Gotan-Project-Mann Philippe Cohen-Solal versucht sich mit „The Moonshine Sessions” in Sachen Retorten-Country und legt damit ein erstaunlich organisches Album zwischen Nashville-Seligkeit und Alternative-Country vor.
„Country und Western, das gefällt uns am bestern!” Die viel zitierte Songzeile der Linzer Pop-Intellektuellen Shy dürfte Philippe Cohen-Solal natürlich nichts sagen. Sie würde dem französischen Tango-Revoluzzer, der mit dem Gotan Project dem Tango weltweite popkulturelle Relevanz und sich selbst ein volles Konto bescherte, dennoch aus dem Herzen sprechen. Nach Authentizität und Wahrheit sollte es einem beim Genuss der „Moonshine Sessions” aber nicht unbedingt Gelüsten. Was Philippe Cohen-Solal nun vorlegt ist angesichts der Umstände trotzdem bemerkenswert. Ursprünglich ritt den Franzosen die Idee mit Country dasselbe zu vollziehen was das Gotan Project mit Tango tat: Eine Elektrifizierung zwecks Erschließung neuer junger Zielgruppen. Dass er schlussendlich Pietät bewies indem er das zur Beat-Verramschung bereit stehende Country-Material naturbelassen hielt, spricht für ihn. Denn Solal versammelte in Nashville eine illustre Runde an Instrumentalisten und Vokalisten um sich, die seit Jahren sattelfest im Genre sitzen. Angefangen beim Co-Produzenten der „Moonshine Sessions” Bucky Baxter (jahrelanger Tourmusiker und Pedal-Steel-Kapazunder von Bob Dylan). Der Opener „The Academy of Trust” beschwört große Gefühle und liefert den nötigen Cowboy-Herzschmerz. „The Road to Nowhere” geht als waschechter Dwight Yoakam durch und in „Psycho Girls & Psycow Boys” macht uns Philippe Cohen-Solal den Lee Hazlewood. Auch wenn dem an und für sich formidablen Song der stimmliche Nachdruck fehlt. Was Gastsängerin Melonie Cannon auf „I lost him” durchaus wettmacht, indem die Dame puristische Gefilde verlässt und am ehesten an Mazzy Star denken lässt. Etwas daneben haut Solal lediglich bei der Coverversion "Pretty Vacant" (Sex Pistols) und Abbas "Dancing Queen" – zwei akustische Treppenwitze. „Fade Away” mit seinen Gospelzitaten signalisiert dass Philippe Cohen-Solal begriffen hat, dass Country durchaus als weißes Pendant zu Soul gesehen werden kann. Stichwort: Sufferers Music. Und „I’m Rollin’” lässt amerikanische Landschaften des Westens an einem vorbei ziehen – auch wenn einen das Gefühl nicht los lässt, er dürfte davon ebenso viel Ahnung wie einst schon Karl May haben. Aber der mutierte schließlich auch zum Millionenseller.