Das Grazer Nachtleben steht unter Druck. Mehrere Clubs haben geschlossen, im Juli eskalierte auch noch der Konflikt um Parkhouse und Stadtpark. Kleinere Veranstalter fühlen sich von der Bürokratie gegängelt. Politik und Clubkultur – wie so oft ein Missverständnis. Jetzt auch in Graz.
Günter Brodtrager - Postgarage
»Kommerzielle Veranstaltungen sind zum Überleben da« Ganz klar, die Clubkultur in Graz wird abgewürgt. Warum? Einerseits sind die zur Verfügung stehenden Fördermittel für Veranstalter der freien Szene zu gering, sodass sich die Veranstalter die Mieten der Clubs nicht leisten können. Andererseits sind Clubbetreiber oft nicht in der Lage, ihre Räumlichkeiten unter dem Real-Mietpreis zur Verfügung zu stellen und somit den öffentlichen Fördergeber zu ersetzen. Außerdem werden/wurden manche Veranstaltungsorte, die bereit sind/waren, der Subkultur einen Raum zu geben, abgedreht. Wir in der Postgarage versuchen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen kommerziellen Veranstaltungen und solchen der Subkultur anzubieten: Kommerzielle Veranstaltungen sind zum Überleben da, die Subkultur unterstützen wir seit zehn Jahren durch ein umfassendes Service und Mietpreise, die weit unter den tatsächlichen Kosten liegen. Eine Lösung für die Misere wäre eine angemessene Förderung – entweder für die Veranstalter oder die Clubbetreiber. Ansonsten wird Selbstausbeutung bei der (Sub-)Kulturszene – die in Graz reichhaltig ist – weiterhin an der Tagesordnung stehen. Unverständlich ist, dass bestimmte Gratis-Festivals von öffentlicher Hand mit horrenden Summen gefördert werden, als würden die dort auftretenden Bands sonst kein Publikum finden. Im Jahr 2003 war, im Gegensatz zu jetzt, so etwas wie Aufbruchsstimmung zu spüren. Vieles hat sich seit damals entwickelt, aber heute habe ich das Gefühl, dass eine von Unsicherheit und Unzufriedenheit geprägte Stimmung vorherrscht. Die Grazer Kunst- und Kulturszene hat großes Potenzial und sollte angemessen gefördert und nicht verhindert werden. Günter Brodtrager ist einer der Gründer und Geschäftsführer der Postgarage, vielleicht dem essentiellen Club in Graz.
Mario Eustacchio - Verkehrs,-und Sicherheitsstadtrat
"Der Stadtpark ist Erholungsort für alle Menschen" Zunächst muss festgehalten werden, dass Graz sich nicht ausschließlich als Studentenstadt positioniert hat. Graz ist urbaner, kultureller, wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Kumulationspunkt der gesamten Steiermark. Graz ist der Wirtschafts-, Forschungs- und Tourismusstandort im Süd-Osten Österreichs, die Innenstadt sogar Weltkulturerbe – Graz ist also weit mehr als »nur« Studentenstadt. Betreffend der viel zitierten Szene im Grazer Stadtpark und rund um das Parkhouse muss weiters ganz klar festgehalten werden, dass der Stadtpark als Erholungsgebiet der Grazer Stadtbevölkerung geschaffen wurde, und auch als Ruhe- und Grünoase gewidmet ist. Der Stadtpark ist eines der ältesten Gebiete in der Steiermark, das ausdrücklich als »Naturschutzgebiet« ausgewiesen ist und daher sind jedwede Veranstaltungen im Stadtpark auch immer im Einklang mit verschiedensten Rechtsmaterien zu bringen. Der Stadtpark ist also in dem Sinne nicht als alleiniges Refugium der Studenten, einer bestimmten Szene oder einer »Subkultur« anzusehen – der Stadtpark in Graz ist Erholungsort für alle Bevölkerungsschichten und -gruppen! Den Behörden und Ämtern obliegt nun die schwierige Aufgabe, bei allfälligen Veranstaltungen immer einen Interessensausgleich aller Beteiligten zu suchen und zu finden. Verständlicherweise haben Nutzer und Anrainer des Stadtparks oft verschiedene Positionen. Nicht alles kann erlaubt werden, nicht alles soll verboten sein. Um es kurz zu machen: Die Behörde oder gar die Politik hat nicht das Bestreben, eine »Clubkultur abzuwürgen«. Bekommt ein Veranstalter im Stadtpark eine Veranstaltung genehmigt, so sind diese Rahmenbedingungen aber rechtsverbindlich. Werden die ausgehandelten Rahmenbedingen nicht eingehalten, so ist die Behörde sogar verpflichtet, einzuschreiten – schließlich geht es um verschiedenste Auflagen, von zumutbaren Lärmimmissionen bis zu feuerpolizeilichen Bestimmungen, die einzuhalten sind. Mario Eustacchio (FPÖ) ist Verkehrs- und Sicherheitsstadtrat von Graz.
