Deutschlands wichtigstes Techno-Label wird 20 Jahre alt. Zu diesem Anlass haben 20 Platten aus dem Katalog herausgesucht, die wir für gut, wichtig und essentiell halten. Das Ganze ist auch ein Rückblick auf zwei Jahrzehnte Techno.
DJ Koze - Kosi Comes Around (2005)
Am 22. März erscheint das langerwartete neue Album von DJ Koze. Wir haben den Hamburger DJ Koze deshalb gerade hier ein ausführliches Porträt gewidmet. Die neue LP heißt „Amygdala“ und ist großartig. Trotzdem lohnt es sich einen Blick zurück auf Kozes erstes Solo-Album zu werfen, das vielen immer noch als eines der beste Kompakt-Release ever gilt: „Kosi comes around“. Vermutlich niemals zuvor wurden Albernheit, Wahnsinn und gelegentliche Ausflüge in Schranz-Gefilde so stringent in eine House-Verpackung gewickelt. Auf „Kosi comes around“ geben sich immer noch funktionierenden Tanzflächenfüller wie „The Gekloeppel Continues“ oder „Raw“ und scheinbar wild zusammengesampelte Soundexperimente wie „My Grandmotha“ die Klinke in die Hand. Zusammengehalten wird das Ganze von Kozes unbedingtem Willen zu unterhalten. Das kann man sich immer wieder anhören. Und gleichzeitig auf „Amygdala“ freuen.
The Modernist - Explosion (1999)
„Explosion“ war so ziemlich überall Platte des Monats, wo man Platte des Monats zu sein hat(te). Das Album des Kompakt-Mitbegründers Jörg Burger gilt noch heute als der Beginn von Microhouse. The Modernist nahm Chicago, schüttelte es einmal kräftig durch, reduzierte und schaute was übrig blieb. Damit fand er auch jenseits des großen Teichs enorme Beachtung. „Explosion“ groovt noch immer modern vor sich her. Auch wegen Tracks wie "Crown" ein schlüssiger, moderner Klassiker.
Oxia - Domino (2006)
Die B-Seite von „Speicher 34“ ist eine Techno Hymne, wie Techno eben Hymne sein kann. Die Kombination aus groovendem Bass und dem unverwechselbaren, schimmernden und treibenden Thema lässt noch heute Tanzflächen beben. Hebt die Hände in die Luft, Proletentechno vor dem Herrn, sowohl Club- als auch Festivaltauglich. Ballert, ohne dabei peinlich zu sein. Das muss man erstmal schaffen. Kompakt tut es – selten so gut wie hier.
Michael Mayer - Immer (2002)
„Immer“ ist eine Mix-CD von Michael Mayer, deren Bedeutung - wie so oft – beim Erscheinen gar nicht mal so klar war. Heute gilt sie als Klassiker am Übergang zwischen der sterbenden Rave- und der aufkommenden Minimal-Techno-Kultur. Als der „Rolling Stone“ im letzten Jahr die 30 wichtigsten EDM-Alben aller Zeiten wählte, landete „Immer“ auf Platz 18. Stefan Niederwieser hat die Platte in seiner „Lost in Music“-Kolumne bereits behandelt. Er hat das Wort: Im Kontinuum von Techno hat Minimal eine lange und verworrene Geschichte. Und kaum ein Ort ist so eng damit verwoben wie Köln. Häufig wird seine Entstehung zwar mit Robert Hoods 1994er-Detroit-Album "Minimal Nation“ verknüpft, doch auch in Köln legen dafür Dr. Walker und vor allem Mike Ink zeitgleich wichtige Grundlagen. Nur wenig später ist bereits von einem nebulösen „Sound Of Cologne“ die Rede. In der allgemeinen Begriffsverwirrung