Zu Thomas Meineckes Schreiben gibt es grob geschätzt drei Meinungen: Die einen hassen seine Bücher, andere sind Fans und wieder andere finden die Idee zwar gut, doch wahlweise sich selbst oder die Welt noch nicht bereit. Daran wird wohl auch „Jungfrau“ nichts ändern.
Durch noch längere, auf den ersten Blick unbearbeitete Zitat-Text-Blöcke, noch mehr Google-Treffer und paradoxerweise dazu noch (für Meinecke-Verhältnisse) fast schon so etwas wie einen Plot (Boy meets Girl meets Zölibat!) erscheint „Jungfrau“ auf den ersten Blick noch heterogener und sperriger als das Frühwerk. Überraschenderweise erreicht Meinecke aber gerade dadurch eine noch tiefere Verquickung der Themen, Kontexte und Diskurse – wenn die gute alte Metapher von Autor als DJ jemals für irgendwas gepasst hat, dann am ehesten für „Jungfrau“.
Für seinen jüngsten Roman, wenn wir der Gattungsbezeichnung des Verlags mal großzügig zustimmen wollen, hat Meinecke seine mit „The Church of John F. Kennedy“ und „Tomboy“ entwickelte und seither stets verfeinerte Technik also noch einmal (je nach Sichtweise) leicht auf die Spitze getrieben bzw. perfektioniert. Ein paar wenig anschauliche Figuren lesen sich durch die Themen des Buches, hören diskursiv Musik dazu und erleben ihren Alltag ausgesprochen reflexiv. Das Ganze wird dann in einer gern altertümlich geziehenen, die Grenzen zwischen Zitat und Referat, zwischen verschiedenen AutorInnen, zwischen den Diskursen verwischenden Sprache dargelegt.
Und so erfahren wir von der Verbindung von katholischer Mystik, dekonstruktivistischem Feminismus, Jazzpianistinnen, queeren Theaterwissenschaften, Enthaltsamkeit und Camp: Sie liegt in der „Struktur des Glaubens als solchem“. Dass diese Themenwahl für den vom Feuilleton als Genderonkel und Popfritze Wahrgenommenen nicht verblüffend, sondern nur logisch ist, war seit „Ratzinger-Funktion“ (bitte selbst googlen!) schon klar, geht es letztlich doch bei allem nur um die Konstruktion von „immer neuen Erfahrungsmöglichkeiten“. Ob eine/r also pornographische Trashfilme guckt oder versucht in Enthaltsamkeit zu leben, ist strukturell gesehen das Gleiche, gibt einem Buch aber die Spannung, die seitenlange Mystik-Exzerpte nicht nur rechtfertigt, sondern unterhaltsam macht (oder erbaulich, je nachdem).
Natürlich erfindet Meinecke mit „Jungfrau“ den Meinecke nicht neu. Es wäre aber ausgesprochen unfair, einem immerhin als solchen erkennbaren eigenständigen Stilisten vorzuwerfen, doch immer nur das selbe Buch zu schreiben, ähnlich wie manchen Bands, denen vorgeworfen wird, immer nur die selbe Scheibe neu aufzunehmen (vgl. The Fall), als müsste man das nicht auch erstmal können. Mit dem anderen Extrem, den sich Immer-wieder-neu-Erfindern (vgl. Beck) wird im Übrigen ja auch niemand so recht glücklich. Jungfrau ist also fortschrittlichstes Weitermachen auf höchstem Niveau.