Die Musikszene Österreichs wurde diesen Winter auf besondere Art bereichert: Lichtdurchflutete Räume und eine inspirierende Atmosphäre laden im neuen Music-Space »The Nest« im 17. Wiener Gemeindebezirk zum kreativen Schaffen ein.
Ein Raum für Musikschaffende, die ihre künstlerische Ader ausleben, neue Ideen ausprobieren oder einfach ihre E-Mails in Ruhe beantworten wollen. Mit dem Blick auf die österreichische Musikszene aus der Perspektive einer Insiderin erzählt Musikerin und Unternehmerin Patricia Ziegler vom Potential für MusikerInnen in Wien, den Hürden eines One-Woman-Projektes und ihren zukünftigen Plänen für The Nest.
Bitte stell uns The Nest kurz vor. Was können wir dort zukünftig finden?
Ich sehe The Nest gerne als kleines Dorf – einen kleinen Mikrokosmos. Es geht um das Vernetzen mit Gleichgesinnten. The Nest ist ein Co-Working-Space, der ein Arbeiten miteinander und nicht einfach nur nebeneinander ermöglichen soll. MusikerInnen können hier an ihren Songs schreiben, ihre Finanzen durchgehen, E-Mails beantworten aber sich auch gegenseitig motivieren und inspirieren.
Ein eigener Musikstudiobereich befindet sich derzeit noch in der Planungsphase, wenn die Soundstudios und das Equipment bereitstehen, dann kann nach dem Konzept des Shared Spaces hier auch Musik gemacht werden.
Welche eigenen Erfahrungen bringst du in das Projekt mit ein?
Ich bin seit 2011 professionell musikalisch aktiv. Sowohl in einer Band, also auch als Solokünstlerin unter dem Namen Bitten by. Durch einige Projekte in der Vergangenheit habe ich bereits die Grundfestungen eines Studios gebaut – zum Beispiel Wände entkoppelt, damit es nicht vibriert. Ich bin zwar kein Profi, was Handwerk und Ausstattung angeht, aber dafür habe ich bei The Nest Leute, die sich perfekt damit auskennen.
Was bedeutet der Name The Nest für dich?
So ist ein Nest auch immer eine Art kleine Gemeinschaft, die zusammen aufgebaut wird. Es soll etwas Fruchtbares entstehen, etwas Erbauliches – deswegen ist der Name bis jetzt geblieben.
Welche Notwendigkeit hast du in der österreichischen Musikszene gesehen, The Nest aufzubauen?
Die österreichische Musikszene hat zwar in den letzten Jahren einen Aufschwung erlebt, aber wenn man als Band etwas erreichen will, ist meist der nächste Schritt, dass man ins Ausland geht. Es gibt viele Bands, die erfolgreich Musik machen, sich aber in der österreichischen Musiklandschaft missverstanden fühlen. Ich glaube der Markt in Österreich ist zu klein und die beheimatete Musikszene baut vor allem Indie-Bands auf, die einem veralteten System folgen.
Hat sich die Musikszene nicht auch weiterentwickelt in den letzten Jahren?
Sicher! Vor allem der Community-Aspekt ist gewachsen. Früher war es immer Band-Gefüge für Band-Gefüge, man ist eher für sich selbst geblieben. In den letzten Jahren ist Hip-Hop und Rap sehr aufgeblüht und diese Szenen haben einen super puren Umgang miteinander. Sie haben ein ganz anderes Gefühl für Gemeinschaft, man tauscht sich aus, es gibt Kollaboration miteinander und man lädt sich gegenseitig zum Songwriting ein. Es findet eine neue Art des Austauschs und auch des Arbeitens statt. Gerade heutzutage arbeiten sehr viel ProduzentInnen auf Laptops und machen digitale Musik. Auch als Folge dieser Trends, habe ich die Notwendigkeit eines Shared Spaces, der nicht nur als reiner Proberaum genutzt werden kann, erkannt.
Welche Rolle spielt ein internationales Vorbild wie zum Beispiel. Haus2000 für dich?
Bei der Planung von The Nest habe ich mich von ähnlichen Projekten inspirieren lassen. Die sind da sehr offen und gehen auf jede Frage ein, ob es sich um die Miete, Kosten oder die Einrichtung handelt. So bin ich dann nach Berlin gefahren, habe einige Spaces besucht und Materiallisten ausgetauscht, Tipps und Inspirationen geholt. Institutionen wie Haus2000 zeigen einfach, dass es in anderen Ländern funktioniert.