hängt sich 1997 das neu gegründete Label „Kompakt“ anfangs noch bereitwillig die Minimal-Glocke um. Da schwächelt das vom Musiksender Viva propagierte Megarave-Deutschland bereits. Währenddessen nehmen Magazine wie De:Bug und Spex stattdessen die Ränder elektronischer Musik, wie Clicks’n’Cuts und Glitch-Musik, auf ihr Radar. In diesem Umfeld etabliert sich die gleichzeitig avantgardistische und tanzbare Sound-Palette von Kompakt. Mit genau dieser mischt Co-Gründer Michael Mayer seit 1998 das Publikum im legendären „Studio 672“ warm. „Immer“ kommt (direkter als Mayers gefeierter „Fabric 13“-Mix) aus dem Club. Entgegen dem seriösen Purismus anderer Techno-Labels sucht Mayer eine persönliche Note. Er bringt Genres unter dem Vorzeichen von reduziertem Techno zusammen und lässt auch Pop-Themen in seinen Mixes zu. Abgesehen davon, dass Mayer virtuos mit Dynamiken und Stimmungen spielt, nützt „Immer“ außerdem eine Einzigartigkeit von Mixtapes – nämlich in der Zeit die Facetten einer Welt aufzuspannen. Erst im Prozess des Mischens verbinden sich Samples und Einflüsse zu einem neuen Ganzen. Hier auf „Immer“ definiert und markiert Mayer einen Punkt, von dem aus Köln mit seinem Aushängeschild Kompakt (als Vertrieb und Label) in den kommenden Jahren so dominierend wird, dass kurzzeitig sogar T-Shirts mit dem Slogan „Minimal kills Music“ in Umlauf sind. 2002 ist noch das Jahr der kurzlebigen Blüte von Electroclash. Über diesen Umweg schleichen sich ganz allgemein wieder klassische Rockstrukturen in den Dance-Kosmos ein. Diese generelle Verschiebung kommt wiederum dem undogmatischen Stil von Michael Mayer, wie auch Kompakt entgegen. Angeblich brauchte Techno für seine Entwicklung die post-industriellen Krisenlandschaften von Städten wie Detroit, Manchester oder Düsseldorf. Köln dagegen liegt höchstens am Rand des grauen Ruhrpotts und besitzt stattdessen eine lange Tradition im Bereich elektronischer Musik, aber auch in Kunst und Medien. Dort kann sich das familiäre Unternehmen Kompakt prächtig entfalten. „Immer“ ist dabei als eine der herausragendsten Kölner Veröffentlichungen zugleich ein Abgesang auf hedonistischen Teutonen-Techno, wie auch auf die mit postmoderner Theorie überladene Soundexperimente der Neunziger. „Immer“ bildet, positiv gewendet, aber auch den originären Spannungsbogen für den Neustart von Minimal in den Nuller Jahren - hier noch in einer überragend arrangierten Sammlung von Grooves, Mikrogenres und Möglichkeiten."
Ada - Adaptions #1 (2009)
Techno ist immer noch ein Männergeschäft. „Zipfeltreffen“ nannte die Wienerin Fauna es in einem Interview mit uns treffend. Die in Köln ansässige Djane Ada ist eine begnadete Remix-Künstlerin und hat sich in diesem Testosteron-getränkten Umfeld schon früh völlig etabliert. So sehr, dass man sich schämt das Album über die Problemecke "Frauen im Techno" vorzustellen. Philipp L'Heritier hat hier einmal anhand ihres Remix-Mixtapes „Adaptions #1“ beschrieben, warum die sonst auf Areal releasende Ada zum Kern der deutschen Technolandschaft gehört.
