Hinter gut bedienbarem User Interface einer App liegt mehr als eine Idee. Was sagt ein Usability-Experte über die Trends im nutzerfreundlichen Design? Und wie sieht eine glückliche App-Partnerschaft zwischen zwei Agenturen aus? Hast du mit deinem Kunden ein erfolgreiches Projekt umgesetzt? Die Kreativwirtschaft Austria sucht Storys rund um den Kreativwirtschafteffekt im Rahmen des Wettbewerbs Kreativwirtschaftsgeschichte 2017.
Der Burger – vielen auch bekannt als mathematisches Zeichen für „identisch“ – war lange Freund und Helfer von Web- und App-Designern. Seinen Ursprung als grafisches Element haben die drei Striche wohl in der Benutzeroberfläche des Xerox Star aus dem Jahre 1981. Ikonisch deutet das Hamburger-Menü an, dass sich hier noch weitere Funktionen und Kategorien verbergen und spart so viel Platz, was vor allem auf mobilen Endgeräten von Vorteil ist. Mittlerweile rät man aber, dem User den Mehraufwand eines weiteren Klicks zu ersparen. „Es ist klar zu erkennen, dass umfangreiche und komplexe Menüführungen ausgedient haben. So gab es, beziehungsweise gibt es zum geringen Teil immer noch, Dashboard- und Burger-Menüführungen, die dem User eine große Auswahl an Features bieten. Immer wichtiger wird, den Fokus auf sehr wenige und wesentliche Funktionalitäten zu lenken“, sagt Stefan Ortmair, CEO von Dotsandlines. Aus diesem Grund wandere die Menüführung in Apps an den unteren Rand des Bildschirms in die so genannte Tabs, Bottom-Navigation-Bar oder man orientiere sich an Floating-Elementen.
„Dots“ steht bei Ortmairs Design Studio für User Interfaces, die höchstmögliche Usability bieten. Doch wie wird diese heute, quasi im Zeitalter post Burgermenü, definiert? „Ein klarer Trend geht in Richtung Conversational Interface, um User gezielt und kontextbasiert anzusprechen. Man verleiht mobilen Lösungen damit die Charakteristik einer persönlichen Schnittstelle zu Services und Produkten. Sieht man sich die meist genutzten Apps in den Stores an, so liegen weltweit Konversations-Apps wie WeChat, Whatsapp, Facebook Messenger und Co. an der Spitze. User sind Konversations-basierte Interfaces also gewohnt“, erklärt Ortmair. Im Gespräch fühlen wir uns wohl und am liebsten nutzen wir Dienstleistungen im Dialog, auch wenn sie in Form einer App kommen. Zudem würden Big Player wie Apple und Amazon die Entwicklung im Digitalbereich hin zu direkter Kommunikation mit virtuellen Assistenten antreiben – simuliertes Face-To-Face.
Alles für den User und trotzdem kreativ?
Dabei machen vermeintliche Glaubensfragen wie Scrollen oder Swipen gar nicht so viel Unterschied, solange man sich intuitiv verstanden fühlt, meint Stefan Ortmair: „Beide Gestures zählen jedenfalls auf User-Seite zu den intuitivsten Bedienmöglichkeiten, die man fast automatisch durchführt, hat sich eine App erstmals geöffnet“. Usability heißt, man gibt dem Nutzer das, was er will. Wie kann man sich da noch kreativ ausleben? „Die Kunst liegt darin, zudem das gewisse Extra für seine eigene mobile Lösung zu finden. Dies lässt sich beispielsweise mit Micro-Animations, die zusätzlich für die Usability relevante Elemente unterstreichen, auf kreative Weise lösen“, findet Ortmair.
Große Vision vs. Funktionalität
Aber nicht nur die Vorstellungen des Users spielen eine Rolle, wie die App letztendlich aussieht. Der Kunde, für den die Anwendung konzipiert wird, hat oft Vorstellungen, die sich nicht mit einer möglichst hohen Nutzerfreundlichkeit verbinden lässt. „Zielstrebige Unternehmen haben viele Ideen und eine große Vision. Die Gefahr dabei besteht darin zu versuchen, möglichst viele dieser Funktionalitäten in eine App zu verpacken. Das überfordert die User. Die Verantwortung für uns als Usability-Experten liegt vor allem auch darin, diesen Unternehmen zu helfen, ihren Fokus möglichst gezielt auf Use Cases auszulegen, die den größtmöglichen Mehrwert auf Userseite bringen“, erklärt Stefan Ortmair. Nur so gelinge es die Retention-Rate hoch zu halten und dien User dazu zu bringen, regelmäßig zur App zurück zu kehren.