Lisa Stadler – Derstandard.at
"Zwei Seiten, die einander nicht verstehen" Das alternative Grazer Nachtleben hatte es noch nie leicht. Gegen das alkopopgeschwängerte Tschimmbumm aus dem Studentenviertel anzutreten ist nämlich eine Aufgabe für sich, Grazerinnen und Grazer werden wissen, wovon ich spreche. In letzter Zeit wird aber der Unmut auf Veranstalterseite immer größer: Dem Parkhouse, der Kombüse und so manchem Verein werden anscheinend unnötig große Steine in den Weg gelegt. Schuld soll in vielen Fällen die Politik sein. Das stimmt auch – aber nur zum Teil. Startet man nämlich einen Rundruf durch die Vorzimmer der zuständigen Politiker, wie ich es für einen Artikel über das Parkhouse auf derStandard.at gemacht habe, wissen diese oft gar nicht wirklich, wovon die Rede ist. Auf entlarvende Weise wird nachgefragt, wie noch einmal das Lokal heißt, um das es geht, das Veranstaltungsgesetz kennt man selbst nicht so genau und veranlasst haben das sowieso die Vorgänger. Nun kann man natürlich vermuten, dass das eine durchdachte Strategie der Unwissenheit seitens der Politik ist, in diesem Fall glaube ich das aber nicht. Die Opposition, also jene, die sich für einen belebten Stadtpark und gegen teure Wohnungen in der Innenstadt einsetzen, will wiederum eine große Verschwörung hinter manchen Aktionen sehen. Angriffslustig wird ein »Occupy Stadtpark« gegründet und vermutete Vorwürfe wie etwa eine Verbindung zum Pfauengarten oft für bare Münze genommen. (Was nicht heißt, dass das eines Tages bestätigt werden kann.) Dass das alternative Graz gerade davor steht, noch etwas toter zu werden, liegt hauptsächlich daran, dass hier die Politik die Kulturtreibenden nicht verstehen will und umgekehrt. Wenn jene, die bereichernde Projekte und Lokale unterstützen wollen, eine gute Lobby gründen, die sich der Politik verständlich macht und Nagl und Co. wiederum kapieren, dass ebendiese Projekte mehr bringen als so manches versiffte Beisl, könnte das noch was werden. Denn abgesehen von den etablierten Events wie dem Springfestival oder dem Elevate Festival gilt es hier noch eine Lücke zu füllen. Lisa Stadler lebte bis 2007 in Graz und ist Autorin und Social Media-Managerin bei DerStandard.at und Teil des DJ/VJ-Kollektivs Etepetete.