Thomas Fehlmann - Honigpumpe (2007)
„Eine Platte wie das Werk von Joseph Beuys. Der hat in den 70er Jahren auf der Documenta in Kassel seine dortige Installation „Honigpumpe am Arbeitsplatz“ genannt. Die hat sich über mehrere Räume verteilt und 150kg kalt geschleuderten Honig durch ein umlaufendes Schlauchsystem gepumpt und gleichzeitig 100 kg Margarine streichfähig gerührt. Thomas Fehlmann hat jetzt Jahre später seine harmonisch strahlenden Impressionen in positiv nährende Beats gestopft. Lecker, und zum Glück hat er die ranzige Butter weggelassen.“ So sprach Stefan Häckel, heute Herausgeber von unseren Freunden vom VICE-Magazin, im Jahr 2007 über Fehlmanns „Honigpumpe“. Das klingt vielleicht nach einer etwas bemühten Analogie, ist aber im Kern völlig richtig: Das ehemalige Palais Schaumburg-Mitglied Fehlmann nimmt den Hörer mit eine Reise durch die Geschichte der elektronischen Musik, pickt sich hier und da etwas vom Wegesrand auf, um letztlich trotzdem ein Album aus einem Guss abzuliefern. Ein Album auf dem alles fließt. Panta rhei. Außerdem zu erwähnen: „Soziale Wärme“ ist wirklich ein top Tracktitel.
Pop Ambient 2009 (2009)
„Pop Ambient“ ist eine Serie, die seit 2001 jährlich von Wolfgang Voigt zusammengestellt wird und im Ambient-Bereich zu Recht als Nonplusultra gilt. Warum diese Klangkunst so fantastisch ist, haben wir anlässlich der „Pop Ambient 2009“ schon einmal geschrieben. Hier kann man das nachlesen.
Closer Musik - Maria (2002)
Closer Musik war ein Kurzzeitprojekt von Matias Aguayo und Dirk Leyers, die zwischen 2000 und 2003 unter diesem Namen eine Handvoll Tracks veröffentlichte. Und sich damit bis heute in die Herzen und Plattenkisten von Musikliebhabern und DJs spielten. Vor allem „Maria“, eigentlich eine B-Seite zu „You Don't Know Me“ , kommt mit einer fast atemberaubend gefühlvolle Melodie, ohne dabei den Techno-Pfad zu verlassen. Closer Musik ist träumerisch, fast romantisch. Ist poppig, ohne Pop zu sein. Dazu darf man auch zehn Jahre später noch ungestraft schwelgen.
Robag Wruhme - Wuppdeckmischmampflow (2011)
Johannes Laminat nannte Robert Wruhmes DJ-Mix „das neue 'Immer'“ – ziemlich schwere Geschütze, die der Kollege da auffuhr. Warum man sich dem anschließen sollte, kann man hier nachlesen.
10 Gas zauberberg cover
Schwierig. „Zauberberg“ ist das zweite von insgesamt vier Alben, die Wolfgang Voigt unter dem Pseudonym Gas veröffentlichte. Es ist eine gute Platte. Sie fühlt sich an wie ein Spaziergang im Morgennebel. „Zauberberg“ ist durch und durch langsam und geprägt vom minimalistischen und sphärischen Ambient-Sound, der in Voigts gesammeltem Werk immer wieder auftaucht und auch viele seiner zahlreichen späteren Projekten prägt. So weit, so gut. Allerdings beinhaltete der Begleittext zu „Zauberberg“ und die begleitenden Interview eine Menge provokanter Formulierungen. Das Wort „deutsch“ kam ein bisschen zu häufig vor. Und dann basierten die Stücke auch noch auf (eigentlich kaum hörbaren) Soundschnipseln von Wagner und Mahler und waren nach einem Thomas Mann-Roman benannt. Plötzlich war das Stirnrunzeln dann da: Ein Projekt namens Gas, dass sich betont deutsch gibt. Wolfgang Voigt stand schnell im Ruf, die Leni Riefenstahl unter den deutschen Produzenten zu sein. Das war relativ schädlich, denn Techno möchte normalerweise ungern national sein – deutschnational schon gar nicht. Es gab aber auch durchaus andere Meinungen. Dieter Wiene hat in der Zeit einmal sehr schlüssig dargelegt, warum es bei „Zauberberg“ eigentlich um Voigts Verarbeitung seiner Kindheit ging. Und warum das Album einen Einschnitt in seiner Arbeitsweise darstellte. Weg von den direkten Zitaten, mehr zu einer Verarbeitung des Unbewussten. Kann man unter dem Link nachlesen, falls es interessiert. Zusätzlich darf man auch Voigts Neigung zum Gigantismus nicht völlig vergessen, der sich in Projekte wie der „Rückverzauberung“ äußert. Für ihn wäre es zu wenig, einfach eine Platte über den Wald zu machen. Da nimmt er sich lieber vor, genuin deutsche Popmusik zu erschaffen. Am besten hört man sich das Album einfach an. Ja, „Zauberberg“ bleibt eine sehr deutsche Platte. Sehr eskapistisch, zwischen schläfrig und größenwahnsinnig taumelnd. Sie in eine Glatzenecke zu stellen, wird ihr aber nicht gerecht.
