Sanfte Kehrtwendung
Mehr Gitarren, weniger Piano. The National machen jetzt ein bisschen mehr auf Rockband und klingen dabei noch besser als vorher.
Mit dem fast schon als Hitalbum zu bezeichnenden „Boxer“, das 2007 erschienen ist, haben sich The National an die vorderste Front der Berufsmelancholiker gesungen. Quasi der Durchbruch für die 1999 gegründete Formation aus Brooklyn. Wenn es so etwas wie Durchbruch für eine solche Band überhaupt gibt. Denn The National machen natürlich Nischenmusik, die machen sie aber hervorragend. Doch scheint es, als hätte es nach dem Erfolg von „Boxer“ eine leichte Kehrtwendung gegeben. Denn der Sound von „High Violet“ erinnert stellenweise an das 2005 erschienene, noch unausgegorene „Alligator“. Die klare, durchdachte Produktion von „Boxer“, musste Low-Fi-Sound und breiter Gitarrenklangkulisse weichen. Auf „High Violet“ werden die zuvor episch arrangierten Bläser und Streichquartette weitgehend verhaltener eingesetzt. Das Piano ist zwar noch immer stark in den Vordergrund gerückt, doch Sänger Matt Berninger scheint sich diesmal vornehmlich an den ungewohnt lauten Gitarrentönen zu orientieren.
Der breite Klangteppich und Einsatz von verzerrten Gitarren bricht den vormals unverkennbaren Sound stark auf. Wo man zuvor mit eingängigen Refrains sofort auf den Punkt gekommen ist, dauert er diesmal einfach ein bisschen länger. Hat man sich aber einmal durch diverse Soundschichten (z.b. „Terrible Love“) durchgearbeitet, kommen sie wieder zu Tage: die ganz subtil eingesetzten Spielereien, die Gänsehautmomente bescheren, das langsam schleichende Piano, die euphorischen Chöre, schleppende Bläser oder einfach nur Matt Berningers Stimme, der diesmal die ganze Bandbreite seines Könnens ausschöpft. Auch höhere Töne finden sich jetzt in seinem Repertoire („Afraid Of Everyone“) es bleibt aber der unverkennbare brummige Bariton. Einzig „Bloodbuzz Ohio“, das von der Band vorab auf deren Website zum Gratis-Download bereitgestellt wurde, ist der beim ersten Mal Hören wohl zugänglichste und eingängigste Song. Dabei bleibt es, denn auf „High Violet“ gibt es nicht mehr nur diesen einen, typischen Sound, sondern viele, die alle perfekt zusammenfließen und dem Album dadurch einige neue Überraschungsmomente bescheren. Die Sound-Wende ist mehr als geglückt.