Superman ist superstark, superschnell und insgesamt ein moralisch wasserdichter Musterknabe. Kurz: Der Kerl ist ziemlich langweilig. Mark Heywinkel führt ein Selbstgespräch über den Film.
Superman ist zu perfekt und deshalb langweilig. Die coolen Kids dürften das spätestens bei "Superman Returns" gecheckt haben, aber du hast dir ernsthaft noch "Man of Steel" angesehen, die erneute Neuadaption des Comicstoffs?
Jupp.
Lass mich raten: Jetzt ärgerst du dich tierisch, zwei Stunden deines Lebens einfach so vergeudet zu haben.
Wieso bist du dir da so sicher?
Ich kenn‘ dich doch. Immer, wenn du einer gehypten Superheldenverfilmung entgegenfieberst, bist du am Ende meist enttäuscht davon. Überleg mal, das war bei "The Avengers" so, bei "Iron Man 3", bei "Hulk" mit Edward Norton …
Schon gut, schon gut: Ja, ich bin auch von "Man of Steel" nicht besonders angetan. Ich finde sogar, das ist ein reichlich mieser Film, obwohl Christopher Nolan als Produzent und "The Dark Knight"-Autor David S. Goyer daran beteiligt waren. Allerdings gehen die ersten zehn Minuten des Action-Films noch recht vielversprechend los.
Was passiert denn da? Warte, ich kann’s mir denken: Es gibt ein superpompöses Intro. Das dicke Superman-S fliegt ins Bild, ein fettes Trompeten-Theme in Anlehnung an John Williams‘ Soundtrack ertönt …
[Achtung, ab hier ist der Text nicht mehr Spoiler-frei!] Völlig falsch, kein Vorspann und keine Trompetenmusik. Die ersten zehn Minuten des Films sehen wir Russell Crowe als Jor-El dabei zu, wie er seinen Neugeborenen gegen alle Bedrohungen Kryptons verteidigt und in einer Raumkapsel gen Erde schießt. Krypton ist diesmal keine Kristallwelt, sondern ziemlich metallern und hochtechnisiert. Raumschiffe schwirren durch die Luft und merkwürdige Raubkatzen mit Flügeln. Das ist neu und schon ganz cool.
Und dann sieht man sicher, wie Krypton in tausend Teile zerspringt, oder? Hat sich Zack Snyder, der Mann der martialischen Ästhetik, doch bestimmt nicht nehmen lassen, den Untergang eines Planeten bildintensiv in Szene zu setzen.
Stimmt, auf Krypton wird erst mal nur mit blauen Lasern rumgeballert, und als der kleine Superman in seiner Raumkapsel entkommen ist, explodiert der Planet wie einst der Todesstern funkensprühend im All.
Und dann? Ach, wozu frage ich: Blende, siebenundzwanzig Jahre später, ein aalglatter Clark Kent betritt das Foyer des Daily Planet, um die große Stadt zu entdecken und seine wahre Identität hinter einer clownesken Maskerade zu verbergen.
Nö.
Wie nö?
Nö, es gibt in "Man of Steel" keinen aalglatten, witzfigurenhaften Clark Kent. Zu Beginn ist er ein bärtiger Rumtreiber, der auf einem Fischkutter malocht, Vorarbeiter von einer Ölbohrinsel rettet und sexistische Wichser in typisch-amerikanischen LKW-Diners in ihre Schranken verweist.
Kurzer Einschub: Wie oft ist Superman-Darsteller Henry Cavill dabei obenrum nackig?
Habe ich nicht mitgezählt. Drei, vier Mal, es hält sich tatsächlich in Grenzen. Naja, zwischendurch gibt’s immer wieder Rückblenden in Clarks Kindheit. Kevin Costner und Diane Lane mühen sich als Farmerehepaar Kent liebe- und sorgenvoll darum, dass niemand etwas von Clarks Fähigkeiten erfährt. Ist ab und an mit schönen Steadicam-Aufnahmen in Szene gesetzt, die Dialoge sind allerdings grausig. Viele Jahre später stößt Clark schließlich auf ein Raumschiff von Krypton und erfährt von seiner Herkunft. Dabei rettet er Lois Lane vor einem seltsamen, fliegenden Sicherheitsroboter.
Moment mal: Clark Kent lernt Lois Lane nicht beim Daily Planet, sondern in einem Raumschiff von Krypton kennen?
Jupp.
Das bedeutet also, Lois Lane kennt Supermans wahre Identität?
Nach einer kurzen Recherche in Smallville und Umgebung: ja.
WTF? Aber wenn Lois Lane Supermans Identität kennt – woraus will dieser Film dann noch seine Spannung gewinnen? Ich meine, geht es bei Superman nicht hauptsächlich darum, dass Clark sich auf keinen Fall vor Lois outen und so seine Möglichkeit auf ein normales Leben verspielen will?
In diesem Fall geht es vor allem um den Außenseiter-Status von Superman – und um die Rettung der Menschheit.
Schau an, mal was Neues. Und wovor muss sie diesmal gerettet werden, die Menschheit? Lass mich raten: Lex Luthor.
Ach Quatsch, vor General Zod, dem Mörder von Jor-El, der auf der Erde ein neues Krypton erschaffen und dafür alle Menschen opfern will.
Hm. Erinnert mich an die Pläne der Chitauri aus "The Avengers".
Ein wenig, ja.
Und wird dann in "Man of Steel" im letzten Drittel des Films auch eine Stadt von superstarken Kontrahenten in Grund und Boden gestampft?
Ja, auch das ist ein bisschen so wie bei "The Avengers": Am Ende legen Superman und Zod Metropolis in Schutt und Asche. Sie brechen durch Wände, schmeißen mit Lastwagen um sich, bringen Hochhäuser zum Einsturz – das volle Programm. Und das ziemlich viele Filmminuten lang. Am Schluss hast du das Gefühl, eine einzige Schlachtszene gesehen oder fünf Stunden am Stück Prügelgames gezockt zu haben. Aber das ist ja bei Zack Snyder häufiger so, ich erinnere nur an "300" und "Sucker Punch".
Hat dir bestimmt richtig gut gefallen, eh? Für jemanden, der "Eternal Sunshine of the Spotless Mind", "Garden State" und "A Single Man" zu seinen Lieblingsfilmen zählt, war das bestimmt ein Fest. Gute Wahl, Mark.
Ja, ist ja gut.
Ne, ernsthaft: Lies doch bitte schön mal vorab Kritiken, Alter. Die Fünf Filmfreunde haben "Man of Steel" nicht gut bewertet. Spiegel Online fand’s doof. Bei Metacritics hat der Film eine sehr miese Wertung. Du hättest so viel schönere Dinge in dieser Zeit anstellen können.
Schon gut, ich gucke keine Superman-Filme mehr, Punkt.
Hältst du dich ja eh nicht dran.
Das hast du jetzt gesagt.
"Man of Steel" (2013), Laufzeit: 143 Minuten, Regie: Zack Snyder, Buch: David S. Goyer, Darsteller: Henry Cavill, Amy Adams, Michael Shannon, Kevin Costner, Rusell
Mark Heywinkel arbeitet als Journalist in Berlin und kommt in seiner Freizeit nicht von Twitter und Instagram-Filtern los.