Simon Off – IG Kultur Steiermark
»Was die Politik nicht versteht!« Die Zukunft und Unterstützung der Grazer Clubkultur war schon immer im Interesse eines musikinteressierten Publikums. Mit großer Verzögerung nehmen das auch bestimmte Medien über die Stadtgrenze hinaus wahr. Aber auch international gibt es ein sehr positives Feedback zur hiesigen Clublandschaft – meiner Meinung nach beachtlich – da Graz leider viel zu lange der Stempel Provinzstadt anhaftete. Wo die enorme Relevanz einer abwechslungsreichen Subkultur definitiv nicht gesehen wird, ist in der Politik. Die Androhung, bestimmte Orte wie das Forum Stadtpark quasi zuzusperren, die Farce rund ums Parkhouse und die tatsächliche Schließung des Niesenberger oder der Papierfabrik sind ein eindeutiges Indiz dafür, dass hier ein Verständnis der Politik fehlt! Wie immer trifft es die alternativen und unkommerziellen Orte am stärksten. Während größere Club-Ereignisse wie Elevate oder Springfestival mittlerweile von einigen Stadtpolitikern positiv gewertet werden, fehlt das Bewusstsein um die unkommerziellen und kleinen Initiativen, die den Boden für punktuell auftretende Events bilden. Anstatt Rahmenbedingungen im Interesse der Veranstalter, Labels, Musiker und Studios zu schaffen, wird zurzeit eine »Zusperrpolitik« betrieben, die ihresgleichen sucht. Bestehende Gesetze – zeitweise durchaus etwas lockerer gehandhabt – werden beinhart durchgesetzt. Es wird seitens der Politik weder das Gespräch gesucht noch werden einvernehmliche Lösungen angedacht. Mitte der 90er Jahre konnte man als junger Mensch nicht schnell genug aus Graz wegkommen. Wenn die Politik so weitermacht, geht es wieder in diese Richtung und dann ist nicht nur die Grazer Clubkultur ein sinkendes Schiff. Das wird aber definitiv nicht ohne Widerstand der Szene passieren! Simon Hafner (aka Simon/Off) ist DJ und Vorstandmitglied der IG Kultur Steiermark
Graz ist für uns ein schwieriges Pflaster. Wir sind immer wieder gerne dort, haben allerdings aktuell keine regelmäßigen Schreiber, die dort an der Quelle sitzen – Bewerbungen nehmen wir gerne entgegen. Die steirische Hauptstadt kommt bei uns deshalb leider weniger vor, als sie sollte. Anfang Juli strahlten allerdings beunruhigende Nachrichten über die Stadtgrenzen hinaus: Das allseits beliebte Parkhouse musste seine DJ-Line für den gesamten Monat absagen.
Grund: Eine fehlende Genehmigung für die Beschallung des Innenraums. (Absurdes Detail am Rande: Draußen vor dem Parkhouse hätten Konzerte stattfinden dürfen.) Hinter der Geschichte stecken ein ganz realer Grund – und ein vermuteter. Im Jahr 2012 gönnte sich die Steiermark ein neues Veranstaltungsgesetz, das ursprünglich auf die Ski-WM in Schladming abzielte. Die Kontroverse darum ist aus der Ferne nicht so leicht zu durchschauen. Die Hauptkritikpunkte waren erstens Sicherheitsanforderungen, die alle Veranstaltungen über einen Kamm scherten und wenig Rücksicht auf Größe, Grad der Kommerzialisierung und Veranstaltungsort nahm. Und zweitens, dass auf einmal jeder Abend mit DJ als eigene Veranstaltung galt, also angemeldet werden musste. Darüber wird immer wieder der Verdacht geäußert, es ginge eigentlich um eine Befriedung des Stadtparks – auch wegen des Pfauengarten-Projekts, also dem Bau von Luxusimmobilien im Stadtpark. Lärmende junge Leute würden da nur stören.
Alkoholverbot in der Innenstadt, neues Veranstaltungsgesetz, das Schließen der Niese und Kombüsen – ist die Clubkultur in Graz bedroht? Bleiben am Ende nur noch Springfestival und Elevate als Leuchtturm-Projekte, während das subkulturelle Nachtleben den Rest des Jahres verkümmert? Oder sind da einfach nur ganz normale Konflikte um Sperrstunden und Förderungen, wie es sie in Wien und jeder anderen Großstadt der Welt auch gibt. Wir haben vier Grazer gebeten, die Situation einzuschätzen.
Am 23.Oktober wird die Grazer Clubkultur vermutlich noch nicht abgewickelt sein. Da beginnt nämlich das Elevate. Das Festival, das jährlich spannende Acts an die Mur bringt. Heuer unter anderen Jon Hopkins, Daedelus und einen L.i.e.s.-Records-Showcase. Dorian Concept half beim Kuratieren.