Magazine, geistesverwandte Musiker und Fans sowieso waren sich einig: Trümmer sind das neue Ding. Nur scheitern die Drei an den Vorschusslorbeeren und: auch an sich selbst.
Gentrification is everywhere. Auch in Wien, wo das letztens während der Räumung einer gewissen Pizzeria per Nebensatz und Polizei-Überreaktion klar gemacht wurde. Andere Metropolen kennen das schon länger. Besonders Hamburg, besonders St. Pauli, wo ganze Blöcke neuen, profitablen Bauten weichen mussten und müssen. Nahe der Reeperbahn wollen schließlich alle wohnen. Ein besonders bekannter dieser alten Blöcke wird nun ausgeräumt, die Esso-Häuser gingen durch die Medien. Wohnungen, Geschäfte und subkulturelle Relevanz-Clubs mussten schließen.
Ganz in der Nähe wohnt auch Paul Pötsch, seines Zeichens Sänger der Gruppe Trümmer. Auch sein Haus soll abgerissen werden, seine Wohnung, die so vielen namhaften Bands der letzten Monate teilweise Zuhause, Probe- und Lebensraum war. Die Nerven, Messer, Sex Jams haben hier genächtigt und gespielt. Und natürlich ist auch das selbstbetitelte Debütalbum von Trümmer vom Geiste des Widerstands geprägt. "If you want to fuck the system / you have to fuck yourself" (aus "Die 1000. Kippe").
Vorschusslorbeeren haben Trümmer relativ schnell eingeheimst, nach der Doppelsingle "In all diesen Nächsten / Der Saboteur" aus dem Vorjahr waren die Timelines aber etwa auch Andreas Spechtl himself begeistert. Die optische Ähnlichkeit von Pötsch und Ikone Jochen Distelmeyer ließ Trümmer der Einfachkeit halber "die neuen Blumfeld" heißen. Auch Freunde des gepflegten Indierocks konnten sich freuen, fehlte der Band doch von Anfang an der DIY-Mief von Die Nerven oder Messer, den anderen beiden Gruppierungen, die in den letzten Monaten von allen Seiten zu Rettern des deutschen Rock gemacht wurden.
Leider, leider.
Mit "Trümmer" entfernt sich die Dreierformation aber doch ein gehöriges Stück von alldem, was die bisherigen Veröffentlichungen auf Euphorie versprochen haben. Und diese neuen Kleider sehen leider nicht ganz so gut aus. Das Album – auf PIAS – lässt nur wenig von dem erahnen, was in der Band steckt. Beweisstück A: Die erste Single "Wo ist die Euphorie". Noch Ende April, als Teil des Labelsamplers "Keine Bewegung!", wird ein schön post-punkiger Rocksong veröffentlicht, der wenig später als "Alternative Version" abgekanzelt wird und als sphärisches Bloc-Party-Songmuster seinen Weg aufs Album und vermutlich in die Heavy Rotation findet. Beweisstück B: Manchmal klingt Pötsch nach Oliver Gottwald, dem Sänger von Anajo. Und auch wenn der schön singen kann, ist das kein Kompliment. Pötsch lässt insbesondere in der ersten Albumhälfte einiges an Aggressivität, die der Band ihren Status erst einbrachte, vermissen. Die Songs, die Texte, würden es hergeben.
Aber es gibt auch gute Nachrichten: Die Singleversion von "Der Saboteur", der bis dato stärkste Trümmer-Song, wurde fürs Album nicht modifiziert und setzt den Auftakt für eine kleine Zwischenoffensive, eine kurze Tempoverschärfung, die mit allerhand kreiskyesker Stadt-Planet-Metaphorik pulsiert und danach wieder abflaut.
Am Ende bleibt eben ein fahler Nachgeschmack, weil eine vom Ansatz und Potenzial großartige Band ebenjenes nicht ausschöpft. Weil Trümmer sich in vorauseilendem Gehorsam gleich selbst gezähmt haben. Beim nächsten Mal dann, Jungs. Ich glaub an euch.
"Trümmer" von Trümmer erscheint am 22.8. via PIAS. Am 4. November kommen sie ins Rhiz. Da sollte man unbedingt hingehen, live jedenfalls eine Empfehlung.