Tocotronic Remixe (1999/2005)
Anders als Dirk von Lotzows Nebenprojekt Phantom/Ghost sind Tocotronic-Songs wegen ihrer Sperrigkeit eigentlich kein leichtes Remix-Material. Und doch wird es oft getan. Eher knarzige Soundtüftler wie Console oder DJ Rabauke hüllten die wichtigste Band der Hamburger Schule in schräge 8bit-Sounds. Nur Kompakt gehört allerdings der Verdienst, Tocotronic Dancefloor-tauglich gemacht zu haben. Vor allem beim fast legendären „Jackpot“-Remix zeigt sich schnell, warum er auf Tanzflächen auf der ganzen Welt geliebt wird: Weil er von Lotzows Worte die Bedeutung nimmt und sie als das behandelt, was sie sind: Sprache. Und damit Töne. Die Remixe spielen mit der Sperrigkeit und stellen ihnen eingängige Sound gegenüber. Eine Hymne auf die deutsche Sprache. Eine Sprache, die erst durch Ungetüme wie „Öffentlicher Personennahverkehr“ ihre Schönheit entfaltet.
The Field - From Here We Go Sublime (2007)
So ganz wird man wahrscheinlich nie sagen können, warum Deep House in der zweiten Hälfte der Nullerjahre langsam Minimal den Rang als bestimmender Sound der Tanzflächen abzulaufen begann. Was man aber mit Bestimmtheit sagen kann: An Axel Millner lag es nicht. Der Schwede veröffentlichte unter seinem Alias The Field 2007 mit „From Here We Go Sublime“ das vielleicht kompletteste Album der Kompakt-Geschichte. Das Dreiergespann „Over The Ice“, „Everyday“ und „The Little Hearts Beat So Fast“ waren unauffällig glänzende Hymnen. Perfekte Statements, irgendwo zwischen Minimal und Microhouse. In den USA wurde das Album geradezu stürmisch aufgenommen. Es war die bestbewerteste Platte des Jahres 2007 auf metacritic.com. Ohne sie wäre Kompakt heute jenseits des großen Teichs nicht dort wo es ist.
Kölsch - Loreley (2010)
Der Track, der quasi DER Hit des ausgehenden 2010er- und eigentlich des gesamten 2011er-Jahres werden würde, beginnt mit einer relativ stumpfen, präsenten Techno-Bassdrum. Und wird dann immer mehr zu einem Acid-durchtränkten Club-Monster. Das Orgel-artige macht eine durchgehende Steigerung durch, bis es fast ins Unangenehme geht. Ein Ungetüm, das an Superpitchers „Irre“ erinnert und einen - v.a. auf guten Anlagen - immer wieder aufs neue wegbläst. Funktioniert im schwitzigen Morisson Club wie auf Ibiza.
Voigt & Voigt (2003)
Wolfgang und Bernhard Voigt – Das Brüderpaar prägte vor allem die Anfangszeit der „Speicher“-Reihe (seit 2001). Irgendwann flachte die Zusammenarbeit ein wenig ab, und die Doppelversion des Voigt-Names tauchte nur noch sporadisch auf. Hört man in ihre alten Tracks rein, fragt man sich wieder einmal warum Kompakt immer nur auf Minimal reduziert wurde. „Speicher 10“ beispielsweise zeigt eine Seite der Voigts, die man über ihre mittlerweile Feuilleton-tauglichen Zeitlupen-Projekte gerne vergisst: Vor allem Wolfgang kommt eigentlich aus dem Trance- und Acid-Bereich. „Vision 04“ und „Was Du Willst“ sind staubtrockene Kanonen, viel mehr für die Prime Time als für die After Hour gemacht. Ein guter Grund, auch nochmal an Voigts Verdienste außerhalb des „Sound of Cologne“ zu erinnern.
