Zwischen R’n’B, Witch House und Dreampop: Holy Others Debüt ist ein wunderbares Stück über die Dringlichkeit und Unmöglichkeit der Liebe.
Im Englischen gibt es Begriffe, die sich nur völlig unzureichend übersetzen lassen. »Ghostly« ist einer dieser Begriffe. Das deutsche Pendant »geisterhaft« hilft nur bedingt weiter, kann es doch die schwebende, sprunghafte, prekäre und unheimliche Schönheit der Beschreibung nicht umfassen. Deshalb haben es englische Rezensenten leichter, über Holy Others Debüt zu schreiben. Denn ghostly ist das Wort, das »Held« einfach am besten trifft. Das trifft nicht nur auf die Musik zu, sondern auch auf den scheuen Produzenten selbst. Fotos gibt es kaum, und das einzige, was von ihm offenbart wird, ist sein aktueller Wohnort: Manchester.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies Methode hat. Jede Information engt ein, lenkt unser Denken in bestimmte Bahnen, setzt das Produkt in eine Beziehung zu Ort und Zeit. Holy Others Musik aber ist raum- und zeitlos. Sein sphärisch vor sich hin treibender Mix aus R’n’B, Witch House und Dreampop versucht sich an universeller Gültigkeit und fällt bei dem Versuch noch nicht mal auf die Nase. Die Stimmen auf dem Album sind durchwegs elektrifiziert – Autotune in voller Konsequenz, wie es heuer auch schon Polica durchgezogen haben.
Cyborgs in fragilen Zweierbeziehungen
Im Falle von »Held« erweist sich das als absoluter Glücksgriff. Die Vocals sind distanziert, ihres Kontexts beraubt und so von ihrer Entstehung entrückt. Sie werden zu Symbolen, zu universellen Träumen, Bedürfnissen und Wünschen. Niemand möchte allein sein, auch nicht die Cyborgs, die auf »Held« von der Liebe singen. Androiden träumen ja auch von elektrischen Schafen, wie wir aus »Blade Runner« wissen. Wer Allgemeingültigkeit will, muss auch ein allgemein gültiges Thema haben. Die vorangegangene »With U«-EP war ein Stück über eine gescheiterte Liebe. »Held« behandelt die Zeit davor und erzählt von der Unmöglichkeit und der Dringlichkeit der Zweierbeziehung, diesem komplizierten und fragilen Gebilde zwischen den Polen Geborgenheit und Einschränkung. Zwischen dem Wunsch, abends endlich mal neben jemand anderem einzuschlafen und der morgendlichen Freude, dass es dann doch wieder derselbe ist.
Holy Others gleichförmige, zauberhafte, langsame Stücke spiegeln die Trägheit, in der sich die meisten Beziehungen irgendwann wiederfinden, perfekt wieder. Wenn man einfach weitermacht, weil man glücklich mit dem anderen ist und gleichzeitig Angst hat, alleine zu sein. Vom pochenden Opener »(W)Here« über das flüchtige »Love Some1« bis zum finalen »Nothing Here« ist »Held« ein schlüssiges, magisches Album. Pflichtprogramm für alle, die im Geheimen von elektrischen Schafen träumen.
Holy Other »Held« erscheint am 27. August via Tri Angle Record.
Holy Other – Held by TriAngleRecords