Queeres Finale – Waves Vienna 2025, Tag vier

Waves Vienna 2025 ist vorbei. Wer es verpasst hat oder reminiszieren möchte, kann Highlights aus allen drei Tagen bei uns nachlesen. Hier Blitzlichter vom letzten Tag.

© Hannah Tögel

Karl Kave & Durian

Schweiz | Coco

Karl Kave & Durian (Bild: Anastasiia Yakovenko)

»Nimm dir eine Nase trink an der Oase« mit dieser Line (haha) eröffnet Andrin Uetz sein Set. »Ich bin der Durian, der Kave ist heute nicht da, weil der hat einen Job«, erklärt der Schweizer. Das Duo Karl Kave & Durian macht Neue Neue Deutsche Welle. Mechanische Wave-Beats treffen auf äußerst tanzbare Dance-Elemente. Ihr Hauptmerkmal: poetischer und humorvoller Sprechgesang. Sehnsüchte nach weißem Spritzer, Sardinenbrötchen und Mocca, genauso wie Reflexionen über die eigenen Schweizer Privilegien werden da besungen – Selbstironie großgeschrieben. Mit Parolen wie »Aus dem Patriarchat mach Gurkensalat« bringt mich der Auftritt mehrfach zum Schmunzeln. Mein Highlight des Samstags. (sh)


Cawatana

Ungarn | Rhiz

Für meinen nächsten Slot ziehe ich ins Rhiz – und mit mir wohl sämtliche Gruftis des Abends. Denn Cawatana präsentieren Darkwave vom Feinsten. Repetitive, kalte Synthmelodien versetzen den Raum in ein tranceartiges Wippen. Das Trio steht dabei fast statisch auf der Bühne, der Sänger trägt Sonnenbrille und spricht roboterhaft ins Mikrofon. Ich versuche, den sich mir unangenehm im Mund ausbreitenden Geschmack – wohl eine Nebenwirkung der Nebelmaschine, kennt das noch jemand von euch? – mithilfe der hier überall verteilten Casali-Rumkugeln zu vertreiben. Während es draußen zu regnen und stürmen beginnt, gibt es wohl wenig Besseres, als sich im Rhiz dieser düsteren Musik hinzugeben. (sh)


Magdalena Wawra

Österreich | The Loft Main Floor

Magdalena Wawra (Bild: Klaus Zwinger)

Obwohl im entsprechend betitelten Song behauptet wird »Neongrün & Rosarot waren eh nie unsere Farben«, lässt die Musik der österreichischen Newcomerin Magdalena Wawra vor allem diese Kombination als kolorisierte Assoziation zu: zuckersüßer Sehnsuchtspop mit ein paar wenigen retrophilen Anleihen an die Achtzigerjahre. Bisherige Featuregäste wie Marlo Grosshardt oder David Gramberg sind gleichzeitig musikalische Referenzpunkte. Denk an radiotauglichen, oversharey, aber noch bisschen edgy »Deutschpoetenpop«, der sowohl beim Hin- als auch Heimfahren gut ins Ohr geht, etwas für verträumte Blicke von Stadtbahnbögen auf nieselnde Straßen. Im Main Floor von The Loft, wo Wawra mit Band spielt, ist es zwar recht trocken, aber zumindest ein paar Augen und Herzen rinnen: Das nimmt schon mit! (do)


Ängel (SE)

Schweden | Loop

Ängel (Bild: Hannah Tögel)

Normalerweise picke ich mir ja immer möglichst queere Acts aus dem Waves-Vienna-Line-up heraus. Call me biased. Dieses Jahr waren sie bislang in meinem persönlichen Timetable aber eher rar gesät. Das ändert sich am letzten Tag aufgrund von gleich drei Engeln. Zwei davon sind aus Schweden und im Loop zu Gast. Bereits während ich mich etwas verspätet endlich in die Venue quetsche (ich kann der gestrigen Kritik des Kollegen Oswald nur voll zustimmen) beginnt der von Ängel entzündete Funke überzuspringen. Ist auch nicht schwer, wenn der ganze Raum bereits am Tanzen ist und die spärlich in Drag bekleideten Performer*innen mindestens ebenso viel Spaß zu haben scheinen wie das Publikum. Als Rave-Rock bezeichnen sie selbst ihr Genre und das ist eigentlich schon recht sprechend. Stampfende Beats, darauf rockige Riffs und Lyrics, die von »girls with cocks, boys with cunts, chicks with dicks, blokes with tits« handeln. Sogar ein deutschsprachiger Song ist dabei, standesgemäß natürlich sehr industrial. Dessen Refrainfrage »Kunst oder Liebe?« kann ich nur beantworten mit: Bitte beides! Und bitte so! (bf)


