Meine innere Trulla liebt wohl Tocotronic

Ich werde sicher bis tief in die nächsten Jahre hinein nicht herausgefunden haben, ob ich Tocotronic mag oder nicht mag.

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Wobei diese Formulierung, lässig in der Vorzukunft gehalten, Grammatiktigern auch als Futurum Exactum geläufig, Dauerpubertierenden wie mir aber nur als Fut. II bekannt, trifft es nicht punktgenau. Sie impliziert ja, dass ich in einer Zukunft, die zwangsläufig danach eintritt, eine Entscheidung Pro oder Contra Tocotronic treffen werde. Das hab ich aber nicht vor.

»Ähm, hmm, ja, ja, und weiter?!«, höre ich jetzt da ein lautes Murmeln, das sogleich in eine Frage übergeht: »Wenn man etwas vor sich herschiebt, von dem man weiß, dass man es sicher nicht machen wird, steht das Resultat ja längst fest und man könnte sich die ganzen Handlungsverzögerungen doch sparen, nicht? Was bist denn du für ein Lulu, prokrastinier dich doch hinweg!« Darf ich vorstellen: Meine innere Trulla. So redet die mit mir.

Man muss wissen, dass ich nämlich nicht nur einen inneren Schweinehund habe, sondern auch eine innere Trulla lässt meine Brust täglich beben und befehligt mich. Ihre Kommandos und Erkenntnisse klingen meist wie vom Friedhof verworfener Songtitel exhumiert: »Geh weg, schau Homeland, no offense!« Oder: »Dagegensein in Rotweinlaune ist nur selten diskursiv.« Oder »Fermentier mir doch mal dein Fragmentchen!«

Außerdem zwingt mich meine Trulla dazu, merkwürdige Sachen zu machen. »Notting Hill« schauen zum Beispiel. Und zwar immer, wenn der Film wo läuft. Einen eigenen Google-Alert musste ich deswegen anlegen, um ja keinen Ausstrahlungstermin zu versäumen. Das ist – man wird es mir nicht verwundern – höchst irritierend, denn wenn ich etwas mit Sicherheit weiß, dann das, dass ich Julia Roberts nicht super finde. Dieses Gebiss! Diese widerlich perfekten Zahn-Zahnfleisch-Proportionen. Diese penetrante Demonstration von unendlichem Schneidezahnweiß. Außerdem habe ich ihr die Nutte in »Pretty Woman« schon als Zehnjähriger nicht abgenommen. Bei uns an der Ortseinfahrt stand nämlich damals eine echte. Die sah ganz anders aus – vor allem, wenn sie aus Autos ausstieg. Dass ich den Film dennoch auswendig mitsprechen kann, ist meiner inneren Trulla geschuldet.

»Das ist deine weibliche Seite, hör besser auf sie, auch wenn sie ein wenig garstig ist«, hat mir schon so mancher geraten, dem ich von meiner inneren Trulla erzählt habe. Und sie haben nicht unrecht. Viel Unbill ward mir einst wohl erspart, als meine Trulla sagte: »Auch wenn es dir außerordentlich geschmeckt hat, der veganen Konditorlesbe machst du jetzt bitte kein Kompliment für den geilsten eierlosen Kuchen aller Zeiten.« Und mit ihrem Ratschlag: »Wer bumsen will, muss freundlich sein«, bin ich bislang auch stets gut gefahren.


Das wurde jetzt übrigens auch wissenschaftlich bestätigt. Wenn man zum Beispiel schlecht schläft und ständig übermüdet ist, wird man egoistischer und grantiger. Dabei vergisst man dann, in zwischenmenschlichen Bereichen Bitte und Danke zu sagen. Auf Dauer eine Belastungsprobe für die Beziehung und es verhindert, dass die Nudel al dente und die Klit allegro wird. »Siehst du, sag ich ja die ganze Zeit«, erklärt mir meine innere Trulla, wobei sie als Klugscheißerin, die sie nun mal ist, nicht anzumerken vergisst, dass diese Sexstudien auch immer bizarrer werden. Wer auf dem Bauch schläft, fand man etwa heraus, hat öfters Sexträume als Rücken- und Seitenschläfer. Und wer bevorzugt auf seiner linken Körperseite schläft, hat eher Albträume. Einen Leserbrief, den ich unlängst mit der Bitte um Beantwortung und Ratschlag zugesandt bekam, stammte wohl demnach von einem linkslastigen Seitenschläfer, der von dort in die Bauchposition übergeht. Er soll hier nicht vorenthalten sein:

»Mir träumte, ich hätte mir zwei meiner drei Penisse abgeschnitten und an Fische verfüttert. Kannst du das deuten? PS: Als ich aufwachte, hab ich gleich nachgeschaut: Es war wirklich nur ein Penis da.«

Ich hab es natürlich interpretiert, meine innere Trulla, die auch über das Küchenpsychologische hinausgehende Fähigkeiten besitzt, half mir dabei. Sie herrschte mich aber nach getaner Arbeit mit folgenden Worten an. »Die Antwort baust du keinesfalls in deine Kolumne ein. Verweise darauf, dass sie auf deinem Facebook-Profil zu finden ist. Das gibt vielleicht neue Gefällt mir-Bewertungen!«

Ich wache übrigens auch oft schweißgebadet auf. Meine innere Trulla empfahl mir deswegen täglich zwei bis drei Tassen Ingwertee. Das beruhigt zwar nicht die Nerven, sondern kratzt eher auf, aber wenn ich schwitze riecht es seitdem immer nach Lebkuchen. Auch bei Angst. Meine innere Trulla ist dann immer sehr freundlich. Sie sagt: »Keine Sorge, dir kann nichts passieren, du bist der Gingerbread Man und außerdem: Um dich soll’s nach Ingwer stinken!« Unlängst stank es wieder, als mir träumte, ich solle eine ganze Seite für eine Rubrik »Unnützes Wissen« füllen.

Ich verachte ja Menschen, die sich an so etwas delektieren. Die kommen in meiner nach oben hin offenen Hassskala noch vor diesen Trotteln, die Fotos von ihren Füßen im Meer, oder am Sandstrand, machen und überall hinposten. Wahrscheinlich schaffte ich selbst im Traum deswegen nur einen Eintrag: »Wussten Sie, dass die arabisch-indische Zahlschrift den römischen Zahlen in Sachen Effektivität haushoch überlegen ist?« Dann wachte ich auf. Wenigstens stimmte der Trauminhalt irgendwie. Beim Ziffernblatt einer Uhr, schön arabisch-indisch von eins bis zwölf beschriftet, kommt der Einser fünf Mal vor. In 1, 10, 11, und 12. Ist eine Uhr mit römischen Zahlen zugemüllt, hat man gleich 17 Mal den Römischen Einser. Man kann gerne nachzählen, es stimmt: I; II; III; IV; VI; VII; VIII; IX; XI, XII. »Ähm, hmm, ja, ja, und weiter?!« Keine Ahnung innere Trulla, keine Ahnung. Aber ich werde von Nächten wohl mehr gehabt haben, wenn ich in Zukunft am Bauch schlafe.

Entsetzt? Hier gibt es weitere Illbilly-Kolumnen: https://thegap.atillbilly-the-kitt

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