Die Lyrikerin Monika Rinck überlässt nichts dem Sprachzufall. Mit unbestechlichem Blick aufs Ab- und Jenseitige gibt es in ihrem neuen Gedichtband Nach- und Eindrückliches.
Monika Rinck gehört zu den ganz Großen. Es fragt sich nur, worin genau, denn ihre Disziplin ist relativ einzigartig. Ihre Lyrik ist mehr Religionswissenschaft oder mehr Tirade. Die Zeilen sind lang und unbestechlich von dem, was gefühligen Preziosen sonst so als Lyrik gilt. Die Themen würdest du in keiner U-Bahn treffen, nur in jenem dunklen Wirtshaus, in dem wir manchmal auf den Schlaf warten und in dessen schiefen Licht alles zur möglichen Vorhölle und, abwechselnd, unfassbar begehrenswert wird. Schränke, Topfpflanzen, Treppen, Ponies mutieren zu grotesk-luminosen Wesen: Rinck´sche Allegorien eben. Ihr fortlaufender terminologischer Salon lässt sich auf www.begriffsstudio.de einsehen und abonnieren und ist als Teilfassung 2001 in der kleinen Berliner "edition sutstein" erschienen. Rincks Essay "Ah, das Love-Ding" (Kook) wiederum hat die Struktur eines Kneipengesprächs in mehreren Runden und die Atmo ist die prophetisch-visionärer Frauengespräche-nach-zwei-Uhr-Früh, nur dass die Luft auf magische Weise klüger zu sein scheint als sonst, oder das Aufzeichnungsmedium schummelt. Wer das Glück hatte, am absteigenden Ast einer Party eine von Rincks Flugvideoprogrammsimulationen, Beichtstunden oder Vermessungsanlagen mitzuerleben, beginnt zu kapieren, wie diese Frau tickt, was das für Methode hat, aber auch, wieviel Arbeit drin steckt. Es ist großartig. Die Gedichte heißen "das gegenteil von verführung" ("alle sagen: / morgen bringe ich torf mit. es kommt der morgen, keiner bringt torf mit."), "das kapitale schaf" ("der ausbau der haxen endet in mageren stöckchen."), "endlos verlängerte klaviaturen des schnaps" ("das sensorium von was ist denn jetzt schon wieder") oder "vierzehn tage in der taucherkammer" ("ganze familien dämmern so vor sich hin"). Wie sie Fehler und Schlampigkeiten als Zielattrappen einsetzt! Wie sie mit Pathos auf Zimmerecken draufhält, ohne zu wanken! Wie sie plötzlich wendet und zu graben anfängt! Um nicht bloß Zeilenenden zu hirscheln, hier noch ein ganzes Stück Rinck:
/mein denken
ich hab heute mittag mein denken gesehen,
es war eine abgeweidete wiese mit buckeln. wobei,
es könnten auch ausläufer bemooster bergketten sein,
jener grünfilzige teppich, den rentiere fressen.
nein, einfach eine rege sich wölbende landschaft jenseits
der baumgrenze, und sie war definitiv geschoren.
die gedanken gingen leicht schwindelnd darüber
wie sichtbar gemachte luftströme, nein, eigentlich vielmehr
wie eine flotte immaterieller hoovercrafts. Sie nutzten
die buckel als schanze./