„Ich wäre gerne ein Dachs“

Die Foals sind in der Stadt. Die Weiterdenker von Dance-Punk und Math-Rock bringen als Supporter der Red Hot Chili Peppers das Publikum vorab zum kochen. Im Hotel "Das Triest" stand Frontman Yannis Philippakis Rede und Antwort.

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In der Vorweihnachtszeit veröffentlichen Interpreten gerne Weihnachts-Specials oder widmen sogar ganze Alben dieser Jahreszeit. Was hältst du eigentlich von diesem kommerziellen Prozess den manche Bands durchleben? Wäre für euch ein Weihnachtsalbum denkbar?

Yannis Philippakis: Ich finde allgemein den Kommerzialisierungsvorgang in der Musikindustrie sehr schlimm. Besonders in der westlichen Welt ist dieser Vorgang schon sehr fortgeschritten. Das Traurige daran ist man kann den ganzen Prozess einfach nur akzeptieren, es ist einfach so. Ich merke es speziell in der Musikindustrie, hier ist alles darauf ausgerichtet schnell Geld zu machen. Vor allem Labels wollen nicht akzeptieren das es nicht immer so geht. Außerdem glaub ich nicht, dass wir jemals eine Weihnachtsplatte aufnehmen werden.

Also besteht keine Chance, dass ihr von "Stille Nacht " eine Dance-Punk Coverversion macht?

YP: Ich weiß es nicht. Vielleicht entsteht etwas wenn wir mal Zeit haben. Es ist nicht gerade auf meiner Liste ganz oben.

Ein Teil von eurer Band hat zusammen in einem Haus in Oxford gewohnt. Wegen der Mieterhöhung seid ihr aber alle ausgezogen. Habt ihr euch zusammen jetzt ein neues Zuhause gesucht?

Das Haus in dem wir zusammengelebt haben war für uns wie ein Hauptquartier. Es war unser Dreh und Angelpunkt, wir hatten sogar ein Studio im Keller. Es war unser Gang-Haus, hier haben wir die Pläne für unsere nächsten Operationen kreierten. Jetzt haben sich aber alle aufgeteilt, wir mussten uns sogar ein neues Studio suchen. Es gibt aber ein paar Leute die wieder zusammenleben, trotzdem ist es nicht mehr so ein Kollektiv wie früher.

Dennoch glaube ich, dass es der richtige Schritt in Richtung Erwachsenwerden war, vor allem was den künstlerischen Prozess betrifft. Die Idee hinter dieser ganzen WG war, dass es wie in Neverland ist, wir mussten uns keine Sorgen um Rechnungen oder Freundinnen machen. Viele Bands haben große Probleme ihren Zusammenhalt zu stärken und versuchen deshalb krampfhaft produktiv zu sein. Meistens kommen dann Elemente dazu die den ganzen Bandprozess stören. Für uns war es wichtig, dass wir durch das Zusammenleben im Haus all diese Ablenkungen von uns fernhalten können.

Ihr habt noch zusammen mit einer anderen Band dort gelebt. Haben die euch in euren musikalischen Schaffen beeinflusst?

Nicht speziell. Die Musikszene in Oxford ist eine kleine, hier kennt jeder jeden. Was auch gut so ist, denn wir sind noch immer von den gleichen Leuten und Musikern umgeben wie damals mit Fünfzehn. Dadurch sind wir bodenständig geblieben. Für uns käme es nie in Frage von dort wegzugehen. Großstädte wie London würden uns nur verändern wollen. Vor allem, wenn man immer erfolgreicher wird, und dadurch auch bekannter. Solche Prozesse sollten vermieden werden.

Du hast in einem Interview einmal gesagt, dass ein Grund warum du Musik machst der ist, weil du dadurch innere Spannungen abbauen bzw. herauslassen kannst. Glaubst du das die beste Kunst durch leiden entsteht?

Meiner Meinung nach, entsteht obsessives Verlangen wenn man etwas vermisst oder wenn man auf ein Problem stößt, das einen selber betrifft, und es gelöst werden muss. Wenn man immer mit sich selbst zufrieden ist, kann nur Kunst entstehen, die selbstzufrieden erscheint. In dieser Position hat man nicht das intensive Verlangen seine Gefühle ausdrücken zu müssen. Wäre ich ein ausgeglichener und zufriedener Mensch, würde ich nicht Stunden damit verbringen Musik zu machen und vor allem würde ich mich nicht in diese Sache so hineinsteigern. Nach meinem Empfinden entsteht gute Musik durch innere Zerstörung und Chaos.

Versucht ihr diese Zerstörungswut auf der Bühne auszuleben?

