»Licorice Pizza« von Paul Thomas Anderson gibt der Sehnsucht nach der Leichtigkeit des Werdens eine überaus liebenswerte Note.
Was für eine Scheiße. Es ist Jänner und man ist schon geneigt, Superlativa für das Jahr zu benennen. Was soll’s, die Liebe lässt keine Chance.
Es ist 1973 und im sunny Kalifornien feiert der Glaube ans Everything goes das pralle Leben. So sagt der merkwürdig selbstbewusste 15-Jährige der zehn Jahre älteren Schönheit an, dass es gut ausgehen wird mit ihnen beiden. Und generell mal mit allem. Der Junge macht leger in Schauspiel, Verkauf oder Automatenhalle und irgendwie ist die Widerspenstige an seiner Seite. Lächerlich wie absurd. Sounds nuts, ist es auch. Doch solche Gegensätze überwindet das Lichtspiel.
Das wirre L.A.
Es ist ein Streifzug durch diese merklich anderen Tage rund um das Leben zwischen zitternder Hoffnung und glitzerndem Hollywood. Der begnadete Regiemeister Paul Thomas Anderson (»Magnolia«, »Boogie Nights«) entwickelt wahrlich eine Tour de Force an Szenarien, liebevoll ausgearbeitet und auch mal herzhaft hingeschlatzt. Ein wenig Backflash-Drama samt real feel paart sich mit einem modernen Märchen samt harschen Seitenhieben. Flankiert von Granden wie Tom Waits, Bradley Cooper oder Sean Penn – jeder für sich ein Leckerli –, tragen den Film zwei nahezu leere Blätter mit beknienswertem Charme.
Zwei frische Talente
Die bisherige Musikerin Alana Haim, deren Familie auch an Bord ist, besticht mit breitem Spektrum zwischen verlorener Sehnsucht und smarter Entschlossenheit, ohne aufzulaufen. Patschert ohne Slapstick, sexy ohne aufdringlich, simpel schlüssig. Ebenbürtig eindringlich brilliert Cooper Hoffman (Sohn des ewigen Philip Seymour Hoffman) mit seinen 18 Sommern und einer Tiefe, dass er eine ganze Generation an Max-Reinhardt-Seminar-Abgängern in die Frühpension schicken kann. Ohne Joker à la strahlendes Aussehen oder sonstige Hollywood-Standard-Bonus-Assets an seiner Seite schupft er den Streifen mit einer Grandezza, dass der Herzmuskel jubiliert. Unschuld, Zuversicht und Narrentum flankieren sein Gesicht. Verschmitztes Grinsen und weite Vision – und trotzdem stets erdig gespielt. Vererbung des Talents drängt sich da auf, wenn auch der Vater schon ging, als Cooper nur zehn Jahre jung war. Wahrlich ein großes Potenzial wie der Film generell sehr smart besetzt ist.
»Licorice Pizza« gibt der Sehnsucht nach der Leichtigkeit des Werdens eine überaus liebenswerte Note. Etwas, das man einfach will und im Herzen mitnimmt. Schön.
»Licorice Pizza« von Paul Thomas Anderson ist seit 27. Jänner 2022 in den österreichischen Kinos zu sehen.