Mit einer Weißwurst kann man alles machen

Nicht selten werde ich gebeten zu erzählen, was man denn zu beachten hat, wenn man eine Sex-Kolumne verfasst. Was braucht es für Rüstzeug, wie muss man das anstellen?

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Ich schweige mich dazu gerne aus. In einem Kochbuch findet man ja auch nicht die Geheimzutaten. Allerdings leide ich auch ein wenig unter dem oft zitierten »Helfersyndrom«.

Ich weiß, dass es das gibt, und werde es auch gleich demonstrieren.

  1. Um eine Sex-Kolumne zusammenzukleistern, braucht es einmal eine Idee zum Thema. Da müssen im Vorfeld kreative Säfte fließen, die brauchen gar nichts mit Sex zu tun zu haben. Zum Beispiel beginnt jetzt ja dann die Festivalsaison. Da tut man fest im Freien sich aufhalten und viele Bierlis zwitschern. Bekanntlich sind Frischluft und Alkohol in Form vergorener Gerste weitschichtige Verwandte, die sich bei Familientreffen durchaus ausgezeichnet verstehen und immer viel zu erzählen haben.
  2. Es wäre sehr einfach, ja nahezu schon an Primitivität grenzend, mit Camping und Bier in die Sex-Kolumne einzusteigen. Deshalb braucht es ein absurdes Faktum, um eine falsche Spur zu legen. Essen, Mode, Politik oder ein bisschen Klugscheiße sind die absoluten Burner auf diesem Gebiet. Alle vier dieser »falschen Fährten« unter einen Hut zu bringen, das ist die Herausforderung. Zur Not darf man auch lügen.

    Zum Beispiel könnte man erwähnen, dass die erste Auflage von Jamie Olivers zweitem Kochbuch »Genial Kochen mit Jamie Oliver« eingestampft werden musste, da darin ein Rezeptfehler enthalten war. Der britische Superstarkoch empfahl nämlich für die Zubereitung von Folienkartoffeln, Alufolie über Nacht in bestem Chiliolivenöl einzulegen. Damit sollten dann tags darauf speckige Erdäpfel eingewickelt werden. Pfui! Chiliolivenölalufolie, was soll das denn bitte bringen? Und jedes Kind weiß, dass man für Folienkartoffel mehlige Erdäpfel nehmen muss. Noch einmal: Pfuipfuipfuipfuipfui!

  3. Dann Pointen suchen und ein wenig auf Jamie Oliver herumreiten. Den kann und darf man dissen ohne Ende. Das ist zwar sehr Nullerjahre, allerdings ist der Pool an trotteligen TV-Köchen unerschöpflich, um für seinen Hass weitere Anknüpfungspunkte zu finden. Beispiele gefällig: Steffen Henssler (Teilzeitmongo), Christian Rach (Küchennazi), Alfons Schuhbeck (spritzt grünen indischen Urwaldpfeffer aus Kerala), Horst Lichter (kriegt Intimgeschmack seiner Frau nicht aus dem Schnauzer), Johann Lafer (kriegt Intimgeschmack von Horst Lichter nicht aus dem Schnauzer). Vor allem das Duo Lafer/Lichter ist immer für eine Pointe gut.
  4. Bei Schritt vier ist es wichtig, nicht den Sex aus den Augen zu verlieren und die Frage zu stellen: Jetzt haben wir Essen in der Kolumne, wie kommt noch schnell Mode, Politik und Klugscheiße rein? Gute Frage. Da könnte noch mal Jamie Oliver herhalten. Der stammt aus der Grafschaft Essex, nordöstlich von London. Da ist Essen und Sex quasi schon drinnen, ein Wortspiel somit aufgelegt.
  5. Da man die Grafschaft aber wie die japanische Turnschuhmarke Asics ausspricht, haben wir vielmehr unseren Link zur Mode. Jetzt könnte man also über Turnschuhmarken plaudern, oder Popbands, oder MDMA fressende Technojapaner.
  6. Aber auch die Herstellungsbedingungen von Turnschuhen und wie Konzerne gerade versuchen, sich Bio-, Eco- und Nachhaltigkeitsfähnchen aufs Revers zu heften, kann erwähnt werden. Das verleiht der Sex-Kolumne eine politische Ebene. Aber Achtung: Das kann Anzeigenkunden kosten!
  7. Oder aber man geht auf den Firmennamen Asics näher ein, womit ein wenig Klugscheiße ins Spiel kommt. Der Markenname soll nämlich ein Akronym fürs lateinische »Anima Sana In Corpore Sano« sein. Gesunde Seele in gesundem Körper heißt das und ist eine Variation von »Mens Sana In Corpore Sano«, ein oft aus dem Zusammenhang gerissener Satz des römischen Dichters und Satirikers Juvenal.

    Wörtlich übersetzt schrieb dieser nämlich: »Aber damit du was hast, worum du betest, weshalb du vor dem Schreine die Kutteln und göttlichen Weißwürste opferst, sollst um gesunden Geist in gesundem Körper du beten.« Der Dichter beschwerte sich übrigens darüber, dass die einfältigen, dummen Sportlergemüter in gesunden Körpern stecken, die großen Denker seiner Zeit aber vom Krebs und Geschlechtskrankheiten zerfressen dahinsiechen.

  8. Jetzt muss dann langsam eine Klammer überlegt werden. Camping, Bier und Festival sind noch offen. Einen derben Vergleich, explizit formuliert der Lust auf mehr macht, braucht es. »Ich kann keinen Unterschied mehr zwischen Turnschuhen, Weißwürsten und meinem Schwanz riechen.«
  9. Den Grund dafür erklären und so das Feld von hinten aufrollen. Folgendes Szenario ist denkbar: Chiliolivenölalufolienkartoffel wurden aus Platzmangel in Turnschuhen gelagert. Chiliolivenöl ist in Übermut auf Weißwurst und Penis geschmiert worden. Erstere Wurst wurde sogar gegrillt. Die andere brannte einfach so. Dass Weißwürste nicht auf den Grill gehören denkt übrigens nur Jamie Oliver, der Küchenbarbar aus Essex und Erfinder der Chiliolivenölalufolienkartoffel. »Mit einer Weißwurst kann man alles machen«, sagt Alfons Schuhbeck, ein Bayer, der weiß das.
  10. Titel für die Kolumne finden. Idealerweise fasst er das Kommende knackig zusammen. Es ist aber auch ok, wenn was völlig Irrelevantes dort steht. Niemand macht sich darüber Gedanken, und alle, die interpretieren wollen, sind froh, wenn sie Raum dazu haben. »Dekonstruktion in Dur oder Moll, je nachdem«, klingt super, »Einfach Nachkochen« wäre auch ok. »Mit einer Weißwurst kann man alles machen« passt aber am besten. Ist ja eine Sex-Kolumne.
  11. Dann alles zusammenstoppeln, durchschütteln, anrichten und aus.
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