Kontrolliertes Lernen

Left Boy plant jeden Schritt seiner Karriere seit Beginn ziemlich genau. Sein Wunsch-Album »Permanent Midnight« hat trotzdem länger gebraucht als erhofft. Doch das ist eigentlich eine ziemlich gute Sache.

Lernen, die MPC wegzulassen

Da ist es wieder, das Lernen. Man merkt schnell, dass die letzten Jahre für Sarnitz ein Reifeprozess waren. Formulierungen wie »Es hat lange gedauert, bis ich gemerkt habe, dass …« oder »Auch da hab ich gelernt …« fallen einige Male im Gespräch. So etwas ist manchmal schmerzhaft, aber fruchtbar.

Left Boy ist zum Beispiel ein besserer Produzent als vor zwei, drei Jahren. Weil er sich von manchem löste. Anfangs stapelten sich auf seinem Schreibtisch die MPCs und andere Outboard Gear-Geschichten. Weil es irgendwie dazu gehört und alle HipHop-Produzenten das benutzen. »Also dachte ich, ich sollte mir das auch zulegen. Ich hab aber die Geduld dafür nicht. Ich kann meine Ideen am schnellsten am Computer umsetzen.« Letztlich ist Left Boy auch kein HipHopper und nimmt das sympathischerweise auch nicht für sich in Anspruch. »Ich versuch mich da gar nicht einzugrenzen, und auf dem Album sind auch viele Einflüsse aus Pop und Punk. Drum’n Bass, Electro, etc.«

In unserem Interview damals vor zwei Jahren äußerte Left Boy noch die Befürchtung, Labels könnten mit der Vielseitigkeit hadern und eine Stromlinie einfordern. Ob sie es versucht haben, bleibt unklar. Zumindest hatten sie aber keinen Erfolg damit. »Permanent Midnight« ist tatsächlich ein ziemlich buntes Sammelsurium geworden, das vor allem durch Left Boys leicht nasalen Style und dem unbedingten Willen zur Party zusammengehalten wird. Allerdings hat das Album schon eine gewisse innere Ordnung: Anfangs eher basslastig, nach hinten raus (wo man auch die bekannten »Get Right« und »Security Check« findet) dann poppig. »Die Trackliste ist relativ chronologisch aufgebaut und erzählt die Geschichte des Albums selbst. Anfangs ist es eher düster und geht dann später ins Helle hinein.« Deshalb finden sich auch – ziemlich ungewöhnlich für ein Album – die Singles eher am Ende. »Die Labels waren da ein bisschen vorsichtig, mir war die Anordnung der Tracks aber ziemlich wichtig.«

Was auffällt: Left Boy greift – anders als früher – weniger auf die großen, bekannten Samples zurück. In »Security Check« hört man Laurent Wolfs »No Stress«, sonst sehr viel Abseitiges, viel 70er, viel 80er. Der Verdacht, dass das primär eine Frage der Rechte sein könnte, kommt da natürlich sofort auf, wird aber abgestritten. Naja.

Kontroll-Freak am Sprungturm

Am Ende der halben Stunde kommt das Gespräch noch auf Wien und die Bedeutung der Stadt für Left Boy. »Selbstverständlich spielt Wien eine große Rolle in meinem Leben, hier hat alles angefangen. Aber mein Ziel war es nie, in Österreich erfolgreich zu sein. Ich hab’s immer international angelegt.« Anfangs gab Left Boy sogar seine Interviews nur auf Englisch.

Left Boy ist ein Kontroll-Freak, der lange gebraucht hat, um Dinge auch aus der Hand geben zu können. Das geht soweit, dass »Permanent Midnight« auf seinem eigenen Label Made Jour erscheint. Die Vertriebspartner variieren je nach Markt, weil er keinem Label in Hamburg oder London die weltweiten Rechte verkaufen wollte. Das klingt sehr geplant bis kalkuliert, je nach Sichtweise. Vor allem, wenn man weiß, dass Left Boy seit seinem ersten Mixtape im Jahr 2010 ein Management hat. Bei der Frage, wie viel Plan denn hinter seiner Karriere steckt, zögert Sarnitz das erste Mal. »Ich versuche keine eiligen Entscheidungen zu treffen, sondern mit meinen Managern und Verbündeten die klügste Entscheidung zu treffen.« Eine diplomatische, durchdachte Antwort, in der vieles von dem steckt, was den Artist Left Boy ausmacht.

Wenn man Glück hat, steht am Ende eines Lernprozesses der Erfolg. »Permanent Midnight« ist quasi Left Boys Prüfung am Ende des Semesters. Und er hat damals die Entscheidung getroffen, lieber nochmal eine Extrarunde zu drehen und den zweiten Prüfungstermin abzuwarten. »Mein Ziel war immer das beste Album zu machen. Und zum jetztigen Zeitpunkt ist es das Beste, wozu ich in der Lage bin.« Wir hatten damals wohl unrecht. Man muss sich nicht zwingend entscheiden, ob man vom Fünf- oder Zehn-Meter-Brett springt. Man kann auch erstmal einen Schritt zurück machen und das Springen lernen.

Left ist auch auf Tour, u.a. in Linz (22. März), Graz (23. März) und Wien (31. März).

»Permanent Midnight« von Left Boy erscheint am 14. Februar.

Bild(er) © Laura Karasinki
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