Was haben Conchita Wurst und Andreas Gabalier gemeinsam? Politische Polarisierung. Stefan Sonntagbauer hat eine kleine Streifschrift dazu verfasst.
Daneben lässt sich in der Politisierung des Pop sicher auch die logische Konsequenz der zunehmenden Boulevardisierung der Politik sehen. So finden heute Politiker, allen voran frappanterweise der ewiggestrige H.C., medial bekanntlich nur mehr so richtig statt, wenn sie entweder in der Disko wieder einmal jemanden kennengelernt („Dieses Mal ist es die Richtige!“) oder wieder einmal irgendetwas Dummes gesagt oder getan haben (Drei Bier bestellen, mit Freunden im Wald spielen etc.). Gerade so machen sie dann auch den herkömmlichen Pop-Acts ihren Platz streitig. Der musikalische Mainstream reagiert, indem er jetzt umgekehrt mit der Debatte zu den verschiedensten gesellschaftspolitischen Fragen das eigentliche Hoheitsgebiet der Politik kolonisiert. Im Kampf um Aufmerksamkeit zapfen damit gewissermaßen beide Seiten die Ressourcen der jeweils anderen an.
Mit einer solchen Einspannung des Politischen durch die neuen Stars geht nun aber auch zwingend dessen Aushöhlung einher. Die einzelnen Positionen beziehen hier ihre Vitalität keineswegs mehr aus einem festen Kern aus Anschauungen und Werten, sondern kreisen um eine substantielle Leere, während ihre Richtigkeit künftig allein an der erzielten Außenwirkung festgemacht wird.
Immer flexibel bleiben
Das zeigt sich vor allem an der inhaltlichen Flexibilität mit der man jeweils auf mediales Feedback reagiert. Conchita Wurst erklärte beispielsweise einst Robert Kratky sinngemäß, sie sei auch jenen, die sie auf Facebook mit dem Tode bedrohen überhaupt und gar nicht böse, weil ja in einer offenen Gesellschaft ein jeder Mensch ein Recht auf seine eigene Meinung haben muss. Damit gab sich die Diva freilich erstmals hinlänglich als Milchmädchen im Designerfummel zu verstehen.
Im Sinne von Freuds genialer Wendung zum Skeptizismus, der sich gerade da selbst auslöscht, wo er sich zu totalisieren beginnt, muss man hier einwenden, dass auch Toleranz und Freiheit nur in dialektischer Selbstbegrenzung überhaupt erst entstehen können. Es verhält sich also keineswegs so, wie uns der herzhaft-fein wurstige Songcontest-Slogan weismachen wollte, dass Freiheit da wächst, wo Regeln brechen. Ganz im Gegenteil kann Freiheit nur da entstehen, wo sie von gewissen Regeln gleichsam beschränkt wird. Conchita Wursts unbedingte Positivität allem und jedem gegenüber manifestiert also viel weniger den Willen, für mehr Toleranz und Freiheit einzutreten, als vielmehr die Angst davor, irgendwo anzuecken.
Eine noch eindeutigere Sprache spricht in diesem Punkt ihr beharrliches Schweigen zu Themen von wirklicher Brisanz. In der aktuellen Asyldebatte beispielweise hätte sie ihrem berühmten Kalauer „We are unstoppable“ gut und gerne nachträglich ein wenig Kontur geben können, um ihn so endlich doch noch aus den Niederungen der Werbeslogans zu retten. Auch H.C. Straches reichlich zerknirschte Gratulationen zum Songcontest hätte sie nach dessen latent homophoben Gebrabbel im Vorfeld zumindest zurückweisen müssen, wäre ihr tatsächlich daran gelegen, in ihrer vermeintlichen Sache Position zu beziehen.
Auch Gabalier ist daneben allezeit bereit, seinen Standpunkt zu verlassen, wo die gewünschte Wirkung ausbleibt. Zu beobachten war das zuletzt, als er nach dem Release des Videos Mountain-Man, in dem er als Held in da Lederhosn einer prallen Busenlilli von da Oim dabei hilft, in ihrer Opferrolle zu verharren, mit dem Vorwurf des Sexismus konfrontiert wurde. Sofort relativierte Gabalier, das alles sei natürlich bloß ironisch gemeint gewesen. Gerade in diesem Fall machte sich die blaue Schule im Sinne eines ständigen Hin und Her zwischen Provokation und Relativierung eindrücklich bemerkbar. Im Zweifelsfall ist ja auch bei Strache und seinen lustigen Freunden immer alles gar nicht so gemeint, wie es zuvor gesagt wurde. Diejenigen, die zu ihren Entgleisungen stehen, werden dagegen immer öfter jener Partei verwiesen, deren eigentliche weltanschauliche Substanz sie perfekt manifestieren.