Supermayer - Save The World (2007)
Bezüglich dem gemeinsamen Projekt der Kompakt-Schwergewichte Superpitcher und Michael Mayer schließen wir uns unserem mittlerweile eingestellten Schwestermagazin TBA, das zu Veröffentlichung von „Save The World“ folgendes zu sagen hatte, vollinhaltich an: „Was haben wir darauf gewartet. Nicht bewusst natürlich, schließlich konnte niemand ahnen, dass einem Supermayer den Herbst gleich mit einem Longplayer versüßen würden. Angesichts der poppigen Seitenstraße, in die Michael Mayer und sein Partner Superpitcher mit den jüngsten Remix-Arbeiten ihres gemeinsamen Projekts eingebogen sind, scheint es jedoch nur schlüssig, dass nun ein ganzes Album folgt. Mit Disco-Referenzen gespickt und durch Gitarren, Bläser und Streicher bereichert, erschaffen Mayer und Superpitcher, zwischen verspielten Songs und moderaten Dancetracks changierend, dabei einen Stern, der im Kosmos ihres Labels Kompakt so hell leuchtet wie noch keiner zuvor.“ – Philip L'Heritier
Justus Köhncke - Was Ist Musik (2002)
Der Beginn der Nullerjahre war keine einfache Zeit für deutschsprachige Musik. Es war vor Audiolith, vor Wir Sind Helden, vor Tomte. „Posen“ war auch schon wieder fünf Jahre her, und ob Tocotronic nach „K.O.O.K“ nochmal etwas nachlegen konnten war auch fraglich. Das sollte sich im Jahr 2002 ein wenig ändern. Mia erzielten mit einem – zugegeben nervig-rotzigen – Elektroclash erste Erfolge. Im hohen Norden formierte sich die Mediengruppe Telekommander. Und Justus Köhncke veröffentlichte ein wunderbares Album, das Schlager und Techno völlig unpeinlich versöhnte. Und anders als Alexander Marcus brauchte er dafür nicht mal Ironie. Dass Köhncke auch DJ ist hört man der Platte an. Aber auch wenn sich durchaus relativ konventionelle Nummer wie das Deep House-Stück „2 After 909“ auf dem Album finden, sind es doch vor allem zwei Nummern, die ewig Bestand haben: der Titeltrack und der Remake von Jürgen Paapes „So weit wie noch nie“. Der Song schafft es übrigens, quasi zeitgleich After Hours zu eröffnen und als Rausschmeißer in Indie-Schuppen zu dienen.
Matias Aguayo - Ay Ay Ay (2009)
Die zweite Langspielplatte von Matias Aguayo wurde allgemein ein Stück besser aufgenommen als sein Debüt und hat sich den Platz in dieser Liste definitiv verdient. The Gap-Autor Max Zeller teilte diese Meinung bei uns allerdings nicht ganz. Obwohl "seine 2008er-Pop-Hymne 'Minimal' wie ein Sturm über die Tanzflächen" kam, hätte er lieber auf das nächste Rennen dieses Gauls gesetzt. Warum genau, kann man hier nachlesen.
Superpitcher - Heroine (2002)
Superpitcher arbeitete als Mitarbeiter in der Kompakt-Distribution, bevor er professioneller DJ wurde. Das ist eine schöne, aber eher unwichtige Geschichte. Wichtiger ist sein Output. Die Single „Heroine“ bot 2001 das, was Menschen heute zu Recht an Bands wie Elektro Guzzi feiern. Es war analoger Live-Techno. Bass und Drumset klangen eher nach Liveband denn nach DJ-Pult. „Heroine“ ist mehr Song als Track und wurde begeistert aufgenommen. Er nahm der „Stil vor Talent“-Sound vorweg. Hoffentlich hat ihm Oliver Koletzki mal einen Geschenkkorb geschickt.
