Songs, Loops, Samples und Aufnahmen reisen seit Ende 2008 First Class um die Welt. Transportiert werden sie von Soundcloud, der musikalischen Version von Flickr. Ulrike Grabler hat den Gründer im Rahmen der Schmiede 2010 interviewt.
Songs, Loops, Samples und Aufnahmen reisen seit Ende 2008 First Class um die Welt. Transportiert werden sie von Soundcloud, der musikalischen Version von Flickr. Gegründet wurde die Plattform in einer Zeit, in der die Welt nichts weniger brauchte, als noch eine Webcommunity. Ihre beiden Väter testeten verschiedene Städte und wählten Berlin als geografische Basis für Ihr Vorhaben. Sie zogen von Schweden nach Deutschland und innerhalb von nicht einmal zwei Jahren etablierte sich die Plattform zum Liebling aller Musiker und Produzenten, die ihre Musik online präsentieren oder verschicken wollen.
In Windeseile überholte Soundcloud MySpace im Ansehen bei Musikern und trumpfte auf mit schickem Design, einfacher Bedienbarkeit und klarem Layout. Der Schwerpunkt liegt auf der Musik, Community-Features gibt es in abgespeckter Form und der Player braucht keine Ewigkeit zum Laden. Knapp zwei Millionen User rund um den Globus schicken inzwischen an jedem einzelnen Tag zig Stunden Musik an Soundcloud. Eine gute Präsentationsplattform also, doch wie in allen riesigen Netzwerken werden auch hier die größeren Gatekeeper völlig zugebombt.
Unter Konsumenten flutscht die Sache, denn die hören sich neue Sachen gern und mehr denn je auf Soundcloud an. Wer aber glaubt, als Musiker über die Plattform Kontakt zu den großen Plattenbossen knüpfen zu können, liegt in der Regel falsch. Den Labels fehlt das nötige Kleingeld für Personal, welches sich die tausenden Demotracks in den so genannten Drobboxes anhören könnte. Das innovative Tool, mit dem der User sehen kann, wer sich wann und wo den von ihm verschickten Sound anhört, sorgt in diesem Falle eher für Enttäuschung, als für Euphorie.
Manche Bereiche des Urheberrechts sorgen auf Soundcloud auch noch für Kopfweh bei einschlägigen Juristen. Der Schwede Eric Wahlforss, einer der beiden Gründer des rasanten Startups, hat aber trotzdem große Pläne, mit denen er die Plattform in die Top Ten aller Websites katapultieren will.
Es gab ja auch schon vor Soundcloud Möglichkeiten, Musik zu präsentieren. MySpace zum Beispiel ging immer mehr in Richtung Community für Musiker. Warum habt Ihr den Kampf mit dem Giganten aufgenommen?
Eric Wahlforss: Es hat schon einige Seiten gegeben, die von Musikern verwendet wurden, aber eigentlich nicht dafür gedacht waren. Die waren alle unbefriedigend und schlecht. Es war nicht leicht, jemandem seine Musik zu schicken. MySpace ist kompliziert, lädt elendslang, hat viel zu viel Drumherum dabei und außerdem ist alles öffentlich. Zu einem einzelnen Track konnte man auch nicht verlinken. Nutzte man File-Hosting-Anbieter wie Yousendit oder Sendspace, konnte man jemandem direkt seine Songs schicken. Aber man musste zuerst hochladen und der Empfänger musste die Musik dann erst auf seinen Computer holen. Das ist alles viel zu viel, ich wollte eine einfache Lösung, mit der man Musik präsentieren kann. Es ist eigentlich seltsam, dass noch niemand vorher so etwas wie Soundcloud gemacht hat.
Ihr habt offensichtlich ganz genau gewusst, was weg muss und was die Plattform aber trotzdem – außer einem Player – unbedingt noch braucht.
Eric Wahlforss: Ich bin selbst Musiker, mein Co-Founder Alex Ljung ist Sounddesigner, wir hatten also beide schon viel mit Leuten, die Musik machen, zu tun und das Problem verstanden. Wichtig war uns, die Sounds im Netz zu visualisieren. Für den sozialen Aspekt kann man Kommentare unter den Tracks hinterlassen, das bringt enorm viel. Jeder freut sich über Feedback. Vor allem sind das detaillierte Kommentare, über die man seine Musik mit anderen richtig besprechen kann.
Ihr beide seid für dieses Experiment ja auch noch extra umgezogen.
Eric Wahlforss: Wir waren beide im Rahmen unseres Studiums in San Francisco und hatten genug Zeit zum Überlegen. Ich selbst habe davor schon viele Homepages gebaut. Eine davon war eine ziemlich große Plattform für Künstler, das war 1999/2000, die ist mittlerweile aber nicht mehr online. Zurück in Stockholm haben wir dann begonnen, ein Konzept zu entwickeln. Wir waren beide genervt von den hässlichen Seiten. Ende 2006 haben wir uns dann Soundcloud ausgedacht.
Wir wollten nicht in Stockholm bleiben, und unsere ganzen Freunde als User anheuern. Also haben wir uns andere Städte angesehen, sind nach Barcelona, Wien, London, Berlin geflogen um herauszufinden, wo man so ein Music-Startup am Besten machen kann. In Berlin war ich schon einmal länger und kannte noch einige Leute. Außerdem haben wir dort Sponsoren gefunden und dann sind wir dahin gezogen.
Und gleich online gegangen? Es ist nicht unbedingt leicht, eine Community zu etablieren, geschweige denn, sie zu vergrößern. Wie habt Ihr den Hype um Soundcloud kreiert?
