Floria-Räume

Tierbabybingo und Erkenntnis
Ann Cottens Schreibweise ist „Gebäuden nachempfunden: Wenn sie nicht da stünde, wüssten wir nicht, warum sie so und nicht anders sein muss“.

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Es ließe sich trefflich darüber streiten, ob dafür, was Ann Cotten, bekannt als maßgebend für die deutschsprachige Gegenwartslyrik durch ihre Fremdwörterbuchsonette, mit Florida-Räume da vorlegt, die Kategorie „Roman“ zutreffend ist – weswegen der Band wohl auch einfach keine Genre-Bezeichnung trägt. Viel wichtiger als diese Frage ist jedoch zu betonen, dass Florida-Räume eines der faszinierendsten Bücher überhaupt für alle ist, die mit Tieren und Theorie etwas anfangen können.

Florida-Räume ist das Resultat einer fiktiven Anzeige, die Texte sucht, die den Menschen mehr geben „als die Boing: Die Selbsterkenntnis“. Ein Herausgeber hat die auf diese Annonce hin eingesandten Texte gesammelt und zum angeblich besseren Verständnis mit einleitenden Kommentaren und Fußnoten versehen. Durch diese (im übrigen noch mal durch eine selbstreflexive Schlaufe gezogene) Herausgeberfiktion (nota bene: alte Formen neu interpretiert!) erreicht Cotten eine wunderbar kirre machende Verschachtelung und Vielstimmigkeit. Die eingesandten Texte sind stilistisch wie inhaltlich breit gestreut: Da gibt es unter anderem Gedichte der revolutionären Ameisenjungfer, eine „Ausschüttung“ des Geistes, Interviews mit dem Roboter Amun und dessen unglücklicher Liebe Tanja (die selbst Roboter werden will, um Amun ähnlicher zu werden, der Mensch werden will) – und auch Ann Cotten selbst hat Gedichte eingeschickt.

Im Zentrum steht jedoch der Hund und Architekturkritiker Cocker, der mit seinen Freunden, den Katzen und Hunden von der Marienfelder Schule, mit Essays, heftigen Streitreden und Tagträumen die Theorie der Florida-Räume zu begründen versucht. Was schon in der Aufzählung wahnwitzig klingt, ist auf Romanlänge noch komplexer, schroffer und liebenswürdiger. Der Einwand, dass dieser Hang zum abstrus-abstrakt Verkopften wenig Nachvollziehbares bzw. -fühlbares zulässt, ist natürlich Unsinn, denn genau darum geht’s: Dass Denken Zärtlichkeit und schwierig ist. Denn wie die Marienfelder Schule weiß: „sich verständigen heiße bloß, zu reduzieren, bis so wenig überbleibt, dass man sich versteht“.

Florida-Räume besteht außerdem aus einer Brandrede gegen Realismus, Tierbabybingo und kann Spuren von Erkenntnis enthalten. Letztere wird in den Florida-Räumen auch dadurch gewonnen, dass die Einreichenden die „Syntax behandeln mit der Anmut unerfahrener Eisläufer“ – Florida-Räume ist nämlich voll von (natürlich so kunst- wie absichtsvoll) ungeschliffenem rohen Unsinn. Denn Florida-Räume sind eben von „unfachmännischer Bauweise“, ein Beharren auf der Verkorkstheit von Außenseitern wie dem Cocker.

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