Nimm eine Putzwutfrustmutti, einen kaum vorhandenen, weil so in-the-closet Papa, ein betragensschwaches, kluges Mädchen sowie eine hübschbrave, etwas einfach gestrickte Schwester – schon hast du die Keimzelle aller Neurosen, die scheinheile Familie.
Der Vietnamkrieg passiert grad, die Enge und der Frust der Prä-68er miefen aus jeder Zeile. Da rein setzt Alge ihre Ich-Erzählerin. Erraten: Die betragensschwache, gescheite Tochter ist es, die der privaten Misere und den Fehlschlägen (ihre Matura wird zugunsten einer größeren Küche im Eigenheim eingespart) mit Witz, Wut und Ironie begegnet. Auch mit einer etwas zu glatten Fassade, die die Autorin nicht kommentiert, sondern mitträgt. Die Risse tun sich zwischen den Zeilen auf oder in manchen Reaktionen von Rosis Freunden auf ihre toughe Außenhaut. Die eigene Verzweiflung und Ausweglosigkeit wird via Kriegsberichterstattung auf die Unterdrückten dieser Erde umgelenkt, Amerika zur Ursache allen Übels, Victor Jara zu Ehren Spanisch gelernt. Han Li, der erfundene Name für das vor einer brennenden Napalmwolke flüchtende Mädchen auf dem berühmten Foto von Nick Ut, zur Chiffre für die eigene Ohnmacht.
Das alles ist schon lange her. Die Autorin hält Distanz zur Ich-Erzählerin, was den Roman spannend, witzig und klug macht, manchmal auch altklug. Warum auch nicht, ist doch die Ich-Erzählerin ein smarter Teenager. Die Schnitte im Text funktionieren richtig gut, überraschen und ziehen so richtig in den Text rein. Manche Konflikte lösen sich etwas zu reibungsfrei auf, dafür bleiben Leerstellen unbesetzt, das Vakuum wird zum Problem, das Ende hält – so wie es sein soll – noch eine Überraschung parat.