Leo Riegler von Koenig Leopold hat uns sein Tourtagebuch geschickt. Durch Japan ging es mit viel Fuckup, Poesie und der Bikini kam auch zum Einsatz. Fürwahr, er berichtet wie er dichtet…
Reisetagebuch Japan 2013 eines fiktiven „koenigleopold“
tag vor dem flug:
vor meiner wohnung hat sich eine horde männer versammelt.
ich frage was sie wollen.
sie sagen, ich darf nicht nach japan fliegen, weil ich schande für die ganze
region und für österreich bin.
sie haben mich brutal verprügelt.
ich königleopold mit einem schlüsselbeinbruch im krankenhaus.
ich werde trotzdem fliegen.
reise tag:
hier auf 10667 metern über dem meeresgrund schmeckt die pasta funghi von
do und co besonders gut.
trotz der gebrochenen schulter fühlt sich der flug gut an.
genügend beinfreiheit.
soeben kotzt eine japanerin aus der ersten reihe die pasta funghi von do und co ihrem nachbarn auf den schoß,
alle schauen wie versteinert in ihre monitore, der mann neben mir schaut mich skeptisch an.
er glaubt, in meinem gitarrenkoffer ist eine waffe,
die stewardessen sind nett, alles riecht nach kotze.
der flug wird länger.
alle sitzen sie hier brav in einem zustand der sich flug oder leben oder
wie auch immer nennt.
und schauen in ihre monitore.
einfach absitzen und abwarten.
abwarten bis der nächste scheißehaufen kommt.
anhäufungen von scheißeschichten.
es häuft sich einfach an
wir stapfen in scheiße,
und häufen scheißeschichten an,
das ist die einzige konstante in unserem leben
freundliche Begrüßung durch einige koenigleopold Fans
in japan angekommen
bier getrunken
bis die zeit reif war um schlafen zu gehen.
um 8
und das zwei Mal im Monat
Vernissage Edwina Hörl-Tag um 5 uhr aufgestanden und zum fischmarkt gegangen, weil nicht schlafen können
Madeleine und Ryusuke kennen gelernt
zum soundcheck in ein kleines gassenlockal
viele österreicher, schöne kleidung,
schöne leute,
madeleine und ryusuke kennen gelernt.
eine frau kam zum gig,
weil sie durch fm4 österreichischen rap erwartet hat,
und hat festgestellt, dass dieses lied „bist du bei mir“ nicht ernst gemeint war,
hab gesagt: „hold die goschn“
war nicht ernst gemeint
Gig Tag in Tokyo
gut gegessen, ramen [Anm. der Redaktion: Art Japanischer Nudeln]
cooler Club
cooler club... markus wallner, ein techniker der sonderklasse, ist zufällig auf urlaub hier
mörder soundcheck,
edwina bringt wunderschöne kleider,
sitzpublikum,
relaxtes spielen,
danach
warten
sitzen
trinken und
warten
eine stunde warten
in der raucherzone warten
ins billigbierlokal gehen
highball trinken
warten
und ins notizbuch schreiben:
„ich werde so warten,
bis der letzte tropfen ausgetrunken ist,
und kein tropfen mehr übrig sein wird
weil das warten so lange dauert,
und so langsam aber sicher die welt um mich
austrocknen wird,
nur ich in einem versoffenem aggregatzustand“
im bett liegen
und wissen, dass mich niemand finden wird
und ich beschützt liege
für ein paar stunden
Gluecksspiel-Tag
eierspeis-frühstück,
in die spielhalle "patschinko",
1000 yen gesetzt, 32000 yen gewonnen,
der mann war so stolz auf mich
zu edwinas mann essen gegangen
sehr gutes und schönes lokal,
von erdbeben und dem zunami gehört,
und wie das die gesellschaft verändert hat
Kōbe, 19. April
Kōbe, 19. April
plötzlich funktionieren hier die bankomaten nicht mehr,
gerade genug geld für das hotel,
