„Kraft frei“ im Tiefgeschoß
Manche gehen sprichwörtlich zum Lachen in den Keller – die Mitglieder des Kraftsportvereins Eiche Wien tun dies, um Gewichte zu stemmen. Unter einer Volksschule in Ottakring trainieren sie dreimal pro Woche, wir haben sie besucht.
von Elisabeth Hofer, Susanne GarberEine Volksschule in Wien Ottakring, lange nach Schulschluss. Das Licht auf den Gängen ist abgedreht, keine Kinderstimmen sind mehr zu hören. Rechts neben dem Eingang klopft es am Kellerfenster. Von unten wird daraufhin durch eine raffinierte Schlauchkonstruktion der Schlüssel zur Eingangstür mit Hilfe eines Besenstiels hinaufgeschoben. Im Laufe des Abends wiederholt sich der Vorgang mehrere Male. Was bitte passiert hier? Nichts besonderes eigentlich – es ist ein ganz normaler Trainingstag des Kraftsportklubs Eiche Wien Ottakring.
Gerhard Hüttner ist der Trainer des Vereins und seit mehr als 50 Jahren im Kraftsport aktiv. Wie alt ihn das macht, das schätze man an dieser Stelle bitte selbst. Als eines der wenigen Mitglieder der Eiche Wien ist er jedenfalls alt genug, um noch Kurrentschrift lesen zu können. Behutsam breitet er die Vereinschronik, die bis 1879 zurück reicht, auf dem Tisch aus und liest daraus vor. Da geht es um Jahresberichte und Kassaprüfungen, aber auch der Zeitgeist spiegelt sich in der Chronik des Kraftsportklubs wieder. Immerhin hat er sogar zwei Weltkriege überdauert.
Vom Reißen und Stoßen
Heute trainieren die Vereinsmitlgieder dreimal in der Woche im Keller der Volksschule. Längst ist Gewichtheben kein reiner Männersport mehr. Die Eiche Wien hat auch einige weibliche Mitglieder. In den Räumlichkeiten riecht es dennoch sagen wir … nach Mann. Wer hier trainiert, kommt ordentlich ins schwitzen, dafür sorgt nicht zuletzt Trainer Gerhard. „Man unterscheidet beim Gewichtheben zwei Techniken: Reißen und Stoßen“, erklärt er. Beim Reißen wird die Hantel in einer einzigen Bewegung vom Boden bis über den Kopf gestemmt. Beim Stoßen (englisch: clean and jerk) hingegen hebt der Athlet die Hantel zunächst auf Schulterhöhe an und drückt sie danach über den Kopf.
Essen, schlafen, trainieren
Wer sich an dieser Stelle hauptsächlich aufgeblasene, riesenhafte Bodybuilder vorstellt, die in Ottarking schwitzen, täuscht sich. Gewichtheben kann nicht nur, wer selbst mindestens 100 Kilo auf die Waage bringt und zum Frühstück drei Schnitzel samt Kartoffelsalat verputzt. Trotzdem: Um enormes Gewicht zu stemmen, braucht man Energie – und die kommt nun einmal durch die Nahrungsaufnahme. „Ich konnte essen wie eine fünfköpfige Familie“, erzählt Thomas, der fast jeden Tag trainiert. „Das war eigentlich sogar auch ein Grund, warum ich mit diesem Sport angefangen habe.“ Das einzige, das fast noch wichtiger wäre als ausreichend zu essen, sei genügend Schlaf, sagt der Jus-Student.
Sein Vereinskollege Stefan ist kein Freund des großen Fressens. „Ich bin einer der Schwächsten hier“, meint er. „Ich esse einfach zu wenig und gehe zu gern fort.“ Für den Software-Entwickler hat der Sport ganz andere Vorteile als die Möglichkeit, problemlos mindestens 4000 Kalorien pro Tag aufnehmen zu können.
Eine Frage des Körpergefühls
Ich hab mehr Kreuzweh vom Sitzen als vom Gewichtheben“, meint auch Thomas. „Es tut sich ganz selten jemand weh.“ Bei dem Sport gehe es viel weniger um Kraft als um Körpergefühl. Gerade am Anfang sei zu viel Kraft sogar schädlich, weil man das nötige Gespür erst entwickeln müsse. Und es ist auch eine Kopfsache: Wenn Thomas die Hantel einmal fast nicht mehr über den Kopf wuchten kann, steht sein Freund Matthias schon hinter ihm und brüllt „Kumm jetzt“ in sein Ohr. Dann geht es. Meistens.