Muttersprachenpop – Die wichtigsten deutschsprachigen Neuerscheinungen im November 2025

Deutschsprachiges zwischen Euphorie und Kapitulation, zwischen Pathos und Befindlichkeit. Ausgewählt von Dominik Oswald. Die wichtigsten deutsch­sprachigen Neuerscheinungen im November 2025. Mit Kraftklub, Betterov und mehr.

Kraftklub (Bild: Philipp Gladsome)
© Kraftklub (Bild: Philipp Gladsome)

Betterov – »Große Kunst«

Betterov (Bild: Rebecca Kraemer)
Betterov (Bild: Rebecca Kraemer)

Bitte einmal aufatmen, es gibt sie noch! Die Guten in der deutschen Popwelt. Per se sind ja Sänger, die zumindest nicht ganz unerfolgreich sind, vom Seelischen her eher ausgequetscht. Weniger Reibung als im Vakuum, glatt wie Glatteis. Auch Manuel Bittorf alias Betterov kann man Dinge ankreiden – nach Platz fünf in den deutschen Albumcharts mit dem Debüt »Olympia« gab es ein Jahr später ein Re-Release mit Featuregästen von cool (Paula Hartmann) über uncool (Provinz) bis super problematisch (Jeremias) – aber man kann ihm nicht vorwerfen, zu wenig Authentizität in seinen Output zu stecken: Natürlich sind sehr große Stücke seines Zweitwerks Musik für Drama-Lovers. Sehr viele Songs sind schwere und manchmal dick aufgetragene Tearjerker-Klavierballaden mit vordergründig tiefgründigen Inhalt, aber sie sind zumindest sehr persönlich: Der Thüringer behandelt inhaltlich vor allem die »Wende« 1989 und deren Auswirkungen auf die Familie und noch nicht geborene Wesen wie Betterov selbst. Im Unterschied zu vielen anderen, mit denen er sehr bald vermutlich in einen Topf geschmissen werden wird, macht Betterov persönliche Songs, die aber viel über Land und Leute aussagen – und nicht einfach nur Musik über sich selbst. Und da ist er seinem (und meinem) Idol Bruce Springsteen ziemlich nah.

»Große Kunst« von Betterov erscheint am 7. November 2025 via Universal. Termine: 5. März, Wien, Wuk Wien — 14. März, Dornbirn, Conrad Sohm — 6. März, Linz, Posthof. Hier kaufen.

Pastor Gerald – »Planet der Pfaffen«

Pastor Gerald (Bild: Pastor Gerald / Dackelton)
Pastor Gerald (Bild: Pastor Gerald / Dackelton)

Immer gut: eine neue Punkkapelle. Besonders gut: Pastor Gerald, aus dem hohen deutschen Norden. Die machen ziemlich straight forwarden Punkrock, der auch immer wieder in Richtung Country blickt (das macht man heutzutage so). Besonders aufmerksamkeitsstark ist dabei die rotzig-wütende Stimmlage, die dann alles ziemlich auch nach NDW (das macht man heutzutage so) klingen lässt. Auf ihrem Debütalbum, das beim sehr sympathischen Label Dackelton (unter anderem Der ganze Rest, Drei Meter Feldweg und Im Taxi Rauchen) erscheint, exerziert der Fünfer, der seit 2023 in dieser Zusammensetzung unterwegs ist, die gängigen Themen postmodernen Punks. Vom Wahnsinn der Regierenden und Lobbyist*innen zu Polizeiwillkür und Machtmissbrauch bis zu Bescheidenheiten des alltäglichen Lebens (»Brotdose«) – aber immer mit dem als einzigen Ausweg begriffenen Galgenhumor, ohne den du 2025 einfach nicht mehr über die Runden kommst. Und natürlich mit der Thematik des Über-die-Runden-Kommens – man wird ja schließlich auch älter. Also, Fazit: Das ist Punkrock, so wie man ihn heutzutage macht. Stark.

»Planet der Pfaffen« von Pastor Gerald erscheint am 7. November 2025 via Dackelton. Keine Termine in Österreich. Album hier kaufen.

Thorsten Nagelschmidt & Lambert – »Nur für Mitglieder«

Thorsten Nagelschmidt & Lambert (Bild: Andreas Hornoff)
Thorsten Nagelschmidt & Lambert (Bild: Andreas Hornoff)

Das Prinzip Hörbuch ist an sich zwar gut, aber aufgrund der meist völligen musikalischen Abwesenheit häufig enttäuschend. Dass es dann jemanden wie Thorsten Nagelschmidt, den deutschen Powerpoppionier und Romancier, braucht, der die beiden Kunstformen irgendwie vermischt und eben zusammenbringt, was nicht so häufig zusammenfindet, ist da nur konsequent. Gemeinsam mit Mystery- und Maskenmann Lambert – seines Zeichens Elektro- und Jazzpianist und Soloact – vertont Nagelschmidt sein neuestes Buch »Nur für Mitglieder«, das bereits im September erschien. Es ist eben eine Mischung aus Hörbuch und Musikalbum. Da wird schon auch gesungen, aber vor allem viel gelesen – nicht das ganze Buch sondern nur ein paar Skizzen, sieben Stück in rund dreißig Minuten. Inhaltlich geht es um die Flucht aus der vorweihnachtlichen heimischen Hölle in wärmere Gefilde, um die »Sopranos« zu bingen. Musikalisch ist da noch mehr Drama und Action und Mafia – von einfachem Klavierpop bis zu cineastischen Soundscapes bis zu fiebriger Frickelei. Es ist schön, weil es einmal etwas anderes ist – und es dauert auch weniger lange als ein ganzes Hörbuch. Auch nicht schlecht.

»Nie wieder Weihnachten« von Thorsten Nagelschmidt & Lambert erscheint am 7. November 2025 via Clouds Hill. Keine Termine in Österreich. Album hier kaufen.

Kraftklub – »Sterben in Karl-Marx-Stadt«

Kraftklub (Bild: Philipp Gladsome)
Kraftklub (Bild: Philipp Gladsome)

Für daran Interessierte kann die Promotionsphase eines Albums manchmal spannender als die Musik sein: Zuletzt sah die Welt die preisverdächtige Kampagne von SSIO, das simple Surprise-Releasing von (meist) amerikanischen Popstars oder das gute alte Ambient-Marketing von Kraftklub, die in Chemnitz den Titel ihres neuen Albums ohne Absender (in Deutschland geht das, frag mal nach bei Paypal) mitten in der Stadt affichiert hatten, nur um das Mysterium um das angebrachte Schild mit einem spontanen Konzert aufzulösen. Kann man so machen. Oder die Kieztour in Hamburg mit fünfzehn Konzerten an einem Abend. Und und und … Kraftklub machen viel, sie machen auch viel richtig. Auch das fünfte Album ist unverkennbar Kraftklub, Indiepophymnen für die ganz großen Hallen und Stadien, auch in Graz und Wien werden im März die größten (Indoor-)Venues bespielt. Natürlich ist da musikalisch wenig Neues dabei, außer eventuell noch das Feature mit Domiziana, aber ich sag einmal so: Wer’s raus hat, kann auch immer das Gleiche machen. Weil es mal wieder nur Hits, Hits, Hits sind. 

»Sterben in Karl-Marx-Stadt« von Kraftklub erscheint am 28. November 2025 via Eklat Tonträger. Live Termine: 7. März, Graz, Stadthalle — 8. März, Wien, Stadthalle. Hier kaufen.

Die bisherigen Veröffentlichungen von Dominik Oswalds Reihe »Muttersprachenpop« finden sich unter diesem Link.

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