Denevér

Ungarn | Kramladen

Denevér – ausgesprochen wie Denver, nur mit einem zusätzlichen E in der Mitte – liefern mit nachhallenden Gitarren und gerufenen Vocals eine düstere Klangkulisse, die mich an eine schnelle Verfolgungsjagd erinnert. Die Lichter tasten sich wie suchende Augen durch den Raum, während das Duo aus Ungarn und Chile mit Drum Machine und harschem, rauschendem Gitarrensound ein treibendes Set entfesselt. Als sie zum Schluss doch noch eine Zugabe spielen – »We never do!« – tanzen alle. Der komplett volle Kramladen ist dabei fest in der Hand jener Nerds, die wir in unserer Showcase-Typologie schon vorangekündigt haben. (sh)


Joe & The Shitboys

Färöer | Café Carina

Joe & The Shitboys (Bild: Alexander Galler)

Es gibt Buzzwords in Promotexten, die Augen zum Strahlen und Bewegungsapparate zum Gehen bringen: Queer, vegan, Shitpunk und Färöer-Inseln – wer da nicht den Weg ins sehr coole Café Carina findet, hat weder Punk noch Niederlagen fürs österreichische Nationalteam je geliebt. Das Potenzial für einen klaren Win hat der krachende Dreier Joe & The Shitboys definitiv. Ein wunderbarer Abriss, wie auch bei den anderen Färöern Aggrasoppar – there must be something in the water (oder es ist das Quecksilber im Essen, trotz dem »vegan«, apropos: »If you believe in eating meat / start with your dog«). Es ist wahnsinnig raw, die Botschaften sind simpel, es ist laut, es ist schnell (in 45 Minuten gehen sich einige Songs aus), genauso kurz unser Resümee: Es ist super! (do)


Antonia XM

Österreich | Coco

Antonia XM (Bild: Anastasiia Yakovenko)

Ja, die 45 Minuten für einen Showcase-Slot wollen gut genutzt werden. Das hat sich wohl auch Antonia XM gedacht und spielt nahtlos eine Nummer nach der anderen, da bleibt kaum Zeit für den verdienten Applaus. Antonia ist unter anderem als eine Hälfte von Ashida Park bekannt, dem Label, das hierzulande schon seit einigen Jahren Sounds zwischen Electronic und Pop eine Heimat bietet. »Hyperpop« ist ja mittlerweile ein schon etwas ausgelutschter Trendbegriff, Antonia XM zeigt aber in überraschender Vielfalt – siehe gute Zeiteinteilung – dass da nach wie vor noch Geschmack im Kern vom Lollipop ist. Shout-out auch zu Kenji Araki, der punktuell am Bass unterstützt. Und zum unerwarteten Akustikgitarrentrack, der bitterschön beklagt warum wir gerade die Welt zugrunde richten. (bf)


Ængl

Österreich | Lucia

Ængl (Bild: Hannah Tögel)

Manchmal muss man bis zum Schluss auf das Highlight warten. Das Set von Ængl war wohl von so einigen vorgemerkt, entsprechend lang ist die Schlange im und vor dem Lucia. Irgendwo dürfte es wohl ein Kommunikationsproblem gegeben haben, denn die Show startet mit fünfzehnminütiger Verspätung und dauert nur dreißig Minuten. Viel zu kurz, brennt dafür umso heißer. Der Start ist gleich fliegend, denn schon als die Türen sich endlich öffnen, dringen der wartenden Menge treibende Beats entgegen und die ersten Reihen tanzen schon, während der Großteil noch hereindrängt. Zum Glück ist viel Platz im Lucia und der wird auch ausgiebig zum Tanzen genutzt. Von der ersten bis zur letzten Reihe bleibt hier kein Fuß still, keine Hüfte ungeschwungen. Ængl singt und rappt mit souveräner Attitude für die Wiener Dolls und gegen eine österreichische Musikszene, in der es Schwarze und trans Menschen immer noch härter haben gesehen zu werden. Gegen Ende wird es dann etwas ruhiger, down und sticky, als Ængl jene Balance besingt, nach der sie gerade zu Suchen scheint. Es soll ein Vorgeschmack auf Dinge sein, die noch folgen werden. Wir harren ihrer. (bf)

Das Waves Vienna 2025 fand von 1. bis 4. Oktober 2025 in diversen Wiener Gürtellokalen statt. Hier finden sich die Berichte von Tag zwei und Tag drei.

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