Nach den "Contradictions" der nächste Widerspruch, diesmal nur als rhetorische Figur. Vom Man Of The Year – Schoolboy Q.
Wenn Kendrick Lamar der beflissene, mit preußischer Disziplin und Kantscher Vernunft ausgestattete Jüngling – der stets klug genug war sich aus Familien- und Gang-Streitereien raus zu halten – ist, dann ist Schoolboy Q der nicht minder begabte, aber unvernünftigere und wohl mit mehr Führungspersönlichkeit gesegnete G, der gerne mal einen Hennesy zu viel hebt und in der Schulpause Ganja vertickt.
My football pads
Seine Solokarriere treibt der junge Comptoner mit einer vierteiligen Reihe als Mixtape getarnter Alben voran. Während er, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, ganz wie ein gewisser Felix Antoine Blume nebenher krumme Dinger drehen muss. Mit dem vierten Streich "Habits & Contradictions" arbeitet das ehemalige Football-Talent alle Aspekte, die ihn vom Musikmachen abhalten ab. Laut Eigenaussage saß er mitunter im Studio und konnte keinen einzigen Vers aufnehmen – der Shit war zu aktuell und konnte ihm – veröffentlicht – den Kopf kosten. Ironischerweise ist "Habits & Contradictions" auch das Werk, mit dem ihm der Druchbruch gelingt und er sich vollends der Musik, also dem Rundumschlag "Oxymoron", widmen kann.
Bourgeois
Überhaupt, dieser bildungsbürgerliche Wertekanon, dem sich Top Dawg neuerdings aussetzt. Kendrick performt mit Drake „Poetic Justice“ und Neu-Signing Isaiah Rashad nennt einen Track „Soliloquy“. Qs Album kann entsprechend ja nur "Oxymoron", die Zusammenstellung zweier sich widersprechender Begriffe, heißen. Den Stilkundebegriff verwenden eigentlich nur Deutsch-Maturanten und Germanisten. Jetzt also auch die Hood.
Nach den "Contradictions" ist "Oxymoron" der nächste Widerspruch, diesmal nur exaltierter und als rhetorische Figur. Gewitzte Anspielung auf seine ehemaligen Drogengeschäfte mit dem Schmerzmittel Oxycodon inklusive.
No metaphors
„Hello? Hello? My daddy a gangsta“, damit läutet die vierjährige Tochter Schoolboy Qs das Album unschuldig ein. "Los Awesome" funktioniert ganz auf G-Unit Basis tanzbar mit Synthie-Brett. Deutlich progressiver gibt sich da das dystopische, unmelodiöse "Hoover Street". Nur um mit dem darauffolgenden Track „Studio“ jedes Konzept über den Haufen zu werden. Top Dawg-Haus-und-Hof-Kehlchen BJ the Chicago Kid trällert im subtilen Drake-Autotune: "I‘m just sittin‘in the studio/just tryin‘ to get to you babey". Keine Metaphern. Ungeschönt wie die Liebe zur „Prescription“ Drug. Sogar eine mittelmäßige Nostalgia-Raekwon-Kollabo ("Blind Threats") und eine Screwed-Up-Sirenen-Säuberung mit Tylor und Kurupt(!) ("The Purge") gehen sich aus.
Und als Abschluss „Man of the year“. Da braucht man keinen Master in Tiefenpsychologie um zu wissen, dass ein derartig flacher Text mit einem derartigen Video (dieses Video!) gepaart jeden Backpacker, der für "Section.80" und "Habits & Contradictions" einen eigenen Altar errichtete, tiefgehend verstört. Ähnliche gepolte Fans erwarten nun andere, 2014 erscheinende Alben wie die neue Doom-Scheibe, deutlich dringlicher.
Einen Teil der Fanbase also vergrault
Umso passender, dass die ersten "Oxymoron"-Leaks auf Kanye to the .com stattfinden. Aber wahrscheinlich braucht Schoolboy Q die Gralshüter auch gar nicht. "Oxymoron" ist eben das Album, das jetzt erscheinen musste. Das was Clipse nie zustande gebracht haben, ein neues perfekt orchestriertes "The Documentary" sozusagen. Die einschlägigen Blogs und Magazine werden das Werk bedingungslos abfeiern – wie sie das jetzt im Vorhinein schon tun. Nur ist das Ganze im Zusammenhang zu betrachten. Ob "Oxymoron" in fünf Jahren auch noch ein dermaßen epochaler Einschlag – wie heute vermittelt – zugestanden wird? Man of the year? Bestimmt. Aber man of the decade? Wohl kaum.
"Oxyomoron" von Schoolboy Q erscheint am 28. Feber via Universal.