Absurde Landvermessungen eines seltsamen Paars
Mit Leopold Maurers „Miller & Pynchon“ ist soeben eine neue Graphic Novel aus Österreich erschienen.
Mit viel Gespür für Skurrilität, subtilen Humor und Poesie lotet Maurer in diesem famos komponierten Comic den schmalen Grat zwischen Vernunft und Unvernunft aus und verbindet die Schicksale zweier ungleicher Landvermesser mit jenen von Werwölfen und Kanalkrokodilen. Miller und Pynchon sind sehr unterschiedlich: Pynchon ist ordnungsliebender Astronom, vorsichtig und zurückhaltend, sein Assistent Miller, der einen Teil seiner Jugend im Priesterseminar verbrachte, bis ihn seine sexuellen Leidenschaften fast in den Selbstmord getrieben hätten, ist hingegen impulsiver und „wandelbarer“ (vor allem bei Vollmond).
Das ungleiche Paar ist damit beauftragt worden, eine Demarkationslinie zu vermessen. Zeit und Ort dieses Unterfangens sind unklar und dessen Sinnhaftigkeit prinzipiell anzweifelbar. Pynchon, der den Tod seiner geliebten Frau nicht verschmerzen kann, bietet Arbeitseifer und wissenschaftlichen Ethos auf, um alles auf geregelter Bahn zu halten, während sich sein Assistent Miller allzu gerne ablenken lässt – und Ablenkungen lauern hinter jeder Hecke. Die ordnenden Grenzen brechen schneller auf als sie gezogen werden können. Die Welt des gesunden Menschenverstandes wird von innerpsychischen ebenso wie außerweltlichen Phänomenen belagert, denen beizukommen bald mehr Anstrengung verlangt, als die nüchtern-trockene Arbeit des Vermessens. Hinzu kommt noch eine Reihe von Begegnungen mit merkwürdigen Figuren, wie etwa einem sprechenden Kanalkrokodil, oder einem schießwütigem Zwillingspaar namens Thomas und Bernhard. Dass all diese skurril anmutenden Einfälle sich in eine harmonische, ja gar poetische Geschichte zusammenfügen, die gleichermaßen Traurigkeit, Humor und den diskreten Charme des Absurden verströmen, ist der außerordentlichen Erzählkunst Maurers zu verdanken.
Fast jede Seite von Miller & Pynchon ist in sechs Einzelbilder aufgebaut: jeweils drei Zweier-Bildfolgen untereinander. Diesem scheinbar engen formalen Korsett wird mit minimalistischen Zeichnungen und einem äußerst beredten Tuschestrich ein Maximum an emotionalem Tiefgang abgewonnen: Tragische Liebe und genetische Bestimmtheit sind nur zwei von vielen Themen, die in diesem so berührend wie unaufgeregt erzähltem Comic angeschnitten werden. Empfehlenswert.