One, Two, Three and »Sound On!«. Die emanzipative Mischung aus feministischem Rap, Konzert und Tanz unter künstlerischer Leitung von Anna Konjetzky war vor Kurzem als Gastspiel im Dschungel Wien zu sehen.

»Wenn du ein Land wärst, welches wäre das?« Mit dieser Frage beginnt die neue Produktion von Anna Konjetzky, die im Juli im HochX München Premiere hatte und nun in Wien gastierte. Die Antwort: »Vielleicht wäre ich das Marshmallow Land, dort hätte ich Zugang zu allen Süßigkeiten und niemand stellt infrage, ob ich bleiben darf.« In einer Welt, die immer stärker von Abgrenzung und Zuschreibungen geprägt ist, sucht »Sound On!« nach Zwischentönen, nach Selbstbehauptungen, einem »Trotzdem« und »Fuck it!« angesichts jedes Entweder-oder-Denkens. Spielerische Bewegungen werden gefilmt und auf Leinwände projiziert. Zusammen mit den Beats von Sergej Maingardt und den persönlichen Lyrics erzeugen sie eine Collage aus Stimmen, Klängen und medialen Snippets. »A strong place is where I can be weak, say no, fail«, flüstern die Performerinnen, während sich der Körper einer der Tänzerinnen zusammenkrümmt, sich langsam neigt, kippt, kurz vor dem Fall aufgefangen wird. Tastend hinterfragt die Inszenierung, wie Stärke und Widerständigkeit in unserer heutigen Gesellschaft aussehen können. »Stärke ist auf einem Spektrum mit gemeinsamer Koordination, das eine kann ohne das andere nicht existieren«, äußert Cary Shiu im Nachgespräch. Stärke hat viele Hände, mit denen wir einander vor dem Sturz bewahren.

Vielleicht schrei ich leise
»Sound On!« imaginiert feministischen Protest als einen kollektiven Raum, in dem es Verletzlichkeit und Verschnaufpausen geben darf und in dem wir soft sein dürfen, traurig, K. o., lost. »Protest kann auch ein Vielleicht beinhalten, man muss nicht immer einen Lösungsansatz parat haben«, erklärt die Sängerin Florence Mankenda. »Sound On!« ist vor allem eine Aufforderung für sich selbst und füreinander einzustehen, selbst wenn man leise schreit, schüchtern ist oder noch nicht ganz da, wo man sein will. Nimm das Mikro in die Hand und sag: »Vielleicht.« Die Inszenierung macht Vielstimmigkeit innerhalb feministischer Diskurse hörbar und begreift Zuhören als eine feministische Praxis. »Gehört werden muss nicht unbedingt mit Lautstärke zusammenhängen«, betont die Choreografin Anna Konjetzky. In Snippets werden popkulturelle Ikonen von Billie Eilish, über Rihanna, zu Alok Vaid Menon eingeblendet. »Sound-On!« sucht hier nach medialen Vorbildern und Verortungen innerhalb einer Welt, die offen bleibt für Unsicherheiten, Zweifel und Ambivalenzen, so wackelig weich wie ein Marshmallow. Der Abend schneidet eine Vielzahl wichtiger Themen an und macht queer-feministische Überlegungen zugänglich für ein junges Publikum. Auch wenn ich mir an manchen Stellen etwas mehr Tiefgang gewünscht hätte – zumindest vielleicht.
»Sound On!« war am 15. und 16. Oktober im Dschungel Wien zu sehen.
Dieser Text ist im Rahmen eines Schreibstipendiums in Kooperation mit dem Dschungel Wien entstanden.