Eric Wahlforss: Gar nicht. Das kam alles von selbst. Wir haben Soundcloud sehr schnell gebastelt. Im Sommer 2007 waren wir primitiv online. Am Anfang nur privat, man konnte sich nicht einfach anmelden, wir haben die User selbst eingeladen. Wir haben das langsam, aber stabil aufgebaut. Das erste Jahr war Soundcloud nicht publik. Es ist dann sehr schnell von selbst gelaufen. Im Oktober 2008 haben wir Soundcloud öffentlich gelauncht. Nach weniger als zwei Jahren hatten wir dann schon knapp zwei Millionen User. Es gibt Fälle darunter, die sind erst durch Soundcloud Musiker geworden. Einer hat uns mal geschrieben, er hat zum Produzieren begonnen, weil ihm die Plattform so gut gefallen hat. Mittlerweile hat er einen Plattenvertrag.
Soundcloud dient den Produzenten und den Konsumenten und man kann auf Eurer Plattform auch vernetzt arbeiten. Es gibt Remix Competitions und so weiter. Alles schön und gut, aber wie wird Soundcloud von denen angenommen, die die Musik hören sollen? Labels zum Beispiel. Ich habe nur von Produzenten gehört, die sich eher schwer tun damit, von den Großen „angehört“ zu werden.
Eric Wahlforss: Ich kann nur sagen, dass fast alles Labels Soundcloud benutzen – Indie, Rock, Rap, alles vertreten. Wie und in welchem Ausmaß, variiert je nach Land und Label. Sie verwenden Soundcloud, um neue Musik kennenzulernen, aber auch für alternative Veröffentlichungen oder Remixes. Die Band Röyksopp hat einen großen Contest gemacht, da hatten wir schon in den ersten drei Wochen mehr als 3000 Einsendungen und hohe Aktivität in den Kommentaren. Die Leute aus Labels verwenden gern Tools wie das Iphone, um zu schauen, was ihnen geschickt worden ist. Diese Richtung bestimmt auch unsere Zukunft.
Ihr habt Eure Widgets schon überall verstreut, man kann den Soundcloud Player auch auf MySpace oder Facebook abspielen. Wie geht’s weiter, wo werdet Ihr Euch noch integrieren? Mit wem vernetzt Ihr Euch?
Eric Wahlforss: Kooperationen sind unser Hauptanliegen im Moment. Viele Sequenzer haben begonnen, Soundcloud zu integrieren. Damit kann man Musik machen, diese sofort hochladen und im Web präsentieren. Mit dem Iphone ist eine völlig neue Bewegung im musikalischen Bereich entstanden. Es gibt so viele Programme, die Musik generieren, Spiele, mit denen man Musik machen kann. Ist doch perfekt, wenn man das dann in einem auch gleich hochladen und mit anderen teilen kann.
Wir legen gerade unsere ganze Energie darauf, uns zu vernetzen. Zum Beispiel in Form von Citysounds.fm. Das verwendet geografische Daten, um Sound zu präsentieren. Man kann hier virtuell verschiedene Städte besuchen und Musik von dort hören. Und zwar in Echtzeit. Ich finde es ziemlich interessant, herauszufinden, wo welche Musik gemacht wird. Der Sound aus Jakarta klingt ganz anders als der Sound aus Helsinki. AmpKit, das ist eine Mischung aus Gitarrenverstärker und Application für Iphone, Ipod und Ipad, hat viel Potential für uns. Ich schätze, da wird eine riesige Community entstehen.
Es gibt keine Werbung auf Soundcloud, es kann sich aber auch jeder kostenlos registrieren. Wovon lebt Ihr?
Eric Wahlforss: Jeder kann sich einen Account nehmen, mit dem er 120 Minuten gratis uploaden kann. Dann haben wir die Premium Accounts verschiedenen Formen bis zu unlimitiertem Transfer. Das ist das Geschäftsmodell, womit wir unser Geld verdienen. Wir, und das sind mittlerweile 40 Personen, leben von den Premium Accounts. Zur Zeit sind wir irgendwo bei Platz 800 der meistbesuchten Internetseiten. Das nächste Ziel ist es, die Top Ten zu knacken.
Das sind ziemlich viele Daten auf Soundcloud. Wenn das so weitergeht, werdet Ihr dann auch so langsam wie MySpace?
Eric Wahlforss: Nein. Es könnten wahrscheinlich 100 Millionen User sein und nichts würde sich ändern. Die Seite ist ziemlich groß, sehr viel Sound drauf. Wir legen viel Wert darauf, schnell zu sein, das wird sich auch nicht ändern. Wir sind jetzt auch schneller, als am Anfang. Bei uns sieht jede Seite gleich aus. MySpace ist so individuell und wild, darum lädt alles so langsam.
Einiges, was man auf Soundcloud finden kann, wurde ja nicht vom Urheber raufgeladen. Vor allem in Euren DJ-Mixtapes findet sich Fremdmaterial. Welche Arrangements habt Ihr mit den Urheberrechtsgesellschaften getroffen? Was passiert, wenn die Euch zwingen, widerrechtlich präsentiertes Material von der Plattform zu nehmen?
Eric Wahlforss: Unser Ziel ist es natürlich, 100 Prozent auf der legalen Seite zu sein. Doch die Rechtsmaterie, in der wir uns bewegen, ist äußerst komplex. Im Moment haben wir keine Abkommen. Aber wir arbeiten daran.
Das Gespräch wurde im Rahmen der Schmiede 2010 in Hallein geführt. Das gekürzte Transkript findet sich hier.