Dystopische Zukunftsvisionen
»Deus Ex: Human Revolution« besinnt sich auf alte Stärken: eine spannende Geschichte und alternative Lösungswege.
Es gibt viele Spiele, die Handlungsfreiheit versprechen, aber nur wenige, die es auch halten. »Deus Ex: Human Revolution« ist eines dieser seltenen Beispiele, in denen das Wort Alternative noch Bedeutung hat. Was tun, wenn im nächsten Raum eine kleine Armee versammelt ist? Wer Lust auf einen Ego-Shooter hat, stürmt durch die Vordertür, wer es lieber heimlich mag, schleicht geschickt an ihnen vorbei. Möglicherweise lohnt es sich, den Computer in der Ecke zu hacken, und vielleicht gibt es sogar noch einen anderen, viel einfacheren Weg, ans Ziel zu kommen. Schießen, Schleichen, Hacken und Erkunden – Fähigkeiten, die völlig unterschiedliche Herangehensweisen ermöglichen. Während »Deus Ex« damals rasch Kultstatus erlangte, enttäuschte der zweite Teil Fans und Kritiker gleichermaßen. Deshalb verwundert es nicht, dass sich »Deus Ex: Human Revolution« stark am Erstling orientiert und dessen Tugenden bietet: eine überzeugende Vision der Zukunft, enorme Handlungsfreiheit und eine Geschichte, die vor Verschwörung und Intrigen strotzt – aber dennoch nachvollziehbar bleibt.
Adam Jensen ist der Protagonist des Prequels, das sechs Monate vor den Ereignissen aus Teil Eins spielt. Der Held des Shooters mit Rollenspiel-Elementen wird gleich zu Beginn so stark beeinträchtigt, dass er auf sogenannte Augmentierungen seines Arbeitgebers angewiesen ist, um zu überleben und die Schuldigen zu suchen. Augmentierungen, das sind künstliche Organe und Gliedmaßen, die, von einigen zwar als Rettung der Menschheit angepriesen, zu einem außerordentlichen Gefälle zwischen Arm und Reich führten. Wir schreiben das Jahr 2027. Mehr Gesundheit und Kraft und geistige Überlegenheit für all jene, die es sich leisten können.Wenig überraschend bildet sich so Widerstand gegen die Elite; doch haben wirklich Terroristen den Anschlag auf Sarif Industries durchgeführt? Nur so viel dazu: Verschwörungstheoretiker werden sich freuen. Jedenfalls muss Adam seine Heimatstadt Detroit, Metropolen in China und Kanada und andere Regionen dieser Welt nach der Antwort durchforsten. Und so wie schon im Erstling sind auch die Level im neuesten Teil konstruiert: relativ klein, mit großem Handlungsspielraum. Das mag für Openworld-Freunde enttäuschend klingen, ist aber das einzige Mittel, um die Balance zwischen Forscherdrang und Dramatik zu halten. Denn die packend erzählte Geschichte ist für »Deus Ex: Human Revolution« ein wichtiges Element, um Spieler in seinen Bann zu ziehen. Spielerisch geben sich die einzelnen Elemente keine Blöße, sind erwartungsgemäß aber keine Referenz; sowohl Shooter als auch Schleicheinlagen gibt es woanders polierter. Die Gesichter dürften ruhig etwas lebendiger wirken und so manche Ladepause lädt zum Kaffeekochen ein. Doch die spielerische Abwechslung schafft es immer wieder aufs Neue zu faszinieren. Und eine mit glaubwürdigen Charakteren und spannenden Wendungen versehene Erzählung, die Stunde um Stunde (mindestens 40) abwechslungsreich verrinnen lässt.