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Frank Darabonts feine King-Adaption „Der Nebel“ erzählt vom Weltsterben anhand einer Kleinstadt und erinnert darin an das meisterhaft grausige Genrekino der 50-iger Jahre
Der Genrefilm und die soziopolitische Realität stehen in einem prekären Verhältnis zueinander: aktuelle US-Horrorproduktionen tendieren entweder gen effektreiches Automatenkino, oder versuchen sich mittels ungeschickt formulierter Morallehren seriös anzustreichen. Die filmindustriellen Ausbrüche im angsterfüllten Weltklima der 50-iger Jahre, als monströse Kreaturen kleinstädtische Sauberleben auseinander nahmen, wirken in ihrer grimmigen Naivität hingegen nach wie vor akut: Volksschocker Stephen King scheint viele seiner Romane und Novellen aus jenem Sud aus All-Invasoren und Body Snatchers geformt zu haben und Regisseur Frank Darabont verortet seine jüngste Verfilmung einer King-Novelle (nach „Die Verurteilten“ und „The Green Mile“) ebenfalls in der Twilight-Zone des US-Mittelstands. Filmplakatmaler (!) David Drayton hat nach einem gewaltigen Gewittersturm etliche Schäden zu beheben: Ein Baum ist in sein Arbeitszimmer gestürzt, ein anderer hat das Bootshaus zertrümmert. Gemeinsam mit seinem Sohn und seinem grimmigen Nachbarn, dem Rechtsanwalt Brenton, fährt er zum örtlichen Supermarkt: der wirkt, wie in vielen King-Romanen gleichsam als kommunales Zentrum wie als Ruhepol, ein gläserner, durchsichtiger Treffpunkt, um sich auszutauschen und auszuruhen. In „Der Nebel“ wird der Konsum, der hier trotz einer Romantisierung des Kapitalismus bald als Religionssurrogat wirksam wird, von einer aufziehenden Nebelsuppe unterbrochen, die innerhalb von Sekunden das gesamte Gebäude umhüllt. In diesem eingeschlossenen Soziotop beginnen sich Kings brachiale Charaktere (der selbstverliebte Rechtsanwalt, die resolute Alte, die liebreizende Lehrerin, der wichtigtuerische Filialleiter) zu entfalten: als Antagonistin ist bald Mrs. Carmody (Marcia Gay Harden in einer ihrer besten Rollen) ausgemacht, die im Naturgewaltigen den Gotteszorn wähnt, der ob der Lustwandlung seiner Schäfchen auf Erden wütet. Bald schon beginnt der Nebel einige seiner Bewohner zu enthüllen: monströse Kreaturen wie kopfgroße Insekten, Pterodaktylen und tischhohe Spinnen machen ein Entkommen unmöglich und dezimieren die im Supermarkt versammelten stetig. Für Darabont und King liegen das Abscheuliche und Unmenschliche allerdings nicht im Nebel: im Gebäude radikalisieren sich die Fronten und Carmody fordert Menschenopfer, um die Ungeheuer zu beruhigen.
„Der Nebel“ ist in seiner Effekthascherei, seiner brachialen Dramaturgie, seiner Naivität und seiner unkonzentrierten Inszenierung nah dran am literarischen Werk Kings: Darabont ist ein schöner, schauriger und lustiger Horrorfilm gelungen, der wenig mit dem Kalkül aktueller Produktionen gemein hat, sondern sich in eine Zeit zurück träumt, in der Genrefilme billig, dumm und gerade deshalb gewaltig waren.