Endometriose – von dieser chronischen gynäkologischen Erkrankung sind weltweit mehr als 200 Millionen Frauen betroffen. Weil es darüber kaum Bewusstsein in der Gesellschaft gibt und sie selbst Betroffene ist, hat Ranya Schauenstein im Jahr 2018 beschlossen, selbst aktiv zu werden. »nicht die regel« heißt ihr Dokumentarfilm über Endometriose. Er ist der erste für den deutschsprachigen Raum.
Liebe Ranya, du hast »nicht die regel« während der Pandemie produziert. Wie ist das abgelaufen?
Ranya Schauenstein: Die Idee kam mir 2018 nach der Geburt meines Sohnes, als ich einen kurzen Beitrag im Fernsehen zu Endometriose gesehen habe. Ich dachte mir: Dass es keine längere Doku dazu gibt, das kann doch nicht sein. Und kurz darauf bin ich selbst aktiv geworden, gemeinsam mit einer Freundin, die auch betroffen ist. Im Jahr 2020 haben wir mit den Dreharbeiten begonnen. Kurz nach unseren ersten Interviews kam der erste Lockdown. Weiterzumachen war dann gar nicht so leicht. Nach einer Drehpause, Remote-Interviews und später dann mit Mund-Nasen-Schutz ging es dann ganz gut.
Und wie lief die Postproduktion?
Das war dann noch mal eine ganz eigene Erfahrung. Unsere Kamerafrau ist gleichzeitig unsere Cutterin. Während der Dreharbeiten hat sie in Wien gelebt, ist dann aber zu Beginn der Postproduktion in die Schweiz zurückgegangen. Redaktionelle Meetings, Schnitt und der Feinschliff fanden über Online-Collaboration-Tools statt. Während der Pandemie mussten wir uns da wirklich etwas einfallen lassen und kreativ werden.
Deine Kamerafrau aus der Schweiz, die Sprecherin aus Tirol, die PR-Managerin aus Deutschland: Wie hast du dein Team gefunden?
Ich wollte für mein Team unbedingt Expertinnen, die aus der Medien- und Kreativbranche kommen und die die Krankheit verstehen und das Fingerspitzengefühl haben, darüber zu kommunizieren. Ich wollte eben zeigen, wie viele Frauen ich allein in dieser Branche zusammentrommeln kann, die von Endometriose betroffen sind. Nach meinem Aufruf in einer Facebook-Gruppe habe ich wirklich viele Nachrichten bekommen. Frauen, die mitmachen wollten. Frauen, die vor der Kamera stehen wollten. Viele bewegende Geschichten und so viel Kraft und Tatendrang. Ich habe dann kurz darauf ein internationales Team von sieben Frauen auf die Beine gestellt. Im Sommer 2020 kam die achte und im Frühjahr 2021 die neunte dazu.
Professionelle Produktionsfirma versus selber machen: Warum hast du dich für eine Eigenproduktion entschieden?
Der Wunsch, selbst aktiv zu werden, war sehr groß. Ich hatte da wirklich den Anspruch an mich selbst, dass ich auch wusste: Ich habe diesen Film produziert, wir haben das geschafft. Völlig unabhängig, ohne Förderungen. Das Handwerkszeug für eine Filmproduktion habe ich im Abendkolleg für Multimedia Art (HTBLVA Spengergasse), im Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaften (Uni Wien) sowie in zahlreichen Produktionsjobs und Redaktionen gelernt. Daher habe ich mich sicher und selbstbewusst genug gefühlt, so eine Produktion auch zu starten. In meiner Vorstellung hab ich diesen Film immer mit einem Team produziert, dessen Mitglieder alle selbst von Endometriose betroffen sind. Die Erfahrungen, die ich gemacht habe, das Team auszuwählen, zu planen, redaktionell und dramaturgisch zu gestalten und jetzt auch auf die Premiere hinzuarbeiten und mir mit dem Team eine Vertriebsstrategie zu erarbeiten – das sind alles wirklich wertvolle Erfahrungen, für die ich sehr dankbar bin.
Wie wurde der Film finanziert?
Mir war das ganz wichtig, dass ich eine Doku produziere, die den Betroffenen hilft und Mut macht. Die Idee über Crowdfunding zu finanzieren hat sich da direkt angeboten, weil ich den Gedanken »von der Community für die Community« von Anfang an schön fand. Mit der Crowdfunding-Kampagne haben wir 27.205 Euro eingenommen und damit die Dreharbeiten sowie die Postproduktion finanziert. Das ist wirklich kein besonders großes Budget. Ohne die Unterstützung aus meinem Team, die sich alle ehrenamtlich engagieren, besonders in den Abend- und Nachtschichten der letzten Wochen – ohne all das, wäre die Produktion nicht möglich gewesen. Ich bin wirklich sehr stolz auf unsere Leistung, auf mein Team und unseren Film.
Wie geht »nicht die regel« weiter? Bzw.: Wird es eine Fortsetzung geben?
Die Dunkelziffer von Endometriose-Patientinnen ist sehr hoch, weil die Beschwerden oft noch immer nicht ernst genommen werden oder die Ärztinnen und Ärzte nicht darauf sensibilisiert sind. Die Krankheit verläuft sehr asymptomatisch. Die Beschwerden werden oft nicht im Zusammenhang mit der Periode gesehen. Das erschwert die Diagnose zusätzlich. Endometriose wird auch das »Chamäleon der Gynäkologie« genannt. Awareness hierüber ist nicht mit einem Dokumentarfilm erledigt – da braucht es mehr Engagement. Mein Team und ich sind aber mit viel Herzblut und fast schon Aktivismus bei der Sache. Von »nicht die regel« wird man in Zukunft sicher mehr hören, ob in Form eines Dokumentarfilms oder anders. Allein, um die Frauen auf Social Media und die Fangemeinde, die sich inzwischen aufgebaut hat, nicht zu enttäuschen. *grinst*
»nicht die regel« ist dein Debüt als Regisseurin. Was würdest du anderen Frauen aus der Filmbranche empfehlen?
Einfach machen. Genau das würde ich allen raten. Was soll denn schon groß passieren? Man lernt ja aus Erfahrungen. Ich hatte immer den Traum, einen Film von mir auf die Leinwand zu bringen – mit dem, was ich gelernt habe, etwas Sinnvolles machen, etwas zu bewegen. Mit dem Thema Endometriose hatte ich die Chance, genau das zu tun. Am 2. September 2021 sitzen mein Team, meine Familie und Freund*innen im Kino und ich erreiche das größte Ziel, das ich mir vorgenommen habe. Einfach zu beginnen, braucht Mut und auch Support. Aber ich rate allen anderen Frauen aus der Filmbranche: Traut euch! Unsere Bildausschnitte, unsere Geschichten müssen mehr in den Fokus und auf die Leinwand. Denn wir sind diejenigen, sie unsere Geschichten am besten erzählen können.
»nicht die regel« feiert am 2. September 2021 im Burg Kino in Wien Premiere. Hier gibt es Tickets zu gewinnen.