Bad Seed’s Schibboleth
Man muss bei Matt Ruffs vorzüglichem Viertling gar nicht alle Wendungen durchschaut haben, gewiss ist: /just because you’re paranoid don’t mean they’re not after you./
Einmal angenommen, es gäbe eine Literaturtradition mit einem unverkrampften Verhältnis zum filmischen, relativ geradlinigen, dafür guten und vor allem /pageturnenden/ Erzählen (eventuell auch noch Creative-Writing-geschult). Angenommen, die machte es möglich, eine leicht überkandidelte, anspielungsreiche Melange aus Verschwörungstheorien, Küchenpsychologie, Moraltheologie, Sci-Fi-Versatzstücken und Matrix-Filmszenen zu einer vor allem gegen Ende hin vor lauter Turnarounds leicht kirre machenden Parabel über Schuld und Sühne zu verquicken. Angenommen die Geschichte der Agentin Jane Charlotte der Abteilung „Bad Monkeys“ (zuständig fürs Liquidieren „nicht mehr zu rettender Personen“) einer alles umspannenden, namenlosen Geheimorganisation, die das Böse bekämpft, wird erzählt durch ein endloses Verhör (in dem sie zum Teil wiederum andere Verhöre schildert, in denen sie…). Angenommen diese schon auf der Oberfläche spannende Story bringt dann ihre Populärkulturverweise, Drogenreferenzen und Verschwörungstheorie-Bauklötze (All Seeing Eye!) mit der selben selbstverständlichen Lässigkeit daher wie sie ganz ohne Bedeutungshuberei und Ernsthaftigkeitsanspruch aber doch auch das ist: gute Literatur. Angenommen, die sich bei ihrem Geständnis in immer widersprüchlichere Widersprüche verstrickende und gemeinsam mit ihrem Verhörenden in immer tiefere Schichten dessen, wie es angeblich wirklich war vorstoßende Jane muss sich schließlich die alten Fragen zwischen Sein und Schein stellen: Was ist schon gut und böse, was ist sie? Und wie zum Teufel war es jetzt wirklich wirklich? Angenommen, es fallen zu diesem, fein zwischen Trash-Groteske und Psychokammerspiel ausgependelten Changieren zwischen Verdrängung und Beichte, Paranoia und Gewissen statt den verlagsseitig propagierten Namen Philip K. Dick und Thomas Pynchon eher Stanislaw Lem und (believe it or not) Brett Easton Ellis ein. Angenommen, dieses Buch wäre sozusagen Dan Brown in gut, man müsste es direkt Popliteratur nennen. Popliteratur, die sich nicht mit den Problemen der deutschsprachigen Schule wie einem verzopften Verständnis von low codierten Signalen herumärgert und nicht angestrengt mehr sein will, als ein Nachmittag Lesevergnügen, aber bei Bedarf doch allerhand an Psycho-/Philosophieballast in sich hineinlesen lässt. Das Beste dran: Das gibt’s, Matt Ruff hat’s gemacht. Bleibt nur die Frage: „Bist du ein böser Affe?“