Haim haben Angst vor der eigenen Courage. Ihr tanzbares Debüt pendelt schön zwischen Folk-Rock, Soul und R’n’B, wagt aber letztlich zu wenig.
Vorschusslorbeeren sind bekanntlich ein zweischneidiges Schwert. Viele Musiker sind schon an den Erwartungen zerschellt. Über zu wenig Lob konnten sich die Schwestern Danielle, Alana und Este Haim aus Los Angeles wirklich nicht beschweren. Platz 1 im Sound of 2013 der BBC, Verehrung in der Blogosphäre, Touren im Vorprogramm von Rihanna. Und das war ja alles keineswegs unberechtigt: »Forever«, »Don’t Save Me« oder »The Wire« waren großartige Songs und sind es immer noch. Und bitte nicht falsch verstehen: »Days Are Gone« ist kein schlechtes Album. Eigentlich sogar ein ziemlich Gutes. Sicher, die Highlights kennt man schon. Aber wer würde Haim daraus einen Vorwurf machen wollen? Das ist halt heute so, die Aufmerksamkeitsökonomie funktioniert ohne Soundcloud-Uploads nicht. Ob ein Artist gesignt wird, entscheiden zwar immer noch die A&R-Manager. Aber einige Tausend Plays sind da schon ziemlich gute Argumente.
Nein, die Schwestern müssen sich einen anderen Vorwurf gefallen lassen: Den der mangelnden Courage. Vielleicht hat den Haims im Finish ganz einfach der Mut gefehlt. Denn das Debütalbum ist in voller Länge leider braver geworden, als es sein müsste. Nicht so süßlich wie Chvrches, aber insgesamt fast schon zu eingängig: Die Songs wandern sofort ins Blut respektive den Hintern, scheuen weder Pop noch Handclap, noch große Geste (»Let Me Go«). Sie pendeln zwischen Folk-Rock, Soul, R’n’B, atmen viel Vintage-Luft. Haim haben ein fast altmodisches Album gemacht, auf dem sie oft an Fleetwood Mac (»Running If You Call My Name«), gelegentlich an Prince (»If I Could Change Your Mind«), manchmal sogar an TLC (»My Song 5«) erinnern. Tanzen lässt sich dazu wunderbar – lange, ausgelassen und ohne schlechtes Gewissen. Allerdings alleine.
Denn letztlich bleibt der Sound relativ unschuldig und wagt zu wenig. Haim greifen auf die Herdplatte, stellen sie aber vorsorglich nur auf Stufe fünf. Das Risiko auf »Days Are Gone« bleibt überschaubar. Die Platte ist wie eine wilde Schmuserei, bei der jeder dann doch um halb fünf alleine im Bett landet. Das ist super, macht Spaß und ist völlig in Ordnung. Für 45 Minuten oder den Sound dieses Jahres ist es aber ein wenig dünn. Mit diesem Album bleiben Haim erstmal eine Single-Band, wie es der Kollege Niederwieser ausdrückt. Vielleicht meinte er auch Singles-Band. Genießen darf man das Ganze aber durchaus. »Nur schmusen« ist ja gelegentlich auch voll ok.