlich dabei ertappen, das im Tupper-Tiegel mitgebrachte Mittagessen in die Büromikro zu schieben. Finde ich doch jetzt bereits den Gedanken an eine persönliche Kräuterteemischung in der Spezialteehandlung gar nicht abwegig. Was kommt als nächstes? Sinnkrise beim Anblick eines schlecht gezapften Pils? Ein Bekenntnis zum Himalaya-Salz? „Forciere deine Stärken. Wenn du deine Zunge – wie du sagst – nicht mehr under control hast und du jetzt besser schmecken und riechen kannst, vervollständige deine Cunnilingus-Liste auf Suche nach der Jahrgangsbesten.“ Schön, dass es Freunde gibt, die einem auch in schweren Zeiten helfen.