Wir kommen aus der Punk-Szene, dort regieren Hausparties, wo automatisch viel Energie freigesetzt wird.

Habt ihr diese Energie auf die Bühne mitgenommen?

Wir spielen einfach grundsätzlich mit viel Energie und Spannung aber wir wollen nichts erzwingen. Unsere besten Shows sind jene, in denen wir uns selber nicht mehr unter Kontrolle haben. Wobei es sich dann dabei so anfühlt, als ob uns eine höhere Macht führen würde, wie zum Beispiel der Teufel.

Hört ihr eigentlich noch Alternative-Musik?

Ich höre so gut wie keinen Rock mehr, eher afrikanische Musik, Folk, Klassik und Techno. Um ehrlich zu sein, Dance-Punk interessiert mich nicht mehr. Jeder von uns hört andere Musik und hat auch andere Anforderungen an sie.

Eure beiden Alben "Antidotes" und "Total Life Forever" wirken sehr durchdacht und exakt. Beide Alben hinterlassen den Eindruck, dass ihr sehr viel Wert auf Präzision legt. Seid ihr Perfektionisten?

Uns wird sehr schnell langweilig. Deshalb versuchen wir die ganze Zeit an unserer Musik zu arbeiten. Meistens stellt sich heraus, dass das Einfache doch das Beste ist, aber auch das muss sich richtig anfühlen und nahezu perfekt sein. Wir lieben es uns selbst zu überraschen und so kann es durchaus sein, dass sich das nächste Album komplett anders anhören könnte als die bisherigen Alben. Es ist für uns wie ein Abenteuer, ein Experiment und deshalb schreiben wir nicht einfach aus Bequemlichkeit drauflos, sondern versuchen uns auf neue Ebenen zu begeben.

Wie sieht jetzt der Plan für euer nächstes Album aus? Bekommen wir wieder einen neuen Sound zu hören?

Ich weiß es noch nicht, der Gedanke Dinge vorauszuplanen, gefällt mir nicht. Als wir mit der Band am Anfang standen, hatten wir eine genaue Vorstellung was für eine Musik wir machen wollen. Uns hat damals viel beeinflusst, wir hörten Techno, waren aber auch von Post-Rock umgeben. Jeder Song, den wir aufnahmen, hat uns damals in unserer Einstellung bestärkt. Nachdem "Antidotes" in die Plattenläden kam, war für uns klar dass wir das so nicht mehr machen können. Deswegen planen wir nichts mehr voraus.

Euer Coverbild von "Total Life Forever" hat was von Nirvana´s Nevermind. War das Absicht?

Nein eigentlich nicht. Das Foto war nicht einmal für das Cover bestimmt, aber uns gefiel es so gut und deshalb entschieden wir uns es als Coverbild zu nehmen. Außerdem hat es einen symbolischen Wert, dieser unendliche Abgrund auf dem Foto erinnert mich immer an die melancholische Schwere des Albums. Nevermind war hier kein Vorbild, obwohl ich von schon wirklich vielen Leuten drauf angesprochen wurde.

Für ihre Europatour supportet ihr die Red Hot Chili Peppers, ihr seid aber selber schon als Headliner bei Festivals aufgetreten und habt vor ein paar tausend Menschen gespielt. Habt ihr es überhaupt noch nötig als Vorband aufzutreten?

Eigentlich haben wir schon lange keine Bands mehr supportet. Ich glaube die letzte war Bloc Party vor etwa vier Jahren. Aber als die Red Hot Chili Peppers angefragt haben, war für uns klar, dass wir das machen, die Show ist so groß da muss man ja zusagen. Außerdem erreichen wir durch solche Shows Menschen, die wir sonst nicht erreichen würden. Mein Ziel ist es zu so vielen Menschen wie möglich spielen zu können, ich will nicht das Image einer Kultband aufgehalst bekommen.

Hat sich der Altersdurchschnitt eurer Fans in den Jahren verändert?

Ich glaube unser Publikum ist ziemlich durchgemischt, wir ziehen Ältere, Junge aber auch Hip Hopper an. Das haben wir Tracks wie "Miami" zu verdanken. Als wir noch am Anfang standen, hatten wir sicherlich ein sehr junges Publikum, das hängt aber auch damit zusammen, dass wir damals selber noch Jugendliche waren.

Euer Keyboarder Edwin Congreave ist einmal für ein Charity-Event verkleidet als Affe durch London gelaufen. Welches Tier wärst du gerne?

Ich wäre gerne ein Dachs.

Warum ein Dachs?

Ich hab eine Empathie für diese Tiere, außerdem fühle ich mich wie ein Dachs. Ich glaube sogar, dass ich mit ihnen spirituell verbunden bin.

Danke fürs Gespräch.

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