All you need is love
Der Isländer Andri Snær Magnason hat eine saftige SF-Dystopie über Liebe, Tod und Kapitalismus geschrieben. Wer nochmal wissen will, wie Island (respektive die Welt) in eine Finanzkrise schlittern konnte, kann es hier nachlesen.
Bereits am Anfang der Geschichte ahnt der Leser etwas Unheilvolles. Zugvögel, Bienen und Falter verlieren die Orientierung und verursachen unbekannte Probleme. Flugzeuge treffen nicht auf die Landebahnen. Die Strahlenschutzindustrie blüht wie nie zuvor. Auch LoveStar, dem mächtigsten Mann der Welt, steht nichts Gutes bevor. Mit dem wertvollsten Ding auf der Erde in seiner Hand, einem Samenkorn, erlebt er die letzten Stunden seines Lebens. LoveStar und sein Konzern, der ebenso heißt, haben die Welt revolutioniert. Freie Partnerwahl ist abgeschafft worden, da jedes Individuum seine vollkommene Entsprechung nur in einem (1) anderen Individuum auf der Welt findet. Die Vogel- und Schmetterlingsabteilung von LoveStar hat die Methode gefunden, wie man berechnet, welche zwei Menschen exakt zueinander passen: „inLOVE“ nennt sich das Ganze. „LoveDeath“ ist ein anderes Projekt, das dem Menschen ermöglicht, sich nach seinem Tod in der Form einer Sternschnuppe zu verabschieden. Dabei erlebt die Kommerzialisierung beachtliche Höhen. In dieser dystopischen „LoveWorld“ soll schließlich das Konzept „LoveGod“ den alten Gott ersetzen.
Es geht also um Liebe, Tod und Glauben in diesem Science-Fiction-Roman, in dem auch Töne aus „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley anklingen. Der Autor und KAIROS-Preisträger 2010, Andri Snær Magnason, ist in Island ein bekannter Umweltaktivist. LoveStar hat seinen Hauptsitz ebenfalls in Island und dort werden die wichtigsten Projekte umgesetzt. Es wundert deshalb nicht, dass die Gesellschaftskritik sich oft an den Konsumterror und die Kommerzialisierung in Island richtet. In gewisser Hinsicht erfährt man auch einiges über jenen Größenwahn der Isländer, der sechs Jahre nach dem Erscheinen des Romans (2002) zur Staats- und Finanzkrise führen sollte. In einer Anti-Utopie muss es freilich auch Helden geben. Hier heißen sie Sigríður und Indriði, in Anlehnung an ein Liebespaar aus dem isländischen Roman „Jüngling und Mädchen aus dem 19. Jahrhundert“ (im Buch wimmelt es an literarischen Anspielungen). Sie weigern sich, an inLOVE teilzunehmen, weil sie felsenfest daran glauben, sie seien füreinander geschaffen. Dadurch entsteht ein Konflikt mit dem LoveStar-Imperium und der ganzen Umwelt, was schließlich zu einem unerwarteten Treffen mit dem Übervater führt. Das ist alles sehr dick aufgetragen und die Fantasiegebilde des Autors bilden gleichzeitig die Stärken und die Schwächen des Romans – da sie manchmal vom Thema abschweifen. Dass das Charakterbild der Figuren ab und zu ein wenig blass wirkt, stört aber in einem Genre wie diesem nicht unbedingt. Auch weil meist die irrwitzigen und amüsanten Beschreibungen – etwa aus Sigríðurs und Indriðis Liebesleben – dagegen wirken.