Auf welche Räumlichkeiten und Equipment können wir uns freuen?
In der ersten Phase der Eröffnung liegt der Fokus auf der Community – daher wird an der Veranstaltungshalle, einer alten Biedermeier Industriehalle, gearbeitet. Viel Tageslicht und eine schöne Umgebung bieten Gelegenheit, den regen Bürobetrieb in eine angenehme und entspannte Atmosphäre zu versetzen, die es MusikerInnen und Selbstständigen im Musikbusiness ermöglicht, an ihren Vorhaben zu arbeiten. Veranstaltungen wie Vernissagen, Lesungen und Unplugged-Konzerte bilden außerdem ein zwangloses Eventprogramm. Es sind bereits eine Lesung und eine Video-Session-Reihe geplant. The Nest ist sowohl Co-Working-Space, als auch Eventlocation.
The Nest soll aber kein Ort nur zum Arbeiten sein. Es soll eine Plattform sein, wo man sich kennenlernt, austauscht und miteinander arbeitet. Wenn man zu The Nest kommt, dann will ich, dass man von hier irgendwann einmal weg geht und etwas mitgenommen hat, so etwas wie Erfahrung, Freundschaften oder Inspirationen. Es soll ein Ort sein, wo man gemeinsam wachsen kann.
Mit welchen Kosten müssen KünsterInnen rechnen, wenn sie sich einmieten wollen?
Das Ziel ist es, auch kleinen KünstlerInnen eine Heimat zu geben, daher ist die Preisgestaltung so fair wie möglich gehalten. Derzeit arbeiten wir mit klassischen »flex und fixed«-Packages.
Für »flexibles Vögeln« kann man pro Monat circa um die 100 Euro einrechnen. Man kommt, wann man will, und arbeitet an Tischen, die gerade frei sind, genießt die guten Vibes und tauscht sich mit interessanten Leuten aus. Die »fixen Nesthäkchen« bekommen um circa 200 Euro pro Monat einen Tisch, den man sich selbst einrichten und sogar teilen kann, dazu einen Rollcontainer, um Sachen abzulegen und wegzusperren, mit 24/7-Zugang. Beide Pakete sind ausgestattet mit gratis W-Lan, Printer, Reinigung und Zugang zu zukünftigen Veranstaltungen oder Angeboten. Es gibt einen Garten und man kann die schöne Kaffeeküche und die Aufenthaltsbereiche nutzen.
Welche Herausforderungen hattest du als junge Gründerin zu bewältigen?
Problematisch war bei mir die Finanzierung. Vielleicht liegt es an meiner Art, aber ich bin nicht zu aggressiv in meinem Vorgehen. Bei anderen Projekten ist allein schon die Basis, miteinander zu sprechen, eine andere. Es gibt sehr viele laute Stimmen, man darf sich aber nicht klein machen lassen. Nach mehreren Versuchen, ein passendes Förderprogramm für The Nest zu finden, habe ich mich für eine kreditbasierte Finanzierung entschieden.
Gibt es keine Förderprogramme der Stadt Wien?
Leider hat das Förderprogramm der Stadt Wien viele Lücken und Hindernisse, vor allem in Bezug auf Projektunterstützungen im Musikbereich. Ich war mit meinem Projekt in einer Grauzone. Das Konzept von The Nest ist an sich zwar keine vollkommen neue Innovation, aber dennoch eine Weiterentwicklung der klassischen Idee. Hier geht es um die Gründung und Unterstützung einer Community und ich denke, so etwas ist förderungswürdig.
Wie soll sich the Nest in Zukunft weiterentwickeln?
In Planung ist der Ausbau des Music-Spaces. Neben der Veranstaltungshalle soll es Proberäume mit Equipment, Songwriting-Rooms und einen Meeting Bereiche geben. Die MusikerInnen sollen exklusiven Zugang zu Equipment und Software haben, daher befinde ich mich auch im Gespräch mit einem großen Musiksoftware- und Hardwareentwickler. Die Studioräume wollen wir dann in zwei bis drei Jahren als Shared-Studios aktivieren. Wenn alles so anläuft wie geplant, würde ich gerne über die Gründung eines eigenen Labels nachdenken.
The Nest ist ein Co-Working- und Veranstaltungs-Space im 17. Wiener Gemeindebezirk. Hier findet ihr alle Infos und Nutzungspreise.