Den Füller ausstrecken
Es gibt oft nichts Quälenderes als sich festlegen zu müssen. Tennis oder Squash? Ski oder Snowboard? Aufstehen oder liegen bleiben? Crack oder Nutte? Heinz oder Fischer?
Unlängst stolperte ich über einen Satz, der mir nicht und nicht aus dem Kopf gehen mag. Obwohl ich nicht mehr weiß, ob er in einem Buch, einem Magazin, einer Zeitung oder einer PR-Mail stand, kann ich ihn exakt zitieren, weil er den versengenden Charme gleißender Dummheit versprüht und sich auf diese schelmische Weise bei mir einbrannte. Achtung, er kommt: „Das Zeitfenster zwischen kurz nach dem Kauf eines 300 Watt Pürierstabs bis zum ersten, ernsteren Bandscheibenvorfall, bietet sich förmlich an, langsam von Kugelschreiber wieder auf Füllfeder umzusteigen.“
Irgendwie ergibt das keinen Sinn. Was soll denn das bitte heißen? Oder sind solche Aussagen das Ergebnis, wenn Autoren auf diesen neokonservativen Wertescheißdreck-Zug aufspringen, der jetzt überall herumtuckert und sich dabei dilettantisch an Selbstironie versuchen? Schade für an sich etwas sehr Schönes wie eine Füllfeder, die so zum Lifestyle-Symbol stilgerechter Frühvergreisung wird, nur weil gerade wieder konservativ im Trend liegt. Aber abgesehen davon: Der Satz macht mir Angst. Seit Jahren bin ich nämlich stolzer Besitzer eines 600 Watt Stabmixers und fürchte mich nun davor, dass die im Satz angedeutete Korrelation doch stimmen könnte. Vor allem auch, weil nicht mit Sicherheit zu sagen ist, ob mich das doppelt so leistungsstarke Küchengerät doppelt so schnell zum Chiropraktiker bringt. Wie viel Zeit mir für einen eventuellen Umstieg auf die Füllfeder noch bleibt, und wie dieser dann überhaupt etwas in Sachen Wirbelsäulenversagen verhindern soll, wird erst gar nicht beantwortet. Allerdings kenne ich die Lösung ohnehin. Irgendwie. Denn durch tiefes in mich Hineinhorchen weiß ich, dass ich etwas für meinen Rücken tun sollte, der vom vielen Herumsitzen langsam aber sicher immer mehr verkrümmt.
Pilates nämlich! Auf diese leicht angeschwulte Idee kam ich übrigens nicht von selber, sondern sie stammt von einer Vertrauensperson in Sachen Fitness. Mein Vorschlag, Hatha Yoga, auch ein bisschen angeschwult übrigens, ist leider überhaupt nichts für mich, so die Fachfrau, denn es sei zu anstrengend für Bewegungsuntalente. Also kein Hatha /pour moi/. Und ich wollte es ja sowieso nur machen, um mir selbst einen blasen zu können, aber so biegsam werde ich wohl niemals werden.
Ich bin jedenfalls froh, dass mir die Entscheidung Yoga oder Pilates abgenommen wurde. Es gibt ja nichts Quälenderes, als sich in einer Entweder/oder-Frage festlegen zu müssen. Tennis oder Squash? Ski oder Snowboard? Dusche oder Bad? Aufstehen oder liegen bleiben? Crack oder Nutte? Heinz oder Fischer? Diese Liste könnte ich übrigens beliebig lang fortführen, auf gut 300 solcher Begriffspärchen kam ich nämlich unlängst, als ich während eines Pilates-Schnupperstündchens in aller Ruhe meine Mitte zu entdecken probierte und dafür in regelmäßigen Abständen mein /Powerhouse/ aktivierte. Dabei muss man Popsch-, Beckenboden-, Rücken- und Bauchmuskeln anspannen und es fühlt sich dann ein wenig so an, als ob man nach innen gackt. Superkühle Scheiße, dachte ich und konzentrierte mich darauf, richtig zu atmen. Mit seelenruhiger Blickoffensive schaute ich dabei den anwesenden Damen zu und schwelgte in Wüstlingsfantasien, an denen ein leicht u-hakenförmiges Büromäuschen und die Kursleiterin, ein harscher Drill-Instructor, nicht ganz unschuldig waren. Nur so viel: Der oder die Erfinder/In der Leggings hat jedenfalls über die Anziehungskraft und die erotische Wucht von Konturen Bescheid gewusst, denn nach jeder neuen Übung schien es, als würden die bislang vernachlässigten Muskelpartien Rache an der engen Kleidung ihrer Trägerinnen nehmen und sie sukzessive auffressen wollen. Schweiß und zartes Ächzen taten dann das ihrige dazu, um die Situation für mich beinahe unerträglich zu machen. Ich musste an etwas anderes denken, denn wenn man am Rücken liegend mit den Beinen ein V macht, und sich dabei langsam eine mächtige Erektion abzeichnet, kommt das nicht besonders gut. Selbst in Schnupperstunden.
Eben wollte ich statt Erektion eigentlich Penis schreiben. Aber der Text würde dann ziemlich sicher wieder im Spam-Ordner des Lektors landen. Ich habe nämlich die Angewohnheit, Kolumnen aus reiner Böswilligkeit in Mails zu kopieren, damit die anderen mehr Arbeit haben und sich über mich ärgern. Allerdings, wenn jemand einen guten Spam-Detektor hat, landet die Chose nicht in der In-Box. Das will /ich/ wiederum nicht. Dasselbe gilt übrigens für Texte, in denen Fotze und Muschi drinnen vorkommt. Fut geht aber wieder, Fut wird nicht erkannt, weswegen ich demnächst eine Kolumne verfassen werde, bei der ich Fut schreib, wenn ich Penis meine und Futfut, wenn ich Fut meine. Aber was vom Gender-Standpunkt interessant aussieht, ist für Leser/Innen wahrscheinlich nur verwirrend und störend.
Egal, da lag ich nun am Rücken und stöhnte: „Nabel zur Wirbelsäule!“, „Nabel zur Wirbelsäule!“ aber alles woran ich denken konnte war, wie ich mich möglichst unauffällig und schnell mit der Pilates-Kursleiterin auf Facebook befreunde. Wobei, gut ist das nicht, denn ich werkle schon seit Monaten an meiner ominösen „Top Ten Facebook Friends I Would Like To Fuck With“-Liste, die ich der Einfachheit wegen TTFFIWLTFW-Liste nenne. Unmöglich sie fertig zu stellen. Entscheidungsqualen. Eh schon wissen. Ich kann mich einfach nicht beschränken, nicht gewichten und auch nicht ranken. Ich frag mich grade, ob es auch Bandscheibenvorfälle gibt, nach denen man wieder Schreiben lernen muss. So wie nach einem Schlaganfall. Und wenn ja, womit? Kugelschreiber oder Füllfeder? Und ausatmen.