am abend in den club gegangen,
der besitzer, ein komischer typ, will geld von mir,
ich sage ihm dass ich keines hab,
er droht mir, die polizei zu hohlen,
ich hau ihm eine in die fresse, nehm seine geldtasche und besauf mich im
7-eleven mit high ball aus der dose
Gig Tag Kōbe
das geld reicht noch, damit ich mit der gondel auf den berg fahren kann,
um den japanischen garten zu bewundern,
auf dem berg war ein flohmarkt,
ein stand hatte wunderbar handgemachte schuhe,
braune und schwarze,
der mann sagt mir, man kann fast jeden schuh größer machen zu 98 %,
eine frau sagt mir, sie passt mir einen schuh an um 500 yen,
nächste anprobe in venedig,
handschlag,
wollte sowiso wieder nach venedig
ach ja... muss zum soundchek,
der scheiß besitzer erinnert sich bestimmt an mich,
muss mich verkleiden,
also zieh ich meinen string bikini an und geh wieder in den club,
der besitzer mit blauem auge und zerbeulter fresse
würde mich wahrscheinlich erkennen, wenn er mich beachten würde,
dieses arschloch,
er zeigt mir die backline
und das war‘s,
bier und highball muss ich selber bezahlen,
mein mixer ist vom fliegen im koffer kaputt geworden,
muss improvisieren,
langsam füllt sich der club,
die stimmung brodelt,
gefühlte tausend leute
weiß nicht, woher die von koenigleopold erfahren haben,
saugeiles konzert,
ur viele cds verkauft, geld reicht für zug morgen
lass deshalb dem besitzer seine letzten zähne im maul,
heute bestimmt der höhepunkt,
konzerttechnisch
kita kouscho
früh aufstehn, 2 stunden zug,
im zug setzt sich eine extrem schöne frau neben mich,
silberne runde ohrringe
eine weste mit so rauem,
groben,
durch die kleinen fäden doch zartes muster,
und schöne bordeux farbenen plateau schuhen
beim hotel das auto abgestellt,
die portiere, ein mann und eine frau, haben sich wohl soeben
300 high balls und 30 starke bongs reingezogen,
sie sagten, ich soll das auto umparken,
das sollen schon sie selber machen, diese scheißfreundlichen arschgeiger,
musste aufs zimmer
warten
also kaffee trinken
eine stunde im hotel
schnell hobeln,
durch sprachhürden eher sehr mühsamer soundcheck
kashmir pullover verloren
vor dem gig kurz ins zimmer
triple s - shit shower shave
zurück zum ausverkauftem club
guten gig gespielt
nach dem gig kommt eine frau zu mir
sie sagt, sie wolle mir etwas sagen
sie spricht kein englisch
sie tippt etwas auf ihrem iphone
google translate sagt mir folgendes: "ihr wunderschönen sätze
ihr werdet immer schöner
je mehr grausamkeit und verzweiflung
euch geschaffen haben
ihr wunderschönen sätze
ich hasse euch
und wünschte ihr wärt nie erschaffen worden"
"Sie sagen, ich darf nicht nach Japan fliegen, weil ich Schande für die ganze Region und für Österreich bin." – Leo Riegler, zusammen mit Lukas König das schräge Steirer Duo Koenig Leopold, persifliert den Medienskandal um das "Kohlhauser"-Video von Anfang des Jahres. Die beiden haben schon immer große Töne gespuckt, ob in ihren Liedern, bei uns im Interview oder nur im persönlichen Notizbuch. In ihrem Verständnis von Stil schließen sich "daneben-Sein" und Hippness wohl nicht aus, sondern bedingen sich vielmehr. HipHop und bärtige Männer im Bikini; Gong-Becken und Hipster-Accessoires schließen sich genauso wenig aus wie Fiktion und Realität, wie hier im Reisetagebuch Leo Rieglers nach zu lesen ist.