Gui Boratto - Chromophobia (2007)
„Gui Boratto sorgte mit seinem ersten Longplayer „Chromophobia“ auf dem für elektronisch-minimalistische Popmusik bekannten Label Kompakt für Furore und avancierte zum DJ/Produzenten-Superstar. Er prägte mit diesem Album den Begriff Neo-Trance-Pop wie kein Zweiter und das aus gutem Grund. War er doch der Erste, der in dieser Ausprägung Technotracks mit der ganz großen Pop-Geste anreicherte und auch vor 80er-Hit-Patterns nicht zurückschreckte. Diese unübliche Gelassenheit mit Zitaten und Strukturen zu spielen und dabei melodische und harmonische Treffsicherheit zu beweisen, wurde allerorts mit Zuspruch, hohen Verkaufszahlen und Chartplatzierungen belohnt.“ – Max Zeller.
Anspieltipp: Der Titeltrack.
Joachim Spieth - Under Pressure
Das erste Release des Stuttgarters Joachim Spieth gehörte zu den ersten Nummern, die auf dem relativ jungen Label Kompakt erschienen. Vier bzw. fünf Jahre später folgten dann zwei Beiträge für die „Speicher“-Serie, Ausgabe acht und 15. Der Unterschied ist gravierend: „Abi 99“ ist deutlich housy und relativ deep. „Use Case“ und „Under Pressure“ hingegen sind reine Techno-Bretter, die v.a. gut mit den frühen Releases von Voigt&Voigt harmonieren. Achtung: This is not Minimal.
Am 1. März 1993 gründeten Wolfgang Voigt, Reinhard Voigt, Jörg Burger und Jürgen Paape in der Kölner Werderstraße den Plattenladen Delirium. Daneben betrieb vor allem Wolfgang Voigt mehrere kleinere Plattenlabels. Profan ist der bekannteste Name von ihnen. 1998 wurde der Plattenladen in Kompakt umbenannt, das gleichnamige Label gegründet und einige kleine Sublabels unter seinem Dach vereint. In den darauffolgenden Jahren stieg es zu einem der wichtigsten Bezugspunkte der deutschen und europäischen Techno-Szene auf. Und auch wenn heute andere nachgezogen haben, ist der Output des Labels teilweise immer noch ein Wahnsinn.
Vor allem Musikjournalisten und PR-Leute sind immer schnell mit Etiketten. Es ist im Grunde egal, ob es „Sound Of Cologne“ nun wirklich gab. Genauso wie es wurscht ist, ob Affine Records jetzt der „Sound Of Vienna“ ist. Insgesamt kann die Bedeutung von Kompakt gar nicht hoch genug einschätzen. Es war immer ungerecht, das Label auf Minimal-Techno zu beschränken. Trotzdem prägten gerade die Kompakt-Releases aus diesem Bereich die Tanzflächen vor allem in erste Hälfte der Nullerjahre.
Unsere Auswahl
Die Redaktion hat sich zusammengesetzt (Jonas Vogt, Stefan Niederwieser, Johannes Piller aka Laminat, Max Zeller aka Moogle), um aus den 20 Jahren Kompakt 20 Platten herauszusuchen, die wir für gut, relevant und/oder essentiell halten. Darunter sind Alben, 12“, Mixtapes und einzelne Tracks. Natürlich mit den üblichen Schwächen solcher Listen: man kann es nicht allen recht machen. Anderen wird mindestens eine Platte fehlen, manchen die gebotenen Breite, manchen die Tiefe. Subjektiv ist es sowieso. Man kann es als ein Angebot betrachten. Auf unser Liste standen zuerst sicher um die 60 Platten. Und sie hätten es sich alle verdient gehabt.
Welche fehlen? Und warum?