Dass die Kommunikation zwischen Kunde und Agentur aber auch super funktionieren und dabei auch eine gut designte App herauskommen kann, beweisen zum Beispiel eine Wiener Illustratoren-Plattform und ihre App-Entwickler. Fabienne Feltus und Philipp Stürzenbecher von Agent Azur und Thomas Höchtl von Advantage Apps haben uns ihre Story von der Idee zum App-Store erzählt.
Wie kam es zur Kontaktaufnahme zwischen euch beiden?
Fabienne und Philipp: Wir hatten von Anfang an eine klare Idee: eine Wallpaper App, mit ungewöhnlichem Design, die als Werbemittel mit Mehrwert für unsere Illustratoren-Agentur dient. Über Empfehlungen sind wir dann auf Advantage Apps gestoßen.
Wie hat sich die Idee zur App im Design-Prozess weiterentwickelt?
Fabienne und Philipp: Das Screendesign der App haben wir vorab entwickelt. wir führen neben Agent Azur ja auch die Werbeagentur/ das Design Studio Bureau F und haben schon oft mit dem Gedanken gespielt eine eigene App zu entwickeln. Am Anfang des Prozesses wollten wir natürlich mal wissen, ob unsere Ideen überhaupt mit dem verfügbaren Budget umsetzbar sind.
Thomas: Wir haben die grafischen Vorgaben von Agent Azur auf die technische Machbarkeit überprüft und noch leicht adaptiert.
Fabienne und Philipp: Wir haben uns bei Advantage Apps gleich sehr gut verstanden gefühlt, obwohl unser Design sehr ungewöhnlich ist und nicht der „Norm“ entspricht.
Wie sieht so ein Briefing bezüglich App-Design aus? Auf welche Guidelines habt ihr das gestützt?
Thomas: Das Briefing beinhaltete die grafische Vorgabe inklusive funktionaler Beschreibung. Das Projekt ist sehr Design-lastig, es werden de facto keine Standard-Elemente des Betriebssystems verwendet. Im Normalfall würden wir zu Beginn Wireframes auf Basis der UI-Richtlinien von iOS und Android erstellen und zusammen mit dem Kunden das finale Design erarbeiten.
Fabienne und Philipp: Advantage Apps haben uns in punkto Responsive Design, User Experience und Funktionalität mit dem App Store unterstützt. Was die Formate der Wallpaper anbelangt, standen sie uns ebenso mit Rat zur Seite.
Was war euch von Agent Azur besonders wichtig im Design der App und wie wurde es umgesetzt?
Fabienne und Philipp: Uns war es wichtig, dass die App sehr einfach ist und zu unserer verspielten C.I. passt. Das Design sollte daher sehr schlicht, übersichtlich und cool sein, was uns auch gelungen ist.
Thomas: Bei sehr individuellen Layouts ist es wichtig, vorab zu klären, wie die Umsetzung erfolgen soll, um die gewünschte User Experience zu erreichen und den Projektrahmen nicht zu sprengen.
Fabienne: Eine Besonderheit ist sicherlich der „random“-Button, der dem User ein zufälliges Wallpaper-Design zeigt und ihn auch zum Schmunzeln bringen soll.
Geschichten wie diese zeigen, dass es vor allem eine enge Zusammenarbeit zwischen Kunden und Kreativen braucht. Während Kunden ihre Wünsche und Vorstellungen in den Kreativprozess einbringen, stehen Kreative mit Beratungsleistung in Sachen Machbarkeit und Gestaltung zur Seite, um letztendlich für den Endnutzer die optimale mobile Lösung zu finden.
Wer eine ähnlich gelungene Kreativwirtschaft-Story zu erzählen hat, kann diese für den Wettbewerb zur Kreativwirtschaftsgeschichte 2017 der KAT einreichen. Zu gewinnen gibt’s die Verfilmung eurer Erfolgsgeschichte. Mehr Infos zur Kreativwirtschaft Austria gibt es hier.