Vor wenigen Wochen erst ist Molly Nilsson von ihrer ersten Tour aus den USA zurück gekehrt. Mit im Gepäck – ihr neues Album "History" – ihrem Vierten mittlerweile.
Wer die junge Schwedin und vor allem ihre Musik kennt, weiß, wie sehr sie es versteht, ruhige, melancholische Synth-Pop-Klänge anzuspielen, die zusammen mit ihrer ungewöhnlichen, tiefen Stimme, ihre Musik sehr wiedererkennbar macht. Eine Symbiose, die stark wirkt und zerbrechlich zugleich. Nilssons Musik wird zuhause und einfach produziert, sie versetzt in einen Traummodus, den man schon von ihrem letzen Album "Follow the Light" kennt.
Selbstverständlich singt Molly Nilsson auch auf ihrer neuen Platte über das Leben, über seinen Sinn und Unsinn, über verpasste Möglichkeiten und noch zu erfüllende Träume, über die Zweisamkeit und Einsamkeit. Aber sogar im Schmerz und der Trennung sieht Nilsson notwendigerweise Sinn. In dieser notwendigen Einsamkeit sieht Molly Nilsson aber die Herausforderung, Entscheidungen zu treffen, aber auch den Mut aufzubringen, diese Entscheidungen zu akzeptieren. Erfreulicherweise klingen die 11 Tracks an keiner Stelle pathetisch oder naiv, sondern sind heroische, fein durchdachte kleine Pophymnen.
Molly Nilsson versteht es den Zuhörer mitzunehmen auf eine Reise in ihre typisch schwermütige Welt, die eine ganz eigene Traurigkeit in sich birgt, weil sie gleichwohl Hoffnung vermittelt. Die Melancholie scheint für die Künstlerin zwar ihr wesentlicher Gemütszustand zu sein, aber nur weil sie aus ihr die nötige Kreativität schöpft und sich durch sie ihr Bewusstsein von der Ehrlichkeit ausdrückt. Doch dieser Schwermut ist nicht schwer, er ist träumerisch und daher leicht. Wer sich durch die Textzeilen liest, der begreift sofort, dass es sich hier keineswegs um eine chronische Melancholikerin handelt, die Todessehnsüchte hegt, sondern um eine sensible Realistin, die Dinge mutig von ihrer Endlichkeit her denkt. Molly Nilsson ist eine selbstbewusste Frau, die kritisch und doch zugleich optimistisch auf die Welt und ihre Menschen blickt, wie in Hiroshima Street, wo wir hören: "Another time, in another life we’ll go back and we’ll make it right".
Poesie und Alltag
Manchmal sind ihre Texte absurd, dabei voller Poesie und kleinen Wahrheiten, wie in der Ballade The Bottles Of Tomorrow: "Life is only short for the ones who loves it, the winners of the game, they eat their healthy food and jog, but they die all the same". Sie allesamt sind Zeugnisse selbsterlebter Geschichten und Beobachtungen des Alltags, den gegenwärtigen Zustand unserer Gesellschaft dabei nie außer Acht gelassen.
In Hotel Home heißt es: "Hotel Home you’re never on your own, all the seeds we’ve sown, all the chances that we’ve blown […] I could have gone the other way, but now I am here and I want to stay". Damit singt sie einer rastlosen Generation aus dem Herzen, die ständig unterwegs ist, die nirgendwo zu Hause scheint, aber sich nach einem Ort des Ankommens sehnt. Es ist diese ständig suchende Generation, die sich zwischen Darstellungszwang und Identitätskrise in den Weiten der Virtualität zu verlieren gelernt hat, deren Sehnsucht nach Anerkennung und Begegnungen außerhalb des Webs zwar präsent ist, aber immer mehr abhanden zu kommen scheinen.
Online ist das echte Leben
Für Molly Nilsson ist dieses virtuelle Leben aber das gegenwärtige, echte, das wahre Leben. Denn online sein, bedeutet nicht mehr eine Flucht, sondern im Jetzt sein. "Online, I never feel alone, I never feel alive […] you can call it what you like, it is Real Life", ertönt es im Refrain ihres Eröffnungssongs "In Real Life". Es bringt nichts, so erfahren wir, die Vergangenheit als Vergleich für eine bessere Zeit heranzuziehen, sondern man muss an der Gegenwart teilnehmen, sich ihr anpassen, mit offenen Augen durch die Welt gehen.
Molly Nilsson ist so jemand, auch wenn ihre Vorbilder vielfach in der Vergangenheit zu suchen sind. Wie etwa der Astronom Johannes Kepler, dem der Song Skybound gewidmet ist. Ein Mann, der für seine Überzeugungen einstand und sich gegen das Establishment des 17. Jahrhunderts ankämpfen musste: "I fought against Minds, but I followed my Heart […).“ Mit Molly Nilsson ist es ähnlich, sie will niemandem gefallen und niemanden einen Gefallen tun.
"History" von Molly Nilsson ist bereits via Dark Skies Association erschienen. Bei Rough Trade war es Album der Woche. Am 26.1. spielt sie im Wiener Morisson.