Ghost On The Dancefloor – Der Produzent aus Bristol verbindet auf seinem Debüt Dub-Techno und Witch House. Das ist überraschend schlüssig.
Es gibt einen Ort an dem die urbane Finsternis zuhause ist. Es ist eine gepflegte, urbane Finsternis. Mehr Schauer als Horror. Wie ein Film, an dessen Ende nicht nur die Frau, sondern zur Abwechslung auch ihr Freund überlebt. Dieser Ort liegt in London und hört auf den Namen Tri Angle Records. Das Label hat Witch House mit allen seinen wunderbaren und extrem nervigen Facetten (Dreiecke in Labelnamen zum Beispiel!) kultiviert und weiterentwickelt. Heuer erschienen mit How To Dress Wells „Total Loss“ und Holy Others „Held“ allerdings schon zwei extrem intime und wunderbare Platten auf Tri Angle. Mit Vessels Debüt „Order Of Noise“ führt das Label dieser Tage ein weiteres Album dieser Reihe hinzu, die dem geisterhaften Soundentwurf neue Nuancen abgewinnen kann. Anders als zum Beispiel Holy Other, der seine Musik im abgedunkelten Schlafzimmer produziert und die letztlich auch dort zuhause ist, ist Vessels Output viel technoider.
Der Produzent aus Bristol verzichtet keinesfalls auf die typischen, sphärischen Synthies, die Autotune-verfremdeten Stimmen oder den massiven Einsatz von Delay. Aber Vessel hat offenbar eine Vorliebe für Dub Techno, die sich auf seinem Album überall widerspiegelt: Die Beats und Bässe auf „Order Of Noise“ sind viel pumpender, viel treibender als bei seinen Label- oder Genrekollegen. Aber auch Versatzstücke von Ambient finden sich zuhauf. Auf „2 Moon Dub“ vereint Vessel im Grunde programmatisch seine Einflussquellen: Der Track beginnt klickernd und hallend wie ein düsteres Stück Noise. Irgendwann unterbricht ein überraschend schneller und melodischer Basslauf das Szenario, über den dann nach der Hälfte des Songs ein noch melodischeres und träumerisches Thema gelegt wird. Tracks wie das hämmernde „Scarletta“ oder piepende „Lache“ ziehen sogar – völlig ungewöhnlich für Tri Angle-Artists – auf die Tanzfläche. Überhaupt ist „Order Of Noise“ eher eine angenehme Finsternis. Weniger die Traurigkeit einer einsamen Wohnung, sondern mehr die Lakonie einer morgendlichen, fast leeren Tanzfläche. Wird schon alles wieder.